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Vorsicht Desinformation

Tibolon (LIVIELLA): eine "verträgliche Alternative"? Frauen, die durch die "Diskussion zur Hormonersatztherapie verunsichert wurden", will die Organon GmbH die Hormonvariante Tibolon (LIVIELLA) nahebringen. Es sei "ganz einfach die einzige den Ärzten heute zur Verfügung stehende Therapie, die zur Behandlung klimakterischer Symptome zugelassen ist und keine mammografischen Veränderungen bei postmenopausalen Frauen hervorruft", wird in einer Presseinformation erläutert (Organon/PHARMAPR: Presseinformation, Mai 2004). Angesichts des in der Million Women Study dokumentierten signifikant erhöhten Brustkrebsrisikos unter Tibolon (a-t 2003; 34: 80) reiht sich diese Marketing-Aktion in die Desinformationskampagnen ein, die das Mittel seit Markteinführung begleiten (a-t 1999; Nr. 3: 29-30 und a-t 2000; 31: 67) und in denen versucht wird, eine Sonderstellung für Tibolon vorzuspiegeln. Eine Warnung vor dem auffällig gewordenen Brustkrebsrisiko fehlt in der aktuellen Fachinformation (Organon: Fachinformation LIVIELLA, Stand Okt. 2003). Tibolon und seine Metaboliten besitzen in ihrer Ausprägung schwer kalkulierbare östrogene, gestagene und androgene Effekte. Über die Steigerung des Testosteronspiegels verspricht sich die Firma eine Erhöhung der Libido. Nachdem die Erprobung des Phosphodiesterasehemmers Sildenafil (VIAGRA) bei Störung der weiblichen Sexualität gestoppt wurde und Östrogene nur noch mit stark eingeschränkten Indikationen verordnet werden dürfen, sieht Organon hier eine Marktchance für Tibolon: Derzeit läuft in mehreren Ländern eine Studie, in der auf der Basis von Fragebögen der Einfluss von Tibolon auf die sexuelle Lust von Frauen nach den Wechseljahren untersucht werden soll. Das "Ergebnis" kennt das Firmenmarketing jedoch offenbar bereits seit fünf Jahren. Werbung wie "mehr Sex in der Postmenopause?", lesbar mit 3D-Brille, wird der Firma als "Schmuddelimage" angelastet (intern. prax. 1999; 39: 671). Auch die Patientinnen-Broschüre "Die Wechseljahre lustvoll und aktiv genießen" (Organon, 2000) zielt auf den Lifestylebereich. Beim gegenwärtigen Stand der Kenntnis verbietet sich unseres Erachtens Erprobung und Verwendung von Tibolon als Mittel zur Libidosteigerung. Stattdessen sollte der Hersteller in einer randomisierten Langzeitstudie prüfen, wie sich das "Mischhormon" auf das Risiko von Herzinfarkten, Schlaganfällen, Thrombosen, Lungenembolien und Brustkrebs auswirkt, -Red.

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