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ATOPISCHE DERMATITIS: STELLENWERT VON PIMECROLIMUS (DOUGLAN, ELIDEL)

Mit einer ganzseitigen "Stellungnahme" im Deutschen Ärzteblatt1 reagiert der ELIDEL-Hersteller Novartis auf eine Ergänzung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, in der der Gebrauch des topischen Immunmodulators Pimecrolimus (DOUGLAN, ELIDEL) als Mittel der ersten Wahl bei leichter bis mäßiger atopischer Dermatitis als unwirtschaftlich eingestuft wird. Der Ausschuss hält die Anwendung nur für gerechtfertigt, wenn die herkömmliche Therapie ungenügend wirkt sowie bei Erwachsenen auch bei Unverträglichkeit konventioneller Mittel.2 Bei Nichtbeachtung sind Regressansprüche möglich.

Trotz der Größe der Anzeige bleibt der Inhalt dürftig: Novartis beruft sich auf drei identisch konzipierte plazebokontrollierte Studien zur intermittierenden Langzeittherapie über sechs bis zwölf Monate mit Erwachsenen,3 2- bis 17-Jährigen4 bzw. unter 2-Jährigen,5 die einen Kortikosteroid-sparenden Effekt und eine Senkung der Schubrate gegenüber "konventioneller" Therapie belegen sollen. Diese offenbar hauptsächlich für das Marketing angelegten Studien lassen eine solche Schlussfolgerung aber nicht zu, da ihr Design keine üblichen Therapiestandards vorsieht (Anwendung von topischen Kortikosteroiden erst bei voll ausgeprägtem Krankheitsschub mit unerträglichem Juckreiz sowie ausgedehnten Kratzspuren o.a.).6 Dass die Teilnehmer nach Abklingen des Schubs eine Woche lang Pimecrolimus bzw. Vehikel auftragen müssen, begünstigt zudem die Verumgruppe, die somit eine Woche länger eine aktive Therapie erhält.2,7 Die zugelassene "intermittierende" Langzeitbehandlung bedeutet in der Untersuchung mit den 2- bis 17-Jährigen den Gebrauch von Pimecrolimus im Mittel an 70% der Studientage. Etwa 10% verwenden den Immunmodulator täglich.4

In Kurzzeitstudien mit Erwachsenen schneidet Pimecrolimus schlechter ab als das stark wirksame Lokalkortikoid Betamethasonvalerat 0,1% (BETNESOL V u.a.) sowie das mittelstarke Triamcinolon 0,1% (DELPHICORT u.a.) bzw. das schwach wirksame Hydrokortisonazetat 1% (HYDROCUTAN 1% u.a.) für Gesicht, Nacken und intertriginöse Bereiche (a-t 2002; 33: 112, 117).7 Bei schwerer atopischer Dermatitis oder ausgedehnteren Läsionen (über 60% der Körperoberfläche) wirkt es nicht besser als die Cremegrundlage.7

Auch Sicherheitsbedenken sprechen für eine zurückhaltende Anwendung: Unter dem als kortisonfreie Alternative beworbenen Immunmodulator kommen vor allem virale systemische Infektionen wie Nasopharyngitis, Influenza und Gastroenteritis bei Kindern und Jugendlichen zwischen 2 und 17 Jahren häufiger vor als unter Vehikel. Die Inzidenz scheint mit der Dauer der Behandlung zuzunehmen.7 Die Behauptung von Novartis, "bei jüngeren Kindern" gäbe es "keine erhöhte Inzidenz von Nebenwirkungen",1 ist falsch. Bei Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren werden systemische Infektionen unter Pimecrolimus sowohl in Kurzzeit- (sechs Wochen) als auch in Langzeitstudien (sechs Monate) klinisch signifikant häufiger beobachtet als unter Vehikel. In dreiwöchigen Studien erkranken Kinder unter zwei Jahren häufiger an Atemwegsinfekten und grippeähnlichen Beschwerden als ältere (37% vs. 15%). Im Bewertungsbericht der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA wird das Sicherheitsprofil von Pimecrolimus für diese Altersgruppe daher als "schlecht" bezeichnet.7 Dessen ungeachtet propagiert beispielsweise ein Kinderarzt bei einer Veranstaltung von 3M Medica anlässlich der Markteinführung von DOUGLAN, "mit der lokalen Behandlung ... nicht solange abzuwarten, bis die Kinder zwei oder drei Jahre alt sind."8 In Großbritannien musste Novartis ein Werbeplakat zurückziehen, auf welchem ein Kleinkind abgebildet war, das jünger als zwei Jahre aussah.9

In Übereinstimmung mit der US-amerikanischen Zulassung stufen wir den Immunmodulator Pimecrolimus (DOUGLAN, ELIDEL) als Reservemittel für die Kurzzeitbehandlung der leichten bis mäßigen atopischen Dermatitis ein. Vom Langzeitgebrauch raten wir ab (a-t 2003; 34: 35-8).

Ein Kortikosteroid-sparender Effekt oder eine Senkung der Schubrate sind nicht hinreichend belegt, da in den Studien keine üblichen Therapiestandards angewendet werden und das Design Pimecrolimus bevorzugt.

Systemische Infektionen, vor allem durch Viren, kommen mit zunehmender Behandlungsdauer häufiger vor. Besonders gefährdet sind Kinder unter zwei Jahren. Für diese Altersgruppe ist Pimecrolimus nicht zugelassen.

© 2004 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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