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Korrespondenz

"POLLENSCHUTZCREME" SIMAROLINE

Im "Spiegel" wird die "Pollenschutz-Creme" SIMAROLINE vorgestellt. Das Produkt soll den Segen von Ärzten des "Arbeitskreises Immunologie" haben und die "üblichen, nicht nebenwirkungsfreien Histaminpräparate überflüssig" machen. Gibt es tatsächlich positive Erfahrungen anhand einer breiten Anwendung?

Dr. Dr. med. habil. U. SCHNEIDER (Kinderarzt, Allergologe)
D-71332 Waiblingen

Am 22. November 1991 untersagte der Regierungspräsident von Düsseldorf den Vertrieb von SIMAROLINE als Arzneimittel, weil eine Zulassung fehlte. Ein entsprechender Antrag scheiterte im April 1994. Nach Herstellerwechsel ist IMMERFIT POLLENSCHUTZ-Creme SIMAROLINE (Medipharma) heute als Medizinprodukt im Handel, also unter Umgehung der arzneimittelrechtlichen behördlichen Prüfung auf Wirksamkeit und Anwendungssicherheit mittels Zertifizierung durch privatrechtliche Prüfstellen. Die für die Überwachung zuständige Landesbehörde prüft den Vorgang derzeit.1

SIMAROLINE enthält nur Vaseline. Randomisierte klinische Studien fehlen. Vom Hersteller erhalten wir lediglich ein publiziertes Kurzreferat, in dem in drei Sätzen eine Anwendungsbeobachtung von Paraffinöl an 15 Patienten beschrieben wird, sowie eine unveröffentlichte, ebenfalls unkontrollierte Beobachtungsstudie mit 22 Patienten.2,3 Beide Texte eignen sich nicht als Nutzenbeleg.

Laut Patentschrift soll die Creme die Nasenschleimhaut wie eine Barriere bedecken.4 Versprochen wird Schutz vor Kontakt mit "Blütenpollen, Hausstaub und -milben, Tierhaaren und Industriestäuben".5 SIMAROLINE vermag angeblich sogar, "auch die Reizreaktionen im Augen- und im Halsbereich auszuschalten".4 "Testberichte" bei einem (!) Patienten mit Birkenpollenallergie dienen als Beleg.4 Bei Hundehaarallergie sollen nach Einbringen der Creme in den Naseninnenraum "ohne weitere Schutzmaßnahmen beschwerdefrei" Hunde gekämmt und gebürstet worden sein.4

Solche Beispiele sind irrelevant und täuschen falsche Sicherheit vor. Verträglichkeit und Langzeitfolgen, z.B. der kontinuierlichen Belastung der Nasenschleimhaut durch das Fett, sind nicht untersucht. Wird im Vertrauen auf die Nasencreme auf Allergenkarenz als Mittel der Wahl zur Prophylaxe verzichtet, ist Verschlimmerung von Beschwerden einschließlich Etagenwechsel auf die tieferen Atemwege zu befürchten. Lipoidpneumonien und Fremdkörpergranulome nach Aspiration der enzymatisch nicht abbaubaren Vaseline sind ebenso zu erwarten wie bei paraffinölhaltigen Nasentropfen, die deshalb schon vor Jahren aus dem Verkehr gezogen wurden (a-t 1989; Nr. 7: 69-70 und 1997; Nr. 9: 100).

Angesichts der fehlenden Belege für einen Nutzen sowie des Schadenpotenzials von SIMAROLINE interpretieren wir die Empfehlung des Produktes durch den "Arbeitskreis Immunologie" als distanzlose und unwissenschaftliche Werbetätigkeit von Ärzten. Derselbe Arbeitskreis (Koordinator: Prof. KIESEWETTER, Charité Berlin) rät auch zu ägyptischem Schwarzkümmelöl (auch als IMMERFIT-Produkt) bei Pollinose - ebenfalls eine wissenschaftlich nicht belegte Empfehlung.6

Den Preis von 19,95 DM für 5 g als POLLENSCHUTZ-Creme bezeichnete Vaseline empfinden wir als Abzockerei. Zu diesen Kosten gibt es bereits 1 kg Vaseline (blitz a-t vom 18. April 2000), -Red.

© 2000 arznei-telegramm

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