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Im Blickpunkt

DIE GUTEN INS TÖPFCHEN, DIE SCHLECHTEN INS KRÖPFCHEN
... Tücken und Lücken von Herstellerinformationen

"Wer Wissenschaftler wie Angestellte bezahlt, kann ihre Daten nach Belieben verwerfen".1 So kommentiert der Herausgeber der amerikanischen Ärztezeitschrift JAMA das Verbot, eine bereits angenommene vergleichende Studie zur Bioäquivalenz von Schilddrüsenhormonpräparaten zu publizieren: Boots Pharmaceuticals/Knoll (USA) blokkieren die Publikation der mit Firmengeldern finanzierten Arbeit, die den Niedergang ihres Hochpreisproduktes beschleunigen könnte.1

Veröffentlichte Studien bilden nicht immer den Stand der Kenntnis ab ("Publication Bias").2 Dies bestätigt eine systematische Auswertung von 56 kontrollierten Untersuchungen über nichtsteroidale Antirheumatika: In allen Studien mit Herstellerbeteiligung schneiden firmeneigene Produkte ähnlich gut (71%) oder besser (29%) ab als Vergleichspräparate. Die Autoren folgern, daß für ein Unternehmen ungünstige Studien seltener zur Publikation gelangen.3

In Symposiumsbänden haben 39 (98%) von 40 Artikeln mit Herstellerunterstützung günstige Ergebnisse für das beschriebene Arzneimittel gegenüber 79% (89 von 112) von Studien ohne Firmenbeteiligung.4 In Supplementbänden veröffentlichte randomisierte kontrollierte Studien erweisen sich als generell von minderer Qualität, wenn sie mit Artikeln in den Mutterjournalen verglichen werden.4

Metaanalysen gelten als Lieferanten "harter" Daten. Die Ergebnisse werden verfälscht, wenn Negativerkenntnisse nicht zugänglich sind und daher nicht in die Auswertung einfließen können, aber auch, wenn Hersteller-gesponserte Artikel aus Zeitschriften ohne hinreichende Qualitätsprüfung (Peer Review) einbezogen werden.5 Aus diesem Grund messen wir beispielsweise einer von der Firma Schwabe als Nutzenbeleg für Ginkgo biloba (TEBONIN u.a.) herangezogenen Metaanalyse keine hinreichende Aussagekraft bei, auch wenn diese in einer renommierten Zeitschrift wie The Lancet erschien.6 Das Schweizer Serum- & Impfinstitut Bern distanziert sich von den ebenfalls in einer angesehenen Zeitschrift7 veröffentlichten Ergebnissen einer Metaanalyse. Diese sei von der "Konkurrenzfirma" erstellt und beruhe auf Datenselektion (vgl. Seite 60).8

Deutsche Pharmaunternehmen lassen sich ihre Pharmareferenten mit 1,6 Milliarden DM fast so viel kosten, wie sie für Forschung und Entwicklung ausgeben.9 Die Genauigkeit der Angaben der 'Mustermänner' bleibt "praktisch ungeprüft."10 Als kalifornische Ärzte und Pharmazeuten dies nachholen, erweist sich jede neunte Aussage als inkorrekt. Das eigene Produkt rückt dabei in ein günstigeres Licht. Bemerkungen über konkurrierende Produkte fallen allenfalls neutral aus. Der Fallstrick: "Ärzte gehen nicht davon aus, daß ein Pharmareferent während seiner Präsentation Angaben des Beipackzettels oder der Fachliteratur widerspricht."10

FAZIT: Veröffentlichte Studien geben nur einen Teil der Erkenntnisse über Arzneimittel wieder. Sofern Hersteller an Untersuchungen beteiligt sind, besteht Gefahr, daß für das Unternehmen mißliebige Daten unterdrückt werden. So können Metaanalysen verfälscht werden. Diese bringen zudem zweifelhafte Ergebnisse, wenn Studien aus Zeitschriften einbezogen werden, die eingereichte Texte ohne Prüfung auf wissenschaftliche Standards veröffentlichen.


© 1996 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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