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Kurz und bündig

Bestätigt - ADHS-Diagnose bei den Jüngsten einer Klasse häufiger

2010 hatten zwei Beobachtungsstudien ergeben, dass in den USA die Diagnose eines Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) bei den jüngeren Kindern eines Schuljahrgangs deutlich häufiger gestellt wird als bei ihren älteren Klassenkameraden. Auch die Wahrscheinlichkeit, Stimulanzien anzuwenden, war bei den Klassenjüngsten höher (a-t 2010; 41: 103). Eine aktuell publizierte kanadische Untersuchung bestätigt jetzt den Einfluss des relativen Alters auf das Risiko einer ADHS-Diagnose: Ausgewertet werden die Daten von mehr als 900.000 Kindern aus der kanadischen Provinz British Columbia, die während des elfjährigen Beobachtungszeitraums (1997 bis 2008) zwischen sechs und zwölf Jahre alt waren. In der Region ist der 31. Dezember Stichtag für die Einschulung. Bei Jungen, die im Monat Dezember geboren und damit die jüngsten eines Jahrgangs sind, wird ADHS 30% häufiger diagnostiziert als bei Jungen, die im Januar Geburtstag haben und damit bei gleichem Schuljahrgang fast ein Jahr älter sind (7,4% versus 5,7%; relatives Risiko [RR] 1,30, 95% Konfidenzintervall [CI] 1,23-1,37). Bei Mädchen steigt das Risiko sogar um 70%, ist aber insgesamt deutlich geringer (2,7% vs. 1,6%; RR 1,70, 95% CI 1,53-1,88). Auch Psychostimulanzien werden jüngeren Kindern entsprechend häufiger verordnet. Der Einfluss des relativen Alters auf Diagnoserate und Verordnung von ADHS-Mitteln lässt sich in allen Altersstufen nachweisen und bleibt über den gesamten Studienzeitraum konstant. Das Ergebnis stützt nach Ansicht der Autoren Befürchtungen über eine Medikalisierung normaler kindlicher Verhaltensmuster. Überdiagnose und die damit verbundene Übertherapie setzen die betroffenen Kinder den erheblichen Störwirkungen der Psychostimulanzien aus, unter Methylphenidat (RITALIN, Generika) beispielsweise Schlafstörungen, Gewichtsverlust und Wachstumsverzögerung sowie möglicherweise kardiovaskulären Komplikationen (vgl. e a-t vom 13. Jan. 2012; MORROW, R.L. et al.: CMAJ 2012; online publ. am 5. März 2012/ati d). Entsprechende Studien fehlen in Deutschland weiterhin. Eine aktuelle Untersuchung liefert jedoch Hinweise darauf, dass deutsche Kinder- und Jugendpsychiater und -psychotherapeuten die Diagnose ADHS zum Teil offenbar auch dann stellen, wenn die Kriterien dafür nicht (vollständig) erfüllt sind (BRUCHMÜLLER, K. et al.: J. Consult. Clin. Psychol. 2012; 80: 128-38), -Red.

© 2012 arznei-telegramm, publiziert am 5. April 2012

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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