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Korrespondenz

TRASTUZUMAB (HERCEPTIN) GEGEN BRUSTKREBS

... Ich wäre dankbar für eine Bewertung von Trastuzumab (Schweiz: HERCEPTIN) zur Behandlung des Brustkrebses.

Dr. med. U. KREUSCH (Internist)
D-37073 Göttingen

Bei etwa 25% bis 30% der Frauen mit Brustkrebs produziert der Tumor im Übermaß einen Rezeptor für den humanen epidermalen Wachstumsfaktor 2, "HER2".1 Überexpression von HER2 scheint mit aggressivem Tumorwachstum und schlechter Prognose einherzugehen, ist jedoch in den meisten Studien kein unabhängiger prognostischer Marker.2 Der monoklonale Antikörper Trastuzumab (Schweiz: HERCEPTIN) bindet an HER2 und soll das Wachstum der Zellen hemmen.4 Trastuzumab wird einmal wöchentlich intravenös infundiert. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt dosisabhängig zwei Tage bis drei Wochen,3 unter der empfohlenen Erhaltungsdosis von 2 mg/kg Körpergewicht [KG] durchschnittlich sechs Tage.4

KLINISCHE WIRKSAMKEIT: Bislang haben etwa 1.000 Frauen mit metastasierendem Brustkrebs und HER2-Überexpression an klinischen Studien teilgenommen. In der größten vollständig veröffentlichten, nicht kontrollierten Untersuchung mit 222 intensiv vorbehandelten Frauen wird mit Trastuzumab (initial 4 mg/kg KG i.v., Erhaltungsdosis wöchentlich 2 mg/kg KG) eine Ansprechrate von 15% erzielt. Die mediane Ansprechzeit beträgt 9 Monate. Ob sich die Überlebenszeit (im Median 13 Monate) verlängert, ist unklar. Frauen mit starker HER2-Überexpression scheinen tendenziell besser anzusprechen (18% versus 6%, p=0,06).5

Eine kontrollierte Phase-III-Studie mit 469 Frauen, deren metastasierende Erkrankung nicht vorbehandelt ist, ist bisher nur als Kongressbeitrag vorgestellt worden. Danach bringt die Anwendung des Antikörpers zusätzlich zur Chemotherapie mit einem Anthrazyklin wie Doxorubicin (ADRIBLASTIN u.a.) plus Cyclophosphamid (ENDOXAN u.a.) oder Paclitaxel (TAXOL) einen Überlebensvorteil von 5 Monaten (25 vs. 20 Monate) gegenüber Chemotherapie allein.6,7

INDIKATIONSSTELLUNG: Ungelöst ist die Frage, wie die HER2-Überexpression nachzuweisen und damit die Indikation für die Behandlung zu stellen ist. Der in den klinischen Studien verwendete immunhistochemische Test ist nicht auf dem Markt erhältlich. Er korreliert andererseits nicht exakt mit den kommerziell verfügbaren Tests.4 Der von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassene HERCEPTEST scheint im Vergleich zur aufwendigen und teuren DNA-basierten Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) häufig falsch-positive Ergebnisse zu liefern.8

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Bei 40% der Patientinnen ruft Trastuzumab vor allem während der ersten Infusion einen für monoklonale Antikörper typischen Symptomenkomplex mit Schüttelfrost, Fieber, Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwäche hervor.4 Bedenklich ist die ausgeprägte Kardiotoxizität. Unter Monotherapie erleiden 14 (7%) von 213 Frauen eine Herzinsuffizienz, unter Kombination mit Paclitaxel 11% im Vergleich zu 1% unter Paclitaxel allein. Besonders toxisch ist die Kombination mit Anthrazyklin-haltiger Chemotherapie. Hier steigt die Inzidenz auf 28% im Vergleich zu 7% unter Anthrazyklin plus Cyclophosphamid allein.9 Auch Vorbehandlung mit Anthrazyklinen scheint das Risiko zu steigern. Vor Beginn und während der Therapie ist die linksventrikuläre Funktion zu überprüfen.

Bei 25% der Frauen verursacht der Antikörper Durchfall. Atemwegsinfektionen, Anämie und Leukopenie kommen unter der Kombination mit Chemotherapie häufiger vor als unter Chemotherapie allein.4 Nach zwei Berichten scheint Trastuzumab mit Warfarin (COUMADIN) zu interagieren und das Blutungsrisiko zu steigern.10

KOSTEN: Eine Ampullenflasche mit 440 mg Trastuzumab zur Mehrfachdosierung kostet in der Schweiz 3.407,60 Franken (umgerechnet 4.294 DM). Der Ampulleninhalt entspricht der Wirkstoffmenge für eine vierwöchige Erhaltungstherapie einer 55 kg schweren Frau.

FAZIT: Der monoklonale Antikörper Trastuzumab (Schweiz: HERCEPTIN) bringt bei Frauen mit metastasierendem Brustkrebs und HER2- Überexpression nach Versagen intensiver Chemotherapie eine Ansprechrate von bis zu 15%. Bei nicht vorbehandelten Frauen mit metastasierender Erkrankung könnte die Kombination mit Chemotherapie das Überleben um wenige Monate verlängern. Diesem mäßigen Nutzen steht eine ausgeprägte Kardiotoxizität besonders bei Kombination mit Anthrazyklinen gegenüber. Die Anwendung ist daher nur im Rahmen gut kontrollierter Studien zu rechtfertigen. Für die Bestimmung der HER2-Überexpression gibt es derzeit keine validierte Empfehlung.

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