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Nebenwirkungen

DIABETES MELLITUS UNTER CSE-HEMMERN

Nachdem in der JUPITER*-Studie eine erhöhte Inzidenz von Diabetesdiagnosen unter Rosuvastatin (CRESTOR) aufgefallen war (a-t 2008; 39: 119-21),1 haben mehrere Arbeitsgruppen in Metaanalysen randomisierter kontrollierter Studien mit Atorvastatin (SORTIS), Lovastatin (MEVINACOR, Generika), Pravastatin (PRAVASIN, Generika), Simvastatin (ZOCOR, Generika) und Rosuvastatin einen zwar geringen, aber überwiegend statistisch signifikanten Anstieg von Diabetesdiagnosen unter den CSE-Hemmern festgestellt.2-4 In der größeren der beiden primär auf diese Frage angelegten Metaanalysen plazebokontrollierter Studien, in der 13 Untersuchungen mit insgesamt 91.140 Teilnehmern ausgewertet werden, beträgt der relative Zuwachs 9% (Odds Ratio [OR] 1,09; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,02-1,17). Nach Berechnungen der Autoren kommt es pro 255 Patienten, die vier Jahre lang mit einem Statin behandelt werden, zu einer zusätzlichen Diabetesdiagnose (Number Needed to Harm [NNH] = 1.020/Jahr).3 Die beiden anderen Metaanalysen finden Zunahmen in ähnlicher Größenordnung.2,4

Das Risiko scheint dosisabhängig zu sein. Bei gemeinsamer Auswertung der fünf großen Studien zur intensivierten Statintherapie im Vergleich mit Standarddosen (vgl. a-t 2011; 42: 28-9), an denen insgesamt 39.612 Patienten teilgenommen haben, wird eine relative Zunahme von Diabetesdiagnosen unter Hochdosis- versus Standarddosis-Statinen von 12% beobachtet (OR 1,12; 95% CI 1,04-1,22). Die NNH für eine zusätzliche Diabetesdiagnose beträgt danach pro Jahr 498.5

Ein potenzieller Wirkmechanismus ist unklar. Diskutiert wird auch ein Zufallsbefund oder ein Scheineffekt als Folge der günstigen Statinwirkungen zum Beispiel auf die Lebensdauer.2,6 In einer aktuellen Auswertung von Beobachtungsdaten aus der WHI*-Studie lässt sich das Phänomen ebenfalls erkennen.7 Hier ist jedoch mit einer starken Verzerrung zu rechnen, in dem Sinne, dass Patienten, denen ein CSE-Hemmer verordnet wird, auch unabhängig von dem Statin ein höheres Diabetesrisiko haben dürften als Nichtanwender.

In aktuellen Verlautbarungen sehen sowohl die britische Arzneimittelbehörde MHRA als auch die amerikanische FDA den Zusammenhang von Statinen mit Blutzuckeranstieg bzw. erhöhtem Diabetesrisiko als erwiesen an.8,9 US-amerikanische Produktinformationen zu CSE-Hemmern müssen jetzt alle auf das erhöhte Risiko hinweisen.9

Die Nutzen-Schaden-Bilanz für Statine in der Sekundärprävention atherosklerotischer Erkrankungen bleibt unseres Erachtens positiv. Simvastatin und Pravastatin mindern in den entsprechenden Endpunktstudien koronare Komplikationen mit einer Number Needed to Treat (NNT) von 63 bis 170 pro Jahr und die Sterblichkeit mit einer NNT von 164 bis 278 pro Jahr. In der Primärprävention ist der absolute Nutzen von Statinen bei niedrigem Ausgangsrisiko entsprechend gering. Wir sehen mit Ausnahme familiärer Hyperlipidämien die Verordnung von CSE-Hemmern allein aufgrund des Cholesterinspiegels nicht als begründet an. Für die Entscheidung für oder gegen ein Statin in diesen Situationen sollte das kardiovaskuläre Gesamtrisiko herangezogen werden. Dabei sollte sich die Behandlungsschwelle am Risiko in Sekundärpräventionsstudien orientieren. Das Zehnjahresrisiko für schwere koronare Komplikationen betrug in der HPS*-Studie beispielsweise 24% (vgl. a-t 2005; 36: 56-60).

∎  CSE-Hemmer wie Simvastatin (ZOCOR, Generika) gehen nach Metaanalysen randomisierter kontrollierter Studien mit einem geringen Anstieg neuer Diabetesdiagnosen einher.

∎  Die Nutzen-Schaden-Bilanz von Statinen in der Sekundärprävention atherosklerotischer Erkrankungen, die hier deutlich mehr kardiovaskuläre Komplikationen und Todesfälle verhindern als Diabetesdiagnosen verursachen, bleibt positiv.

∎  Die Indikation für Statine in der Primärprävention ist auch angesichts des neuen Risikosignals streng zu stellen: CSE-Hemmer sollten nur bei hohem kardiovaskulären Gesamtrisiko in Betracht gezogen werden.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
R  1 RIDKER, P.M. et al.: N. Engl. J. Med. 2008; 359: 2195-207
M  2 RAJPATHAK, S.N. et al.: Diabetes Care 2009; 32: 1924-9
M  3 SATTAR, N. et al.: Lancet 2010; 375: 735-42
M  4 MILLS, E.J. et al.: Q. J. Med. 2011; 104: 109-24
M  5 PREISS, D. et al.: JAMA 2011; 305: 2556-64
6 LUBSEN, J.: Lancet 2010; 375: 2139
7 CULVER, A.L. et al.: Arch. Intern. Med. 2012; 172: 144-52
8 MHRA: Drug Saf. Update 2012; 5, issue 6, A2
9 FDA: Drug Safety Communication: Important label changes to cholesterol-lowering statin drugs, 28. Febr. 2012
http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm293101.htm

* HPS = Heart Protection Study
JUPITER = Justification for the Use of Statins in Prevention: an Intervention Trial Evaluating Rosuvastatin
WHI = Women's Health Initiative

© 2012 arznei-telegramm, publiziert am 9. März 2012

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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