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Korrespondenz

WAS IST BELEGT FÜR PENTOXIFYLLIN (TRENTAL, GENERIKA)?

Pentoxifyllin (TRENTAL, Generika) wird in vielen Kliniken und auch ambulant nach wie vor als durchblutungssteigerndes Mittel eingesetzt, in einigen Fällen meines Wissens nach gar zur Besserung der zerebralen Durchblutung nach stattgehabtem ischämischen Schlaganfall. Wie ist hierzu die Studienlage? Ich habe keinerlei Evidenz für einen positiven Effekt finden können.

Dr. med. F. BALKAU
D-49078 Osnabrück
Interessenkonflikt: keiner

Tatsächlich ist Pentoxifyllin (TRENTAL, Generika) als i.v.-Zubereitung sowie zur Einnahme per os nach wie vor in Deutschland im Handel. Zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung darf es aber seit April 2009 nicht mehr verordnet werden.1 Die Verordnungszahlen gehen seit Jahren kontinuierlich zurück, liegen allerdings trotz des Verordnungsausschlusses 2011 immer noch bei rund 6 Mio. Tagesdosen für gesetzlich Versicherte.2

Die meisten Präparate sind ausschließlich für die Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit zugelassen, und hier meist nur im Stadium IIb, der Claudicatio intermittens mit schmerzfreier Gehstrecke unter 200 Metern, wenn andere Therapieoptionen wie Gehtraining oder Revaskularisierung nicht durchführbar sind.3 Eine therapeutische Wirksamkeit für diese Indikation ist unzureichend belegt. In einem aktuellen Cochrane Review, in das 23 Studien mit insgesamt 2.816 Patienten aufgenommen werden, wird wegen beträchtlicher Heterogenität im Hinblick auf Patientencharakteristika, Dosis, Therapiedauer und Ergebnisse auf eine Metaanalyse verzichtet. Aufgrund der Heterogenität und der im Allgemeinen schlechten Qualität der Studien bleibt der Nutzen von Pentoxifyllin nach Einschätzung der Autoren bei Claudicatio intermittens unsicher.4 Nach einer weiteren relativ aktuellen Metaanalyse, in der sechs 24-wöchige Studien ausgewertet werden, darunter zwei unveröffentlichte Negativstudien, lässt sich für Pentoxifyllin bei Claudicatio intermittens weder auf die schmerzfreie noch auf die maximale Gehstrecke ein signifikanter Einfluss erkennen.5 Während die europäische kardiologische Gesellschaft Pentoxifyllin in ihrer Leitlinie zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit positiv bewertet, raten die Deutsche Gesellschaft für Angiologie, das britische NICE* und die US-amerikanische ACCP* von dem Mittel bei Claudicatio intermittens ab.6-9

Die 400-mg-Retardtabletten des Pentoxifyllin-Originals TRENTAL sind außerdem bei durchblutungsbedingten Störungen des Innenohrs wie Hörsturz zugelassen,2** die Pentoxifyllin-Injektionslösung RENTYLIN zusätzlich zur Behandlung von akuten arteriellen Durchblutungsstörungen des Auges.10 Nutzenbelege finden wir weder für die Anwendung bei Hörsturz11,12 noch bei akutem retinalen Zentralarterienverschluss.13

Die Anwendung von Pentoxifyllin nach ischämischem Insult ist weder durch die Zulassung noch durch die Studienlage gedeckt und daher von besonderer haftungsrechtlicher Bedeutung. Nach einer Cochrane-Übersicht von 200414 sind vier Studien zu der Indikation aus den 1980er und 1990er Jahren auswertbar, an denen insgesamt nur 763 Patienten teilgenommen haben. Signifikante Effekte von Pentoxifyllin finden sich nicht. Dabei fehlt eine unveröffentlichte Studie, für die die Cochrane-Autoren vom früheren Pentoxifyllin-Anbieter Hoechst keinen Studienbericht erhalten haben.14 Neuere publizierte Studien finden wir nicht.

∎  Wir sehen keine Indikation für die Altlast Pentoxifyllin (TRENTAL, Generika).

∎  Zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung darf Pentoxifyllin nicht verordnet werden.

  (M = Metaanalyse)
1 G-BA: Arzneimittel-Richtlinie, Anlage III, Stand Apr. 2009 und Okt. 2011
2 SCHWABE, U., in: SCHWABE, U., PAFFRATH, D. (Hrsg.): „Arzneiverordnungs-Report 2012”, Springer, Berlin, Heidelberg 2012, Seite 613-20
3 Sanofi-Aventis: Fachinformation TRENTAL 400 mg, Stand Juli 2012
M  4 SALHIYYAH, K. et al.: Pentoxifylline for intermittent claudication. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Sept. 2011, Zugriff Nov. 2012
M  5 SQUIRES, H. et al.: Health Technol. Assess. 2011; 15: 1-210
6 TENDERA, M. et al.: Eur. Heart J. 2011; 32: 2851-906
7 Dt. Gesellschaft f. Angiologie, Gesellschaft f. Gefäßmedizin: Leitlinien zur Diagnostik u. Therapie d. peripheren arteriell. Verschlusskrankheit (PAVK) http://www.dga-online.org/uploads/media/S3-LL_PAVK_27_4_09_def.pdf
8 National Institute for Health and Clinical Excellence: Cilostazol, naftidrofuryl oxalate, pentoxifylline and inositol nicotinate for the treatment of intermittent claudication in people with peripheral arterial disease, Mai 2011 http://www.nice.org.uk/nicemedia/live/13477/54546/54546.pdf
9 ALONSO-COELLO, P. et al.: Chest 2012; 141 (Suppl.): e669S-e690S
10 Amdipharm: Fachinformation RENTYLIN Injektionslsg., Stand Nov. 2007
M  11 LABUS, J. et al.: Laryngoscope 2010; 120: 1863-71
M  12 AGARWAL, L., POTHIER, D.D.: Vasodilators and vasoactive substances for idiopathic sudden sensorineural hearing loss. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Sept. 2008; Zugriff Nov. 2012
M  13 FRASER, S.G., ADAMS, W.: Interventions for acute non-arteritic central retinal artery occlusion. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand Sept. 2008, Zugriff Nov. 2012
M  14 BATH, P.M.W., BATH-HEXTALL, F.J.: Pentoxifylline, propentofylline and pentifylline for acute ischaemic stroke. Cochrane Database of Systematic Reviews, Stand März 2004; Zugriff Nov. 2012

* ACCP = American College of Chest Physicians
NICE = National Institute for Health and Clinical Excellence
** Die TRENTAL-Ampullen sind für beide Indikationen nach wie vor nur fiktiv zugelassen (vgl. e a-t 4/2012).

© 2012 arznei-telegramm, publiziert am 9. November 2012

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