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Korrespondenz

ACE-HEMMER BEI KORONARER HERZKRANKHEIT OHNE HERZINSUFFIZIENZ?

Laut Metaanalysen sollen auch Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) ohne Herzinsuffizienz mit ACE-Hemmern behandelt werden. Was ist von dem Stellenwert dieser Metaanalysen zu halten, wenn dabei u.a. fragwürdige Studienergebnisse (z.B. der HOPE-Studie) berücksichtigt wurden?

Dr. med. A. MAINZ (Facharzt für Innere Medizin)
D-34497 Korbach
Interessenkonflikt: keiner

ACE-Hemmer wie Captopril (LOPIRIN u.a.) haben einen nachgewiesenen Nutzen bei Herzinsuffizienz und asymptomatischer linksventrikulärer Funktionsseinschränkung1,2 sowie bei Bluthochdruck.3,4 In mehreren plazebokontrollierten Langzeitstudien, darunter drei großen mit insgesamt knapp 30.000 Patienten (HOPE, EUROPA, PEACE*), sollte geprüft werden, ob sich ACE-Hemmer bei Patienten mit atherosklerotischen Erkrankungen wie insbesondere koronarer Herzkrankheit, aber ohne Herzinsuffizienz, oder mit hohem kardiovaskulärem Risiko günstig auf die Prognose auswirken (a-t 2000; 31: 21-2; 2003; 34: 82-3 und 2004; 35: 139-40).5-11 In den kleineren Studien bleiben signifikante Effekte auf klinische Endpunkte wie Herzinfarkt- oder Schlaganfallrate sowie Mortalität aus.6-8,10 Diese Endpunkte werden aber auch nur in einer der drei großen Studien (HOPE) durchgehend, in einer weiteren (EUROPA) teilweise, in der dritten (PEACE) gar nicht signifikant beeinflusst.5,9,11 Wir finden drei Metaanalysen dieser Studien.12-14 Eine wertet nur die drei großen Studien aus,14 die beiden anderen zusätzlich drei bzw. vier kleine Studien.12,13 Übereinstimmend dokumentieren sie eine signifikante Senkung der Mortalität, der kardiovaskulären Sterblichkeit und der Herzinfarktrate unter ACE- Hemmern, zwei beschreiben außerdem eine signifikante Reduktion der Schlaganfallrate.12-14

*

EUROPA =EURopean trial On reduction of cardiac events with Perindopril in stable coronary Artery disease, HOPE = Heart Outcomes Prevention Evaluation, PEACE = Prevention of Events with Angiotensin Converting Enzyme Inhibition

Einen Nutzen zusätzlich zu dem in bereits etablierten Indikationen der ACE-Hemmer können die metaanalytischen Auswertungen jedoch nicht belegen. In sechs der sieben ausgewerteten Studien kommt es im Verlauf zwischen Verum- und Plazebogruppe zu deutlichen Unterschieden in den mittleren Blutdruckwerten (systolisch 3 bis 6 mmHg, diastolisch 1 bis 4 mmHg).5-7,9-11 In der siebten, einer kleineren Negativstudie, fehlen entsprechende Angaben.8 Patienten mit unzureichend eingestelltem Bluthochdruck (RR 140/90 mmHg) konnten aber aufgrund der zum Teil sehr weit gefassten Ein- und Ausschlusskriterien an allen Studien teilnehmen. Nach den initialen mittleren Blutdruckwerten zu schätzen, dürften HOPE (139/79 mmHg)5 und EUROPA (137/82 mmHg)9 den größten Anteil an diesen Patienten gehabt haben. Diese beiden Studien haben in den harten klinischen Endpunkten der Metaanalyse das größte Gewicht. In der HOPE-Studie dürften die blutdrucksenkenden Effekte von Ramipril (DELIX u.a.) zudem unterschätzt worden sein, da das Mittel zur Nacht eingenommen, der Blutdruck aber tagsüber gemessen wurde (a-t 2002; 33: 40-1).15 Subgruppenauswertungen aus diesen Studien, nach denen normotensive Patienten ebenso profitieren wie Patienten mit Bluthochdruck,5,9 können unter anderem wegen der nicht standardgemäßen Definition der Hypertonie (z.B. RR >160/95 mmHg9) einen Nutzen der ACE-Hemmer im normotonen Bereich (RR <140/90 mmHg) nicht belegen.

In allen drei Metaanalysen soll ausdrücklich der Nutzen von ACE-Hemmern bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit12,13 bzw. stabiler Atherosklerose14, aber ohne Herzinsuffizienz und ohne linksventrikuläre Funktionseinschränkung ausgewertet werden. Dem steht entgegen, dass insbesondere in HOPE5 und EUROPA9 Patienten mit asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion nicht systematisch ausgeschlossen wurden. In HOPE war eine Auswurffraktion von unter 40% zwar Ausschlusskriterium, es wurden jedoch nur 5% der Teilnehmer prospektiv echokardiografisch untersucht.5 Die nachträgliche Auswertung historischer Echokardiografiebefunde in den Krankenakten bei etwa der Hälfte der Patienten kann eine Herzinsuffizienz zu Beginn der Studie nicht ausschließen. Ohnehin scheinen auch die Patienten, bei denen auf diese Weise eine linksventrikuläre Dysfunktion festgestellt wird (8%), weiter an der Studie teilzunehmen.5 In EUROPA gehörten nur klinische Zeichen der Herzinsuffizienz zu den Ausschlusskriterien.9 Einschätzungen der linksventrikulären Funktion, die prospektiv nicht gefordert waren,9 sollen nach Angaben in zwei der Metaanalysen zwar auch vorgenommen worden sein,12,14 nach einer der Arbeiten bei knapp 60% der Patienten.14 Wie diese Einschätzungen zu Stande kamen, die weder in der Publikation9 noch in der Antwort der Autoren auf eine kritische Nachfrage erwähnt werden,16,17 bleibt unklar. Ihre Validität lässt sich nicht beurteilen.

Die Studien haben inzwischen Eingang in internationale Leitlinien gefunden.18-21 In schottischen Leitlinien wird empfohlen, die Therapie mit ACE-Hemmern bei allen Patienten mit stabiler Angina pectoris in Betracht zu ziehen.18 Die europäische kardiologische Gesellschaft sieht den höchsten Empfehlungsgrad (Klasse I) für ACE-Hemmer bei stabiler Angina pectoris nur dann vor, wenn weitere Indikationen wie Hypertonie, Diabetes mellitus, asymptomatische linksventrikuläre Dysfunktion oder Herzinsuffizienz vorliegen. Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit ohne Koindikationen soll danach ein möglicher Nutzen gegen Kosten und Risiken abgewogen werden.19 In der nationalen Versorgungsleitlinie zur Behandlung der chronischen koronaren Herzkrankheit werden ACE-Hemmer nur bei zusätzlicher Linksherzinsuffizienz oder Hypertonie empfohlen.20

  ACE-Hemmer haben bei manifester Herzinsuffizienz oder asymptomatischer linksventrikulärer Dysfunktion einen nachgewiesenen Nutzen und sind hier Standard. Dies gilt für Patienten mit und ohne koronare Herzkrankheit (KHK).

  Bei Patienten mit KHK und Hypertonie, aber ohne Herzinsuffizienz oder linksventrikuläre Funktionsstörung, haben ACE-Hemmer einen therapeutischen Stellenwert nach Betablockern und Diuretika.

  Für Patienten mit KHK ohne Herzinsuffizienz oder linksventrikuläre Dysfunktion und ohne Hypertonie ist ein Nutzen von ACE-Hemmern unseres Erachtens nicht belegt. Die Wirksamkeit der ACE-Hemmer in dieser Situation lässt sich aufgrund des Designs der vorliegenden Studien vom Nutzen in den etablierten Indikationen der Mittel nicht trennen.


 

 

(R= randomisierte Studie, M = Metaanalyse)

M

1

FLATHER, M.D. et al. Lancet 2000; 355: 1575-81

M

2

YUSUF, S. et al.: Lancet 1992; 340: 1173-8

R

3

HANSSON, L. et al.: Lancet 1999; 353: 611-6

R

4

The ALLHAT Officers and Coordinators for the ALLHAT Collaborative Research Group: JAMA 2002; 288: 2981-97

R

5

The Heart Outcomes Prevention Evaluation Study Investigators: N. Engl. J. Med. 2000; 342: 145-53

R

6

MACMAHON, S. et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2000; 36: 438-43

R

7

TEO, K.K. et al.: Circulation 2000; 102: 1748-54

R

8

PITT, B. et al.: Am. J. Cardiol. 2001; 87: 1058-63

R

9

The European trial on reduction of cardiac events with perindopril in stable coronary artery disease investigators: Lancet 2003; 362: 782-8

R

10

NISSEN, S.E.: JAMA 2004; 292: 2217-26

R

11

The PEACE Trial Investigators: N. Engl. J. Med. 2004; 351: 2058-68

M

12

DANCHIN, N. et al.: Arch. Intern. Med. 2006; 166: 787-96

M

13

AL-MALLAH, M.H. et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2006; 47: 1576-83

M

14

DAGENAIS, G.R. et al.: Lancet 2006; 368: 581-8

 

15

SVENSSON, P. et al.: Hypertension 2001; 38: e28-e32

 

16

BOOS, C.: Lancet 2003; 362: 1935

 

17

FOX, K. et al.: Lancet 2003; 362: 1936

 

18

Scottish Intercollegiate Guidelines Network: Management of stable angina. A national clinical guideline. Stand Feb. 2007; http://www.sign.ac.uk/pdf/sign96.pdf

 

19

European Society of Cardiology: Guidelines on the management of stable angina pectoris; Stand 2006; http://www.escardio.org/NR/rdonlyres/16E8EA50-50AA-467E-B53E- C55E83F05D8A/0/Guidelines_Angina_FT_2006.pdf

 

20

Nationale Versorgungsleitlinie KHK, Stand Nov. 2006; zu finden unter: http://www.khk.versorgungsleitlinien.de

 

21

AHA/ACC Guidelines for Secondary Prevention for Patients with Coronary and Other Atherosclerotic Vascular Disease: 2006 Update: Circulation 2006; 113: 2363-72

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