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Korrespondenz

CANNABIDIOL GEGEN SCHMERZEN BEI ARTHROSE?

Wie beurteilen Sie Effekt und Risiko von Cannabidiol-Öl zur alternativen Anwendung gegen altersbedingte oder degenerativ bedingte Muskel- und Gelenkschmerzen zur Vermeidung eines Übergebrauchs von nichtsteroidalen Antirheumatika?

N.N. (Name etc. in a-t 11/2021 genannt)
Interessenkonflikt: keiner

Dem nur gering psychoaktiven Cannabisbestandteil Cannabidiol (zugelassen als EPIDYOLEX Lösung und in SATIVEX Mundspray bei bestimmten Krampfanfällen bzw. bei Spastik bei Multipler Sklerose) werden zahlreiche positive Wirkungen in nicht zugelassenen Indikationen, beispielsweise bei chronischen Schmerzen, zugeschrieben, für die ein Nutzen durch randomisierte Studien allerdings unzureichend oder gar nicht belegt ist (a-t 2019; 50: 120, 129).

Speziell zur Behandlung von Schmerzen infolge von Arthrose finden wir zwei doppelblinde randomisierte Studien,1,2 von denen jedoch keine eine Ölzubereitung untersucht. Die erste Studie1 schließt nur 136 Patienten ein, davon 77 mit Arthrose im Bereich der Hand und 59 mit Psoriasisarthritis. Sie nehmen zwölf Wochen lang entweder täglich 20 mg Cannabidiol in Tablettenform (initial 10 mg, ab Woche 4 bei Bedarf 30 mg) als Zusatz zu konventioneller Schmerzbehandlung ein oder Plazebo. Im primären Endpunkt, der Schmerzintensität in den letzten 24 Stunden (erfasst mit einer 100 mm visuellen Analogskala), unterscheiden sich die Studienarme nicht signifikant, weder in der Gesamtgruppe (Unterschied 0,23 mm) noch bei separater Auswertung der Patienten mit Arthrose und Psoriasisarthritis.1 Die zweite ebenfalls zwölfwöchige Studie2 ist nur als Abstract publiziert. Demnach wenden 320 Patienten mit Kniegelenkarthrose transdermal ein Cannabidiol-Gel (Studienarme mit 250 mg bzw. 500 mg täglich) oder Plazebo an. Auch hier ergibt sich für das Cannabinoid kein signifikanter Vorteil im primären Endpunkt, der durchschnittlichen Abnahme der Knieschmerzintensität im Vergleich zum Ausgangswert (im Wochenmittel auf numerischer Skala von 0 bis 10 erfasst; Abnahme -2,64 bzw. -2,83 versus -2,37 Punkte unter Plazebo).2

Dem unbelegten Nutzen stehen unzureichende Sicherheitsdaten gegenüber. Nach einer 2020 publizierten Metaanalyse,3 die mindestens siebentägige randomisierte plazebokontrollierte Doppelblindstudien mit systematischer Erfassung von Störwirkungen einschließt, geht Cannabidiol im Vergleich zu Plazebo signifikant häufiger mit Pneumonie und erhöhten Leberwerten (jeweils berichtet als schwere Störwirkungen) einher sowie mit vermindertem Appetit, Durchfall, Somnolenz und Sedierung. Aufgefallen sind die unerwünschten Effekte aber fast ausschließlich bei Verwendung des Cannabidiol-Präparates EPIDYOLEX (e a-t 12/2019a) in Kombination mit Antiepileptika in Studien bei Kindern mit bestimmten Formen schwerer Epilepsie. In anderen Anwendungsgebieten wird nur ein erhöhtes Risiko für Durchfall errechnet, allerdings lediglich auf Basis von acht kleinen Kurzzeitstudien, die unterschiedliche Dosierungen prüfen.3 Langzeitdaten fehlen. Zudem sind unter Cannabidiol zahlreiche mögliche Wechselwirkungen unter anderem durch Hemmung von CYP 2C19 und CYP 3A4 zu beachten.4

Wegen fehlender Nutzenbelege aus randomisierten Studien und unzureichender Sicherheitsdaten raten wir von Cannabidiol-Zubereitungen zur Schmerzbehandlung bei Arthrose – wie auch von der Anwendung in anderen nicht zugelassenen Indikationen – außerhalb klinischer Studien ab, –Red.

(R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
R1VELA, J. et al.: Pain, online publ. am 27. Aug. 2021; https://doi.org/10.1097/j.pain.0000000000002466 (9 Seiten)
R2HUNTER, D. et al.: Osteoarthr. Cartil. 2018; 26: S26
M3CHESNEY, E. et al.: Neuropsychopharmacology 2020; 45: 1799-1806
4QIAN, Y. et al.: J. Clin. Psychopharmacol. 2019; 39: 462-71

© 2021 arznei-telegramm, publiziert am 19. November 2021

Autor: angegebene Leser bzw. Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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