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                            a-t 1999; Nr. 6: 59-60nächster Artikel
Im Blickpunkt

ZULASSUNG UND MARKTÜBERWACHUNG -
WO BLEIBT DIE QUALITÄT?

Anfang des Jahres hat die europäische Arzneimittelbehörde EMEA das alkylierende Zytostatikum Temozolomid (TEMODAL) zur Behandlung maligner Glioblastome zugelassen.1 Praktisch gleichzeitig lehnen in den USA elf Berater der Arzneimittelbehörde FDA bei einer Enthaltung die Zulassung von Temozolomid ab.2 Beide Entscheidungen beruhen auf denselben offenen Studien. Die erste eignet sich nicht zur Nutzenbeurteilung. Eine Vergleichsgruppe fehlt. In der größeren Untersuchung wird als primärer Endpunkt der Einfluss von Temozolomid und Procarbazin (NATULAN) auf progressionsfreies Überleben verglichen. Für Temozolomid ergibt sich eine Ansprechdauer von 85 Tagen, für Procarbazin von 99 Tagen. Die FDA errechnet für auswertbare Patienten eine Ansprechrate von 4,7% für Temozolomid und 3% für Procarbazin.2 Ein Biometriker aus dem nationalen Krebsinstitut interpretiert den geringen Erfolg als Zeichen dafür, dass auch Procarbazin für diese Indikation möglicherweise nutzlos sei.2 Auch die europäische Zulassungsbehörde räumt ein, dass das Studiendesign ungeeignet sei, eine Überlegenheit gegen Procarbazin zu belegen.1 Etablierte chemotherapeutische Regime für Patienten mit malignen Glioblastomen, die bislang lediglich eine Lebenserwartung von 12 (bis 24) Monaten nach Diagnosestellung haben, fehlen. Die europäische Zulassung von Temozolomid erfolgte voreilig und ohne den gesetzlich geforderten Nachweis einer Wirksamkeit.

Statt um die Qualität der Zulassung wetteifern die Zulassungsbehörden im Interesse der Warenanbieter um Schnelligkeit. Tempo geht jedoch zu Lasten der Qualität (vgl. a-t 4 [1998], 37). Die FDA musste in den Fünfjahreszeiträumen 1989 bis 1993 127 Arzneimittel und von 1994 bis 1998 bereits 172 neue Produkte aus Sicherheitsgründen vom Markt nehmen.3

In der Phase nach der Vermarktung ist das US-amerikanische System dem deutschen deutlich jedoch überlegen. Die FDA überprüft Produktionsstätten und überwacht konsequent Produktinformationen und Werbung. Hierzulande stört es die für die Überwachung von Firmen zuständigen Landesbehörden hingegen nicht, wenn Unternehmen fortgesetzt den Wortlaut der Zulassung verfälschen - etwa wenn Berlin- Chemie das gegen leichte bis mäßige Schmerzen zugelassene Dexketoprofen (SYMPAL) gegen "akute heftige Schmerzen" bewirbt4 (a-t 5 [1999], 50).

In den USA verhängt das Justizministerium gegen die Firmen Roche und BASF jetzt eine Strafe von insgesamt 1,3 Milliarden DM, weil sie im Verbund mit Rhone-Poulenc den Wettbewerb im Vitamin-Sektor eingestellt und sich kartellartig (zusammen insgesamt 75% des Weltmarktes) auf höhere Preise geeinigt haben.5

In Deutschland kann sich die zum gleichen BASF-Konzern gehörende Knoll GmbH des ungebrochenen Wohlwollens der Überwachungsbehörde erfreuen. Trotz 500.000-fachem Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Werbung für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel bei Laien (für den Appetithemmer Sibutramin [REDUCTIL], vgl. a-t 4 [1999], 41) belässt es die Bezirksregierung Rheinland-Pfalz bei einer freundlichen Abmahnung. Begründung: Die Firma sei bislang nicht auffällig geworden. Diese Rechtsauffassung dürfte beispielsweise dem Autofahrer schwer zu vermitteln sein, der bei Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung sein Bußgeld bezahlen muss - auch wenn er zuvor unauffällig war.


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