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Korrespondenz

NUTZEN-RISIKO-BILANZ VON LEFLUNOMID (ARAVA) BEI RHEUMATOIDER ARTHRITIS

Zuletzt haben Sie über Leflunomid (ARAVA) in a-t 2004; 35: 28 berichtet und vor der Anwendung gewarnt. Inzwischen ist das Medikament zu einem Standardtherapeutikum in der Rheumatherapie geworden. Hat sich Ihre Einschätzung in den letzten sechs Jahren geändert?

Dr. med. H.-P. RÜMMELEIN (Arzt)
D-22393 Hamburg
Interessenkonflikt: keiner

Bei rheumatoider Arthritis wird in aktuellen Empfehlungen1 zum möglichst frühzeitigen Beginn einer Behandlung mit Basistherapeutika („DMARD”*) geraten, um bleibende Gelenkschäden zu verzögern. Zu den Basistherapeutika gehören „klassische” Mittel wie Methotrexat (LANTAREL, Generika), Sulfasalazin (AZULFIDINE RA, PLEON RA, Generika) oder Gold (TAUREDON). Methotrexat wird als Mittel der Wahl mit umfangreichster Datenlage bei Ersttherapie empfohlen und am häufigsten verordnet.1-3 Biologika, wie die Hemmstoffe des Tumornekrosefaktors Infliximab (REMICADE) und Etanercept (ENBREL) oder das gegen das B-Zell-Antigen CD20 gerichtete Rituximab (MABTHERA), besitzen ebenfalls krankheitsmodifizierende Eigenschaften. Sie gelten als Reservemittel, wenn konventionelle DMARD versagen und eine ungünstige Prognose (z.B. hochaktive Entzündung, frühe Gelenkschäden) vorliegt. Ein Vorteil für die Kombination mehrerer konventioneller DMARD gegenüber Monotherapie ist nicht gesichert.3 Grundsätzlich mangelt es an randomisierten Studien zur differenzierten Therapieplanung für Patienten, die auf Methotrexat nicht ansprechen oder das Mittel nicht vertragen.

* DMARD = Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs; Arzneimittel mit krankheitsmodifizierenden Eigenschaften

Leflunomid (ARAVA) ist seit 1999 in Deutschland als Basistherapeutikum zur Behandlung der aktiven rheumatoiden Arthritis und seit 2004 zur Therapie der Psoriasis-Arthritis zugelassen. Die antirheumatische Wirksamkeit wird mit einer Hemmung der Pyrimidinsynthese erklärt, vermittelt durch den aktiven Hauptmetaboliten von Leflunomid. Diese führt zu verringerter Proliferation autoimmun aktiver T-Lymphozyten und zu verminderter entzündlicher Aktivität in den Gelenken.4

WIRKSAMKEIT: In drei Zulassungsstudien5-7 für die Indikation bei rheumatoider Arthritis mit insgesamt 1.839 Patienten zeigte sich für Leflunomid gegenüber Plazebo nach sechs Monaten eine bessere Ansprechrate (ACR 20**; 51% bis 55% versus 26% bis 29%) und eine Verlangsamung radiologisch erfasster Gelenkveränderungen (s. auch a-t 1999; Nr. 12: 124-5). Deutlich weniger Studienteilnehmer erreichen eine Besserung gemäß ACR 50 (Leflunomid: 22% bis 34%; Plazebo: 8% bis 14%). Vorteile gegenüber Methotrexat oder Sulfasalazin ergeben sich nicht. In einer dieser Arbeiten mit 999 Patienten ist die Ansprechrate (ACR 20) im direkten Vergleich mit Methotrexat unter Leflunomid geringer (51% vs. 65%).6 In verblindeten Verlängerungen dieser Studien8-10 auf insgesamt zwei Jahre Nachbeobachtungszeit deuten sich zwar Vorteile gegenüber Sulfasalazin und gleiche Wirksamkeit im Vergleich zu Methotrexat an. Die Ergebnisse sind aber aufgrund hoher Abbruchraten unzuverlässig. Zudem sind die in den Studien eingenommenen Dosierungen von Methotrexat mit 10 mg bis 15 mg pro Woche niedrig und liegen damit unterhalb optimaler Dosierungen.***11,12

** ACR 20: Verringerung geschwollener und schmerzhafter Gelenke um 20% und Besserung in 3 von 5 zusätzlichen Kriterien (Einschätzung durch Patienten, globale Einschätzung durch Ärzte, Schmerzintensität, funktionelle Einschränkung [Fragebogen] und CRP bzw. BSG). Entsprechendes gilt für ACR 50 und ACR 70.
*** Nach Daten einer Metaanalyse12 sind Zieldosierungen von 25 mg bis 30 mg per os wöchentlich am effektivsten. In Deutschland wird eine Maximaldosierung von 20 mg wöchentlich empfohlen.

In die Zulassungsstudien werden Patienten mit mehrjährigem Krankheitsverlauf eingeschlossen. Studien zum Nutzen einer Frühtherapie mit Leflunomid finden wir nicht.

Eine erweiterte Datenlage wird in einem Review der Cochrane Collaboration ausgewertet, in das insgesamt 33 Arbeiten eingeschlossen sind.13 Neben den Zulassungsstudien fließen unter anderem Studienverlängerungen und Daten zu Kombinationstherapien ein, unter anderem mit Ciclosporin A (SANDIMMUN, Generika). Die Autoren berechnen, dass gegenüber Plazebo nach einem Jahr unter Leflunomid acht bis neun Gelenke weniger geschwollen und etwa fünf Gelenke weniger schmerzhaft sind. Auf einer visuellen Analogskala mit 100 mm wird die Schmerzintensität nach einem Jahr um 18 mm geringer angegeben als unter Scheinmedikament. Etwa vier Patienten müssen ein Jahr lang behandelt werden, um gegenüber Plazebo ein zusätzliches Ansprechen nach den ACR20-Kriterien zu erreichen (Number needed to treat). Signifikante Unterschiede zu Methotrexat oder Sulfasalazin finden sich für die Einjahresereignisse nicht. Die Befunde müssen mit Vorsicht interpretiert werden: Zwölf der insgesamt 33 Studien erreichen in einem Qualitätsscore (Jadad Score****; Spanne von 0 bis 5) lediglich zwei Punkte und sind daher methodisch schwach. Nur drei Studien erreichen die volle Punktzahl.

**** In den Jadad Score gehen Bewertungen ein zu: Randomisierung (max. 2 Punkte), Verblindung (max. 2 Punkte) und Studienabbrecher (1 Punkt).

Der Stellenwert als Zweitlinienmittel nach Versagen einer Primärbehandlung mit Methotrexat ist – obgleich in Leitlinien gleichwertig zu Sulfasalazin oder Gold i.m. empfohlen3 – unzureichend untersucht. Bei Patienten, die auf Methotrexat nicht ansprechen, ist in einer sechsmonatigen Studie mit 263 Patienten die Kombination von Leflunomid plus Methotrexat einer Fortführung der alleinigen Methotrexat (plus Plazebo)-Behandlung überlegen (Ansprechen nach ACR20 46,2% versus 19,5%).14 Zur eigentlich relevanten Frage, wie wirksam in dieser Situation das Umsetzen auf Leflunomid-Monotherapie im Vergleich zu anderen Zweitoptionen (andere DMARD bzw. Biologika) ist, finden wir keine Arbeiten. Von der Kombination mit Methotrexat ist zudem wegen gefährlicher Störwirkungen abzuraten. Auch in der Fachinformation wird sie unter Bezugnahme auf die erhöhte Toxizität als nicht empfehlenswert eingestuft.15

STÖRWIRKUNGEN: In den drei Zulassungsstudien brechen zwischen 12% und 21% der Teilnehmer die Einnahme von Leflunomid aufgrund von Störwirkungen ab. Häufig sind Haarausfall, gastrointestinale Symptome (Oberbauchschmerzen, Durchfälle) und Anstieg der Transaminasen. Interstitielle Lungenschädigung (vor allem bei vorbestehender Lungenerkrankung oder Vorbehandlung mit Methotrexat; a-t 2004; 35: 28), periphere Neuropathie, schwere Hauterkrankungen und Blutbildungsstörungen sind unter Leflunomid berichtet worden. Aufgrund der langen Halbwertszeit des aktiven Metaboliten (zwei Wochen) können Störwirkungen auch nach Absetzen lange anhalten bzw. noch neu auftreten. Die lange Halbwertszeit ist auch bei Umsetzen auf andere Basistherapeutika wegen der kumulativen Toxizität zu berücksichtigen.

Die Autoren der Cochrane-Übersicht13 errechnen, dass Haarausfall, gastrointestinale Symptome, allergische Reaktionen und arterielle Hypertonie unter Leflunomid häufiger auftreten als unter Methotrexat. Ein Anstieg der Leberwerte sei insgesamt jedoch unter Methotrexat häufiger. Es ist aber zu bedenken, dass in der größten Studie6 Methotrexat ohne Prophylaxe mit Folsäure eingenommen wurde.

In der Praxis hat sich insbesondere die Lebertoxizität von Leflunomid als bedenkliches Risiko herausgestellt (a-t 2001; 32: 48, 2003; 34: 64). Vor allem bei Kombination mit anderen hepatotoxischen Mitteln ist diese Störwirkung häufig. In einer Studie steigen unter Kombination von Methotrexat mit Leflunomid bei nahezu jedem Dritten die Leberwerte an (32%; Monotherapie mit Methotrexat: 6,8%).12 In 46 von 49 von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zwischen 2002 und 2009 erfassten Berichten zu schweren, zum Teil tödlich verlaufenden Leberschäden haben die Betroffenen neben Leflunomid auch andere hepatotoxische Medikamente eingenommen (a-t 2010; 41: 83-4).

∎  Leflunomid (ARAVA) verringert bei Patienten mit jahrelang bestehender rheumatoider Arthritis im Vergleich zu Plazebo die Zahl schmerzhafter und geschwollener Gelenke. Radiologische Gelenkveränderungen werden verzögert. Daten zur Frühtherapie fehlen.

∎  Nutzenvorteile gegenüber anderen konventionellen Antirheumatika mit guter Datenlage wie Methotrexat (LANTAREL, Generika) und Sulfasalazin (AZULFIDINE RA, PLEON RA, Generika) sind nicht belegt. Nicht einmal Gleichwertigkeit gegenüber Methotrexat ist nachgewiesen. Methotrexat bleibt aufgrund der umfangreichen Datenlage Erstwahlmittel.

∎  Der Stellenwert von Leflunomid als Zweitlinienmittel bei Versagen des Standards Methotrexat oder anderer DMARD ist nicht adäquat untersucht.

∎  Schwere Schadwirkungen an verschiedenen Organsystemen, insbesondere schwere Leberschäden, schränken die Anwendbarkeit ein.

∎  Wir erachten Leflunomid bei rheumatoider Arthritis auch bei Versagen der Erstlinientherapie als Mittel der ferneren Wahl, z.B. nach Sulfasalazin.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie: Management der frühen rheumatoiden Arthritis, 2. Aufl., Stand 2005; http://dgrh.de/pleitlinien.html
2 Prescrire Int. 2010; 19: 30-4
3 SMOLEN, J.S. et al.: Ann. Rheum. Dis. 2010; 69: 964-75
R    4 LARSEN, A. et al.: Scand. J. Rheumatol. 2001; 30: 135-42
R    5 STRAND, V. et al.: Arch. Intern. Med. 1999; 159: 2542-50
R    6 EMERY, P. et al.: Rheumatology 2000; 39: 655-65
R    7 SMOLEN, J.S. et al.: Lancet 1999; 353: 259-66
R    8 COHEN, S. et al.: Arthritis and Rheumatism 2001; 44: 1984-92
R    9 SCOTT, D.L. et al.: Ann. Rheum. Dis. 2001; 60: 913-23
10 G-BA: Therapiehinweis zu Leflunomid, Stand 16. Aug. 2007
M  11 GAUJOUX VIALA, C. et al.: Ann. Rheum. Dis 2010; 69: 1004-9
M  12 VISSER, K., van der HEIJDE, D.: Ann. Rheum. Dis. 2009; 68: 1094-9/td>
M  13 OSIRI, M. et al.: Leflunomide for the treatment of rheumatoid arthritis. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Stand Juli 2009
R  14 KREMER, J.M. et al.: Ann. Intern. Med. 2002; 137: 726-33
15 Sanofi-Aventis: Fachinformation ARAVA, Stand Apr. 2010

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 5. November 2010

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