Im Unterschied zu den CSE-Hemmern Simvastatin (ZOCOR u.a.) und Pravastatin (PRAVASIN u.a.) ist für Fibrate wie Gemfibrozil (GEVILON u.a.) in
randomisierten kontrollierten Studien keine lebensverlängernde Wirksamkeit nachgewiesen. Nach einer systematischen Übersicht, in der 17 Fibrat-Studien
ausgewertet werden, steht einer nicht signifikanten Senkung der kardial bedingten Sterblichkeit eine signifikante Steigerung der nicht kardiovaskulär bedingten
Todesfälle gegenüber. Hinsichtlich der Gesamtsterblichkeit findet sich kein Unterschied zu den Kontrollgruppen (Risk Ratio 1,00; 95% Konfidenzintervall
[CI] 0,91 bis 1,11).1 Nur in einer der fünf größten Fibratstudien2-6 mit mehr als 1.000 Teilnehmern pro Gruppe ergibt sich unter
Gemfibrozil eine (nicht signifikante) Senkung der Mortalität.2 In zwei dieser Untersuchungen nimmt die Sterblichkeit numerisch zu,3,4 in einer dritten
sogar signifikant.5 Die Verordnung von Fibraten ist in Deutschland seit Jahren zurecht rückläufig.7
Aufgrund ihrer Triglyzerid-senkenden und HDL-steigernden Wirkungen wird Fibraten eine Eignung für Patienten mit Typ-2-Diabetes zugesprochen, bei denen
Lipidveränderungen typischerweise erhöhte Triglyzeride und erniedrigtes HDL umfassen. Die klinischen Daten zu diesen Lipidsenkern bei Diabetes
beschränken sich bisher aber auf nachträglich definierte Subgruppenanalysen in zwei der großen Endpunktstudien und kleine, auf Surrogatparameter
angelegte Untersuchungen.8 Dennoch werden sie in Diabetes-Leitlinien empfohlen, z.B. als Zusatz-9 oder Reservemittel.10 Die klinischen
Effekte der Kombination von Fibraten mit Statinen sind bisher gar nicht geprüft. Ergebnisse einer entsprechenden Studie sind erst 2010 zu erwarten.11
Jetzt erscheint als vorgezogene Online-Publikation die FIELD*-Studie8 mit Fenofibrat (LIPANTHYL u.a.). Sie ist mit 9.795 an Typ-2-Diabetes erkrankten Patienten die
bislang größte Langzeitinterventionsstudie bei dieser Indikation überhaupt.12 Zu den Einschlusskriterien der im Februar 1998 begonnenen
Studie gehört ein Gesamtcholesterin zwischen 3 mmol/l und 6,5 mmol/l** und entweder ein Quotient aus Gesamtcholesterin und HDL von mindestens 4 oder
Triglyzeridwerte zwischen 1 mmol/l und 5 mmol/l.** 22% der im Mittel 62 Jahre alten Patienten, deren Diabetes im Median seit fünf Jahren besteht, haben
kardiovaskuläre Erkrankungen in der Vorgeschichte, 21% mikrovaskuläre diabetische Folgeerkrankungen wie Neuropathie. Zu den Ausschlusskriterien
gehören die Einnahme von Lipidsenkern oder eine klare Indikation dafür, Niereninsuffizienz mit Serumkreatinin über 130 µmol/l, bekannte
chronische Lebererkrankungen und symptomatische Gallenblasenerkrankungen. Nach 16-wöchiger Run-in-Phase und randomisierter Zuteilung nehmen die
Patienten fünf Jahre lang zusätzlich zur bisherigen Medikation täglich 200 mg mikronisiertes Fenofibrat oder Plazebo ein. Gesamtcholesterin, LDL und
Triglyzeride sind bei Studienende unter Fenofibrat um 7%, 6% bzw. 22% niedriger als unter Plazebo, HDL um 1% höher. Geringere Differenzen in den
Lipidwerten finden sich bei den Patienten, die außerhalb der Studie eine Lipidsenkertherapie beginnen (Verum 19%, Plazebo 36%, meist ein Statin), etwas
ausgeprägtere bei den übrigen Teilnehmern.8
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FIELD = Fenofibrate Intervention and Event Lowering in Diabetes
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Entspricht 116-251 mg/dl Gesamtcholesterin, 88-439 mg/dl Triglyzeride.
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Ein günstiger Einfluss des Fibrats auf den primären Endpunkt, die Rate der Herzinfarkte oder koronaren Todesfälle, bleibt aus: Unter Fenofibrat sind
5,2% der Patienten betroffen, unter Plazebo 5,9% (Hazard Ratio [HR] 0,89; 95% Vertrauensintervall [CI] 0,75-1,05). Die Rate der nicht tödlichen Herzinfarkte
wird nominell signifikant gesenkt (3,2% vs. 4,2%; HR 0,76; 95% CI 0,62-0,94). Dem steht jedoch eine nicht signifikante Steigerung der koronaren Todesfälle
gegenüber (2,2% vs. 1,9%; HR 1,19; 95% CI 0,90-1,57). Auch die nicht kardiovaskulär bedingte Mortalität (4,4% vs. 4%) und die Gesamtsterblichkeit
(7,3% vs. 6,6%; HR 1,11; 95% CI 0,95-1,29) nehmen numerisch zu. Bei den im Abstract hervorgehobenen günstigen Wirkungen auf die Häufigkeit von
Laserbehandlungen der Netzhaut sowie das Fortschreiten einer Albuminurie handelt es sich um biasanfällige bzw. Surrogat-Parameter, die zudem allenfalls als
tertiäre Endpunkte erfasst werden.8,13
Drei Patienten der Verumgruppe und einer der Plazebogruppe erleiden eine Rhabdomyolyse. Fenofibrat steigert das Risiko einer Pankreatitis (0,8% vs. 0,5%; p =
0,031), einer Lungenembolie (1,1% vs. 0,7%; p = 0,022) und die Gefahr tiefer Venenthrombosen (1,4% vs. 1%; p = 0,074).8
Die bisherige Datenlage für Fibrate bei Typ-2-Diabetes ist unzureichend.
Weder für Diabetiker noch für Nichtdiabetiker ist eine Steigerung der Sterblichkeit durch diese Mittel auszuschließen.
Auch Fenofibrat (LIPANTHYL u.a.) hat nach der jetzt publizierten FIELD-Studie
keinen klinischen Nutzen bei Typ-2-Diabetes.
Ein günstiger Einfluss auf den primären Endpunkt, die Rate der nicht
tödlichen Herzinfarkte oder koronaren Todesfälle, bleibt aus. Während die Herzinfarktrate sinkt, nimmt die koronare Sterblichkeit numerisch
zu.
Wie in einigen anderen Fibratstudien ist die Sterblichkeit unter Fenofibrat numerisch
höher als unter Plazebo.
Wir sehen unter den Fibraten nur für Gemfibrozil (GEVILON u.a.) eine
Reserveindikation: bei massiven Hypertriglyzeridämien mit hohem Pankreatitisrisiko. Von der Langzeitprävention mit Fenofibrat oder anderen Fibraten bei
Typ-2-Diabetes raten wir ab.
Lipidsenker der Wahl bei Diabetes ist das lebensverlängernd wirkende
Simvastatin (ZOCOR u.a.).
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