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Therapiekritik

BRUSTKREBS: ZUR DAUER DER ADJUVANTEN THERAPIE MIT TAMOXIFEN

Die optimale Dauer einer adjuvanten Therapie des Brustkrebses mit Tamoxifen (NOLVADEX, Generika) ist unklar. Wegen negativer Tendenzen einer über fünf Jahre hinaus verlängerten Einnahme in zwei kleinen Studien mit insgesamt 1.500 Frauen wird bislang eine Beschränkung auf fünf Jahre empfohlen (a-t 2009; 40: 48). Jetzt werden vorläufige Ergebnisse der großen ATLAS*-Studie publiziert, in der randomisiert eine zehnjährige Therapie mit höchstens fünfjähriger Dauer verglichen wird. Insgesamt nehmen 15.244 Frauen an der offenen, international durchgeführten Studie teil.1

Bei mittlerem Follow-up von 7,6 Jahren wird in der Subgruppe der Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem Brustkrebs (n = 6.846) unter zehnjähriger Einnahme von Tamoxifen im Vergleich zum Absetzen nach medianer Einnahme von fünf Jahren eine signifikante Reduktion sowohl der Rezidivrate (18,0% versus 20,8%; Number needed to treat [NNT] = 36) als auch der Sterblichkeit (18,6% vs. 21,1%; NNT = 40) beobachtet. Bei negativem Östrogenrezeptorstatus (n = 1.248) oder unbekanntem Hormonstatus (n = 4.800) ergibt sich kein bzw. kein signifikanter Effekt. In der Gesamtgruppe wird die Rezidivrate signifikant (18,4% vs. 20,3%), die Sterblichkeit grenzwertig signifikant (21,5% vs. 22,9%) gemindert. Wie aus der fünfjährigen Therapie bekannt, geht auch die längere Einnahme mit erhöhtem Risiko eines Endometriumkarzinoms (1,8% vs. 1,0%; Number needed to harm [NNH] = 125; s. auch a-t 2000; 31: 80) sowie von Lungenembolien (0,6% vs. 0,3%; NNH = 333) einher.1

Bei der ATLAS-Studie handelt es sich um eine pragmatische Studie, die vor mehr als 15 Jahren begonnen wurde. Da der Nutzen von Tamoxifen bei negativem Östrogenrezeptorstatus bei Studienbeginn unklar war,2 konnten diese Frauen teilnehmen. Heute ist erwiesen, dass das Antiöstrogen hier wenig oder nichts bringt.3 Dem lange zurückliegenden Studienbeginn und dem pragmatischen Design dürfte auch geschuldet sein, dass der Anteil der Frauen mit unbekanntem Hormonrezeptorstatus sehr hoch ist. In den ersten Jahren konnten zudem Frauen teilnehmen, die noch gar keine fünfjährige Tamoxifentherapie abgeschlossen hatten, weil damals der Vorteil der fünfjährigen Einnahme gegenüber einer kürzeren Dauer noch nicht belegt war. Frauen mit weniger als vierjähriger Einnahme (n = 2.350) werden in der aktuellen Publikation von den Analysen gänzlich ausgeschlossen. Da mithin für die Gesamtgruppe eine sinnvolle Aussage nicht zu erwarten ist und die Einbeziehung der Frauen mit sehr kurzer Vorbehandlung den Nutzen der verlängerten Therapie eher überschätzen dürfte, erscheint es uns folgerichtig, dass die Autoren jetzt primär die Ergebnisse für die Subgruppe der Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem Brustkrebs und abgeschlossener fünfjähriger Vorbehandlung präsentieren.

Die Nachbeobachtung der Frauen in ATLAS wird fortgesetzt. Ergebnisse der ebenfalls auf diese Frage angelegten kleineren und ausschließlich in Großbritannien durchgeführten aTTom**-Studie stehen aus. Wir sehen beim derzeitigen Kenntnisstand einen deutlichen Hinweis darauf, dass die auf zehn Jahre verlängerte adjuvante Tamoxifeneinnahme gegenüber der fünfjährigen Dauer Rezidivrate und Sterblichkeit bei Östrogenrezeptor-positivem Brustkrebs verringert und dass der Nutzen den Schaden, vor allem durch häufigere Endometriumkarzinome und Thromboembolien, überwiegt. Bei Frauen nach den Wechseljahren lässt sich nach fünfjähriger Einnahme von Tamoxifen auch durch Anschlusstherapie mit dem Aromatasehemmer Letrozol (FEMARA, Generika) eine Minderung der Rezidivrate erzielen. Die Mortalität wird durch Letrozol in dieser Situation bei Intention-to-treat-Analyse jedoch nicht beeinflusst, möglicherweise wegen des frühzeitigen Studienabbruchs, der ein hohes Cross-over zur Folge hatte (vgl. a-t 2009; 40: 56-9).4,5 Direktvergleiche zwischen den beiden Optionen gibt es bislang nicht.

In Leitlinienempfehlungen haben die neuen Daten noch keinen Eingang gefunden. In Fachinformationen wird bislang eine mindestens fünfjährige adjuvante Therapie empfohlen, mit dem Hinweis, dass die optimale Dauer weiterhin zu untersuchen bleibt.6 Frauen nach Abschluss einer fünfjährigen adjuvanten Tamoxifentherapie sollten über das Für und Wider einer Anschlusstherapie und die Unsicherheiten in der Datenlage aufgeklärt werden und auf dieser Basis entscheiden.

∎  Nach den vorläufigen Ergebnissen der großen ATLAS-Studie mindert die auf zehn Jahre verlängerte adjuvante Tamoxifen (NOLVADEX, Generika)-Therapie bei Frauen mit Östrogenrezeptor-positivem Brustkrebs gegenüber der bisher üblichen fünfjährigen Einnahme Rezidivrate und Sterblichkeit signifikant und relevant.

∎  Der aus zwei kleinen früheren Studien gefolgerte Verdacht, dass sich die verlängerte Therapie negativ auswirken könne, wird demnach nicht bestätigt.

∎  Der Nutzen der Anschlusstherapie mit Tamoxifen nach Beendigung einer fünfjährigen Einnahme scheint uns beim derzeitigen Kenntnisstand deutlicher zu sein als der mit Letrozol (FEMARA, Generika), da unter dem Aromatasehemmer in dieser Situation kein Einfluss auf die Sterblichkeit dokumentiert ist.

∎  Frauen, die eine fünfjährige adjuvante Brustkrebstherapie mit Tamoxifen abgeschlossen haben, sollen über die neue Datenlage aufgeklärt werden und sich auf dieser Basis für oder gegen eine Anschlusstherapie entscheiden.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
R  1 DAVIES, C. et al.: Lancet 2012; online publiziert am 5. Dez. 2012; doi: 10.1016/S0140-6736(12)61963-1
M  2 Early Breast Cancer Trialists’ Coll. Group: Lancet 1998; 351: 1451-67
M  3 Early Breast Cancer Trialists’ Coll. Group: Lancet 2011; 378: 771-84
R  4 GOSS, P.E. et al.: N. Engl. J. Med. 2003; 349: 1793-802
R  5 INGLE, J.N. et al.: Ann. Oncol. 2008; 19: 877-82
6 AstraZeneca: Fachinformation NOLVADEX, Stand Nov. 2012

* ATLAS = Adjuvant Tamoxifen: Longer Against Shorter
** aTTom = adjuvant Tamoxifen – To offer more

© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 15. Februar 2013

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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