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UPLIFT-STUDIE MIT TIOTROPIUM (SPIRIVA) BEI COPD:
- KEIN EINFLUSS AUF FORTSCHREITEN DER LUNGENFUNKTIONSEINSCHRÄNKUNG
- KEIN HINWEIS AUF ERHÖHTE STERBLICHKEIT

Die mit Spannung erwartete UPLIFT*-Studie zum langwirkenden inhalativen Anticholinergikum Tiotropium (SPIRIVA) bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) wurde am 5. Oktober 2008 auf einem Berliner Kongress vorgestellt und zugleich online im New England Journal of Medicine publiziert (1). Eine kurz zuvor veröffentlichte Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien hatte für die inhalativen Anticholinergika Ipratropiumbromid (ATROVENT) und Tiotropium ein erhöhtes Risiko der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität bei COPD errechnet (a-t 2008; 39: 108) (2).

An der multizentrischen, in 37 Ländern durchgeführten UPLIFT-Studie nehmen 5.993 durchschnittlich 65 Jahre alte Patienten mit mittelschwerer bis schwerer COPD teil (FEV1 höchstens 70%, durchschnittlich 48%). Patienten mit schweren Herzerkrankungen sind ausgeschlossen: Zu den Ausschlussgründen gehören ein Herzinfarkt in den zurückliegenden sechs Monaten und lebensbedrohliche, instabile oder interventionsbedürftige Herzrhythmusstörungen oder Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz im Stadium NYHA III bis IV im zurückliegenden Jahr. Vor Studienbeginn verwenden 68% der Patienten kurzwirkende, 60% langwirkende Betamimetika, 62% inhalative Kortikosteroide und 46% inhalative Anticholinergika. Nach randomisierter Zuteilung inhalieren sie einmal täglich 18 µg Tiotropium oder Plazebo. Neben der Studienmedikation sind bis auf inhalative Anticholinergika alle COPD-Mittel erlaubt. Obgleich es sich um eine große Langzeitstudie handelt, ist die UPLIFT-Studie primär nicht auf einen klinischen Parameter angelegt. Primärer Endpunkt ist die jährliche Abnahme der mittleren Einsekunden-Kapazität (FEV1) zwischen Tag 30 und Studienschluss, gemessen jeweils vor und nach Bronchodilatation. Zu den sekundären Endpunkten gehören Exazerbationen und Krankenhausaufnahmen wegen Exazerbationen sowie die Lebensqualität. Unter den Sicherheitsendpunkten werden unerwünschte Ereignisse wie kardiovaskuläre Komplikationen und die Gesamtsterblichkeit erfasst (1).

Wie in anderen Langzeituntersuchungen zur Behandlung der COPD ist die Abbruchquote hoch: Unter Plazebo beenden nur 55%, unter Verum 63% der Patienten die vierjährige Studie. Anders als in der TORCH**-Studie (a-t 2007; 38: 37-9) (3) gibt es in der UPLIFT-Studie keine Bemühungen, Patienten nach Absetzen der Studienmedikation langfristig weiter zu beobachten. Nur die Sterblichkeit wird systematisch erfasst. Die Daten dazu sind über mindestens 45 Monate für 98% der Tiotropiumgruppe und 97% der Plazebogruppe bekannt (1).

Auf die Minderung der FEV-1-Werte hat Tiotropium keinen Einfluss. Wie in anderen Studien (4) wirkt das Anticholinergikum symptomatisch: Es verlängert die Zeit bis zur ersten Exazerbation sowie bis zur ersten Krankenhausaufnahme wegen Exazerbation. Die Rate der Exazerbationen wird gesenkt (0,73 versus 0,85 pro Patient und Jahr; relatives Risiko [RR] 0,86; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,81-0,91), nicht aber die Rate der Krankenhausaufnahmen wegen Exazerbation (0,15 vs. 0,16). Die Lebensqualität ist unter Tiotropium nominell signifikant höher, die Unterschiede sind im Mittel aber geringer als für einen klinisch relevanten Effekt gefordert wird (1).

Ein Hinweis auf Erhöhung der Mortalität ergibt sich aus der UPLIFT-Studie nicht: Bis 30 Tage nach Studienschluss sterben im Verumarm 14,9% der Patienten, unter Plazebo 16,5% (Hazard Ratio [HR] 0,89; 95% CI 0,79-1,02), wird der reine Studienzeitraum betrachtet, sind es 14,4% vs. 16,3% (HR 0,87; 95% CI 0,76-0,99) (1). Eine signifikante Mortalitätssenkung durch Tiotropium, wie sie die Anbieter in einem Werbeanschreiben behaupten (5), lässt sich aus diesen Daten jedoch auch nicht ableiten: Die Studie ist auf Mortalität nicht angelegt, die Sterblichkeit ist einer von zahlreichen ferneren Endpunkten in einer primär negativ verlaufenen Studie, und für multiples Testen wird nicht adjustiert (1). Hinweise auf Erhöhung des Herzinfarkt- (RR 0,73; 95% CI 0,53-1,00) oder Schlaganfallrisikos (RR 0,95; 95% CI 0,70-1,29) ergeben sich aus der UPLIFT-Studie ebenfalls nicht (1), allerdings - anders als die Anbieter suggerieren wollen (5) - auch kein Beleg für eine Risikoreduktion. Die kardiovaskulären Komplikationen wurden als unerwünschte Ereignisse erfasst. Es fehlt eine verblindete Überprüfung der entsprechenden Berichte, wie sie für einen Wirksamkeitsendpunkt Standard ist. Die Daten sind zudem unvollständig, da sie bei Studienabbrechern jenseits von 30 Tagen nach Absetzen der Medikation nicht weiter erhoben wurden (1). Im Hinblick auf die begrenzte Aussagekraft der Daten zur kardiovaskulären Morbidität unterscheidet sich die UPLIFT-Studie allerdings nicht von den Studien, die der Metaanalyse zu Grunde lagen. Auch diese Studien sind auf die Erfassung des kardiovaskulären Risikos nicht angelegt (2). Das Signal eines erhöhten Risikos unter Tiotropium, das sich aus vier längerfristigen Studien mit Laufzeit bis zu zwei Jahren und insgesamt 3.344 Patienten ergibt (2), wird somit durch die vierjährige UPLIFT-Studie mit knapp 6.000 Teilnehmern zumindest für Patienten ohne schwere Herzerkrankungen nicht bestätigt. Die UPLIFT-Daten zur Sterblichkeit und zum Herzinfarktrisiko unter Tiotropium weisen eher in die gegenteilige Richtung. Wir vermissen allerdings eine Aufschlüsselung der Todesursachen.

Das inhalative Anticholinergikum Tiotropium (SPIRIVA) hat in der vierjährigen UPLIFT-Studie keinen Einfluss auf das Fortschreiten der Lungenfunktionseinschränkung bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).

Die UPLIFT-Studie bestätigt die symptomatische Wirksamkeit von Tiotropium bei COPD.

Ein Hinweis auf erhöhte Mortalität oder eine erhöhte Herzinfarkt- oder Schlaganfallrate unter Tiotropium ergibt sich in der UPLIFT-Studie nicht, allerdings auch kein Beleg für eine Risikoreduktion.

Das kardiovaskuläre Risikosignal für Tiotropium, das sich aus einer Metaanalyse früherer Langzeitstudien ergeben hatte (a-t 2008; 39: 108), wird durch die UPLIFT-Studie nicht bestätigt.

   
(R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
R  1TASHKIN, D.P. et al.: N. Engl. J. Med. 2008; 359: 1543-54
M  2SINGH, S. et al.: JAMA 2008; 300: 1439-50
R  3CALVERLEY, P.M.A. et al.: N. Engl. J. Med. 2007; 356: 775-89
M  4WILT, T.J. et al.: Ann. Intern. Med. 2007; 147: 639-53
    5Pfizer, Boehringer Ingelheim: Werbeanschreiben vom 6. Oktober 2008

   *UPLIFT = Understanding the Potential Long-Term Impacts on Function with Tiotropium
   **TORCH = TOwards a Revolution in COPD Health

© Redaktion arznei-telegramm, blitz-a-t 8. Oktober 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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