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Korrespondenz

ÜBER LISPRO (HUMALOG) NUR GUTES?

Sie haben sich in a-t 1996; Nr. 6: 57-8, 1997; Nr. 10: 107 und 1999; Nr. 6: 66 mit Insulin Lispro (HUMALOG) beschäftigt. Hiermit konfrontiert hat mir eine Referentin der Firma Lilly eine schriftliche Stellungnahme des Vorstandes der Deutschen Diabetes-Gesellschaft überreicht,1 in der eindeutige Vorteile von Insulin Lispro im Vergleich zu herkömmlichen Insulinen behauptet werden. Ich bin durch die Widersprüche zwischen Ihren Ausführungen und der Stellungnahme nun etwas verunsichert...

Dr. N. MAHLICH (Oberarzt, Internist)
D-92331 Parsberg

1 RENNER, R. et al.: Sonderdruck aus Diab. Stoffw. 1999; 8: 207-9, mit HUMALOG-Werbung

Anlass für die Stellungnahme von vier Vorstandsmitgliedern der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) zu Insulin Lispro (HUMALOG) ist die Richtgrößen-Vereinbarung in Sachsen-Anhalt, nach der die Verordnung von Insulinanaloga im Unterschied zu allen anderen Insulinen nicht als mögliche Praxisbesonderheit zu berücksichtigen ist. Unklar bleibt, ob der übrige Vorstand der DDG die vier zu dieser Pro-Lispro-Eloge autorisiert hat.

Insulinanaloga sollen durch ihre vom Humaninsulin abweichende Kinetik Stoffwechseleinstellung, Therapiesicherheit und Lebensqualität verbessern (a-t 1996; Nr. 6: 57-8; 1999; Nr. 11: 115-6). Dies muss in Studien belegt sein. Wie auch die vier Experten feststellen, bleibt in den großen kontrollierten Studien trotz niedrigerer postprandialer Blutzuckerspiegel ein Einfluss von Insulin Lispro auf die Qualität der Stoffwechseleinstellung (gemessen am HbA1c) aus. Dies könnte auf mangelnder Anpassung des Verzögerungsinsulins beruhen. In vier neueren Studien mit 24 bis 69 Patienten wird ein Therapieregime mit drei- bis viermal täglicher Injektion von Basalinsulin zusätzlich zu Lispro geprüft.1-4 Hier sinkt das HbA1c zum Teil signifikant um 0,3% bis 0,4%. Ein solches Regime mit bis zu sieben Injektionen (bei Benutzung von Pens) dürfte außerhalb von Studien wohl kaum praktikabel sein. In zwei der vier Studien erhalten die Kontrollgruppen ein für die intensivierte Insulintherapie suboptimales Behandlungsschema mit einmal täglicher Injektion des Verzögerungsinsulins, sodass für Lispro ein Pseudovorteil entsteht. In kleinen, zum Teil offenen Kurzzeitstudien deutet sich an, dass das Analog bei Verwendung von Insulinpumpen das HBA1c besser reduzieren könnte als Humaninsulin. In der größten vollständig veröffentlichten Untersuchung ist der Unterschied mit 0,1% klinisch irrelevant und statistisch* fragwürdig.5

Milde Unterzuckerungen kommen in einigen offenen Studien unter Lispro seltener vor als unter Humaninsulin, in der Mehrzahl der Untersuchungen jedoch gleich häufig.6 Einer validen Aussage steht das offene Studiendesign entgegen. Milde Hypoglykämien lassen sich nicht unabhängig vom Erleben der Patienten erfassen. Eine positive Erwartung an das neue Insulinanalog kann bei Kenntnis der Behandlung diese Ergebnisse daher systematisch verzerren. Die Rate schwerer Hypoglykämien unterscheidet sich in den meisten Studien nicht signifikant, in zwei Untersuchungen, von denen nur eine vollständig veröffentlicht ist,7 ist sie unter Lispro geringer. Ob dieser Unterschied einen spezifischen Vorteil des Kunstinsulins anzeigt, ist fraglich. Er dürfte vielmehr dem Therapieregime zuzurechnen sein, das nur einmal täglich, nämlich zur Nacht, eine Injektion des Basalinsulins in relativ hoher Dosierung vorsieht. Der Stoffwechseleffekt des länger wirkenden Humaninsulins addiert sich stärker zu dem des Basalinsulins als der des Insulin Lispro.6 Die meisten schweren Unterzuckerungen ereignen sich in der veröffentlichten Studie nachts.7 Ob sich ein Vorteil des Analogs auch dann ergibt, wenn - wie in der intensivierten Insulintherapie empfohlen - das Verzögerungsinsulin zweimal täglich gespritzt wird, bleibt zu prüfen. Nach einer Metaanalyse von acht Studien soll sich eine signifikante Differenz ergeben (3,1% vs. 4,4% der Patienten mit mindestens einer Episode).8 Diese Analyse ist unter Federführung von Hersteller-Mitarbeitern entstanden. Recherchiert wurde ausschließlich in der Datenbank von Lilly, unabhängige Reviewer fehlen.

In drei größeren offenen Cross-over-Studien wird die Lebensqualität als sekundärer Endpunkt untersucht.7,9 In allen drei schneidet das Insulinanalog besser ab. Für die Prüfung der Lebensqualität gilt jedoch die Gefahr des Bias bei Nichtmaskierung der Intervention ganz besonders. Alle drei Studien schreiben zudem einen - in der intensivierten Insulintherapie längst überholten - fixen Spritz-Ess-Abstand von 30 bis 45 Minuten für Humaninsulin vor. Ob Lispro die Lebensqualität bessert, wäre doppelblind zu prüfen und ohne Vorgaben, die der Interventionsgruppe von vornherein größere Flexibilität ermöglichen. Sonst findet man "nur die Eier, die man selbst versteckt hat".

Während eindeutige, klinisch relevante Nutzenbelege fehlen, bleibt der Vorbehalt, dass die Langzeitsicherheit nicht erwiesen ist. Streng genommen ist nicht einmal abgesichert, dass die Behandlung mit dem Analog vor diabetischen Folgeerkrankungen schützt.

Die meisten Untersuchungen mit Lispro sind als reine Marketing-Studien zu werten. Ein Insulin, das zur Verbesserung der Diabetesbehandlung beitragen soll, müsste gezielt bei Patienten mit schlechter Stoffwechseleinstellung oder häufigen Unterzuckerungen geprüft werden. Solche Studien fehlen. Patienten mit Neigung zu Hypoglykämien, z.B. bei diabetischer Nephropathie, wurden vielmehr von vorn herein ausgeschlossen.6

Ein klinisch relevanter Vorteil von Insulin Lispro (HUMALOG) gegenüber Humaninsulin, der die Mehrkosten von 25% bis 60% rechtfertigen und die ungewissen Langzeitfolgen aufwiegen würde, ist nicht hinreichend nachgewiesen. Mit der Stellungnahme outen sich die vier Vorstandsmitglieder der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) als Werbetrommler für die Firma Lilly. Sie erweisen der Gesellschaft damit einen schlechten Dienst. In der DDG dürften auch Mitglieder sein, die auf Unabhängigkeit gegenüber Firmeninteressen achten. Von Fachgesellschaften erwarten wir die firmenneutrale Positionierung einer Therapie und keine als autoritative Stellungnahme kaschierten Marketingbeihilfen (a-t 2000; 31: 23).

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