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Korrespondenz

TABLETTEN TEILEN: GELD SPAREN MIT TABLETTENBRUCH?

Durch Sparmaßnahmen gezwungen, verordnete ich gerne z.B. anstatt 5 mg die 20 mg-Darreichungsform von Prednisolon (PREDNISOLON JENAPHARM u.a.). Wie gut oder schlecht sich aber die "teilbaren" Tabletten in vier gleiche Teile brechen lassen, habe ich jüngst feststellen müssen. Keines der Bruchteile hatte die Größe und damit die Dosis der anderen (siehe Foto). Dass damit die Therapiesicherheit einerseits und der Preisvorteil andererseits ad absurdum geführt werden, interessiert offenbar weder die Krankenkassen noch die Politik.

Dr. C. STEIDLE (Internist)
D-83620 Feldkirchen
Interessenkonflikt: keiner

Teilen von Tabletten ist weit verbreitet - aus medizinischen und ökonomischen Gründen, beispielsweise um eine Therapie einzuschleichen, um für Kinder oder ältere Menschen geringere Dosisstärken als handelsüblich zu erzielen oder um die Therapie besser dem Bedarf anzupassen. Denn selbst für ein Basisarzneimittel wie das Antikoagulans Phenprocoumon (MARCUMAR, Generika) wird nur eine Dosisstärke angeboten und auch für das Diuretikum Chlortalidon (HYGROTON) fehlt seit Jahrzehnten eine niedrige Dosisstärke zu 12,5 mg (a-t 2003; 34: 1-2 und 19; 2009; 40: 13-5). Vor allem aber wird aus Sparsamkeit geteilt, weil beispielsweise 100 Tabletten zu 10 mg in der Regel deutlich weniger kosten als 200 Tabletten zu 5 mg. Auch Patienten wollen - anscheinend jedoch eher selten1 - von sich aus höher dosierte Tabletten halbieren, um mit einer Packung länger auszukommen und Zuzahlungsgebühren zu sparen. Insgesamt werden teure bzw. hochdosierte Arzneimittel doppelt so häufig geteilt wie preiswerte bzw. niedrigdosierte.2 Kompliziert wird die Situation durch Rabattverträge: Bei etwa jeder zehnten Substitution eines von Patienten geteilten Arzneimittels wird in der Apotheke möglicherweise ein Präparat abgegeben, das sich nicht zur Teilung eignet.3,4

Die Dimension darf nicht unterschätzt werden: Nach belgischen Daten soll in Pflegeheimen jede sechste bis siebte Tablettenzubereitung geteilt werden.5 Hierzulande scheint dies in der ambulanten Versorgung sogar für Tabletten aus jeder vierten verordneten Packung zu gelten. Dies ergibt eine Fragebogenerhebung bei Allgemeinmedizinern in Sachsen-Anhalt: 24% von über 3.000 erfassten Tablettenzubereitungen für Erwachsene werden geteilt. Von den geteilten haben 8,7% keine Bruchkerbe, und 3,8% dürfen eigentlich gar nicht geteilt werden. In den Produktinformationen fehlen jedoch oft konkrete Angaben:

Wir haben die Fachinformationen der 50 meist verwendeten Tablettenpräparate ausgewertet. Diese repräsentieren rund 15% aller in öffentlichen Apotheken verkauften Packungen. Bei fast jeder dritten (15 von 50) finden wir keine Hinweise, ob Teilen erlaubt oder verboten ist. Ist Teilen möglich, fehlen in den ausgewerteten Fachinformationen beschreibende Abbildungen. Diese erleichtern die Teilung.6 Auch mangelt es in den Produktinformationen an Hinweisen, wie Bruchstücke aufzubewahren sind.

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA rät grundsätzlich davon ab, Tabletten zu teilen, wenn dies in den Produktinformationen nicht ausdrücklich erlaubt wird.7 Allerdings sind solche Angaben keine Garantie für einigermaßen akzeptable Dosierungen. Das vom Kollegen übermittelte Foto zeigt das frustrierende Ergebnis des Versuchs, PREDNISOLON JENAPHARM 20 mg zu vierteln. Dabei betont die Fachinformation: "Die Tabletten können in gleiche Teile geviertelt werden."8 Der Erfolg solcher Versuche hängt dabei nicht nur von Eigenschaften der Tabletten selbst ab (z.B. von der Qualität der Bruchkerbe - cave funktionslose Schmuckkerbe -, der Größe und Festigkeit der Tablette u.a.), sondern auch von der Fingerbeweglichkeit, der Kraft und dem Sehvermögen der Teilenden sowie von der Methode.

Die besten - aber dennoch nicht überzeugenden - Resultate bringen Tablettenteiler. In einem systematischen Vergleich5 schneiden diese signifikant besser ab als Versuche, Tabletten per Hand, mit der Schere oder einem Küchenmesser zu halbieren oder zu vierteln: Von 1.200 Tablettenfragmenten weicht bei Gebrauch eines Teilers "nur" jedes fünfte um mehr als 15% vom berechneten Gewicht ab, jedes zwölfte um mehr als 25%. Am schlechtesten schneidet die Küchenmessermethode ab (jedes dritte Fragment mehr als 15%, jedes sechste mehr als 25%), bei der den Testpersonen bisweilen Bruchstücke auf den Boden springen.5

Nach wenig aussagekräftigen, sich an Laborwerten orientierenden retrospektiven Auswertungen von Krankenakten bzw. nach Fragebogenerhebungen soll sich das Teilen von Arzneimitteln, beispielsweise von CSE-Hemmern,9-11 nicht nachteilig auswirken. Nach theoretischen Überlegungen dürften Dosisschwankungen durch unterschiedliche Tablettenbruchstücke am ehesten bei Arzneimitteln mit langer Wirkdauer toleriert werden. Von Teilungsversuchen bei Medikamenten mit geringer therapeutischer Breite ist abzuraten (erhöhtes Risiko der Toxizität durch zu große Bruchstücke), ebenso bei Substanzen mit kurzer Halbwertszeit (größere Schwankungen der Wirkspiegel).

Kapseln, die meisten Dragees sowie eine Vielzahl von Tabletten dürfen überhaupt nicht manipuliert werden, beispielsweise Zytostatika, Retinoide oder andere Tabletten mit mutagenen, kanzerogenen oder teratogenen Wirkstoffen wie Finasterid (PROSCAR, Generika; a-t 1999; Nr. 2: 22-3). Teilungsverbot gilt auch für Tabletten mit magensaftresistentem Überzug, der säurelabile Wirkstoffe wie Omeprazol (OMEPRAZOL TEVA u.a.) während der Magenpassage schützen soll, oder mit lichtschützendem Überzug wie bei Nifedipin (ADALAT, Generika) sowie für viele Retardpräparate einschließlich Mantel- oder Zweischichttabletten, deren Retardierung durch Teilen verloren geht (Gefahr des Dose-Dumpings).

∎  Alle Produktinformationen für Tablettenzubereitungen sollten eindeutige Angaben zur Teilbarkeit enthalten. Bei Tabletten, die auf keinen Fall geteilt werden dürfen, sollte dies auch außen auf der Packung stehen, z.B. als Piktogramm.

∎  Selbst wenn Tabletten Bruchkerben haben, bleibt die Dosierungsgenauigkeit überwiegend dem Zufall überlassen. Tablettenteilung sollte daher die begründete Ausnahme bleiben. Nur ganze Tabletten ermöglichen eine reproduzierbare Dosierung.

∎  Soll dennoch geteilt werden, müssen die Tabletten sich dafür eignen, zum Beispiel beidseitige Bruchkerben haben. Und die Produktinformationen sollten eine konkrete Anleitung enthalten, wie die Tabletten am besten zu teilen und wie Bruchstücke aufzubewahren sind.

∎  Hersteller sollten auf irreführende Schmuckkerben verzichten müssen und grundsätzlich ein genügend großes Dosisspektrum anbieten, um die Notwendigkeit des Teilens aus medizinischen Gründen zu reduzieren.

1 QUINZLER, R. et al.: Eur. J. Clin. Pharmacol. 2007; 63: 1203-4
2 QUINZLER, R. et al.: Eur. J. Clin. Pharmacol. 2006; 62: 1065-73
3 QUINZLER, R. et al.: Med. Klin. 2008; 103: 569-74
4 PRUSZYDLO, M.G. et al.: Dtsch. Med. Wochenschr. 2008; 133: 1423-8
5 VERRUE, C. et al.: J. Adv. Nurs. 2011; 67: 26-32
6 FUCHS, J. et al.: Arzneimittel-, Therapie-Kritik & Medizin und Umwelt 2008/Folge 1: 147-59
7 FDA: Tablet Splitting: A Risky Practice. Consumer Updates, 21. Juli 2009
http://www.fda.gov/ForConsumers/ConsumerUpdates/ucm171492.htm
8 mibe GmbH: Fachinformation PREDNISOLON JENAPHARM, Stand Nov. 2008
9 DUNCAN, M.C. et al.: Ann. Pharmacother. 2002; 36: 205-9
10 GEE, M. et al.: J. Managed Care Pharm. 2002; 6: 453-8
11 PARRA, D. et al.: Am. J. Cardiol. 2005; 95: 1481-3

© 2011 arznei-telegramm, publiziert am 4. März 2011

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