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Im Blickpunkt

LUNGENHOCHDRUCK DURCH APPETITHEMMER

In den 60er Jahren erkrankten allein in Deutschland fast tausend Menschen, die mit Hilfe des Amphetamin-Abkömmlings Aminorex (MENOCIL) abnehmen wollten, an zum Teil unheilbarem Hochdruck der Lungenarterien (vgl. a-t 1 [1970], 1). Seit Anfang der 70er Jahre wird pulmonaler Hochdruck auch in Verbindung mit dem serotoninergen Appetithemmer Fenfluramin (PONDERAX) beschrieben (vgl. 7 [1974], 47; 1 [1982], 7). Die Arzneimittel-induzierte Lungenerkrankung scheint nach einer retrospektiven Untersuchung in Frankreich nicht günstiger zu verlaufen als die idiopathische pulmonale Hypertonie.1

Eine prospektive Fallkontrollstudie aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und der Schweiz an 95 Patienten mit Lungenhochdruck weist erneut ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bei Gebrauch mehrerer Appetithemmer nach, allen voran Fenfluramin und sein rechtsdrehendes Isomer Dexfenfluramin (ISOMERIDE, a-t 11 [1993], 123), aber auch nach Amfepramon (REGENON), Fenproporex (FENPROPOREX) und Mefenorex (RONDIMEN). Das Risiko steigt, wenn die Mittel länger als drei Monate oder in Kombination eingenommen werden. Die französische Gesundheitsbehörde reagiert mit Anwendungsbeschränkungen: Rezepturen mit Appetithemmern (s. auch Seite 96) sollen verboten werden. Die Mittel dürfen nur noch bei schwerem Übergewicht nach Versagen von Diätmaßnahmen für höchstens drei Monate eingenommen und nicht mehr miteinander kombiniert werden.2,3 Anwendungsbeschränkungen in deutschen Gebrauchsinformationen fehlt die nötige Verbindlichkeit: So ist PONDERAX "hauptsächlich für eine vier bis sechs Wochen dauernde Behandlung vorgesehen". Die Therapie mit ISOMERIDE "sollte in der Regel auf drei Monate beschränkt werden".4

Bei der europäischen Arzneimittelkommission (CPMP) läuft ein Bewertungsverfahren aller in der Europäischen Union verkehrsfähigen Anorektika. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte will künftige Maßnahmen offenbar von der Entscheidung des CPMP abhängig machen. Der deutschen Behörde liegen für 1990 bis August 1995 sechs Verdachtsmeldungen über Lungenhochdruck in Verbindung mit Appetithemmern vor: Dreimal gilt Fenfluramin als Auslöser. Zwei Meldungen, darunter eine mit tödlichem Verlauf, verdächtigen Norpseudoephedrin (z.B. in ANTIADIPOSITUM X-112), eine weitere das inzwischen in Deutschland aus dem Verkehr gezogene Mazindol (TERONAC).5

FAZIT: Gängige amphetaminartige Appetithemmer wie Fenfluramin (PONDERAX) und Dexfenfluramin (ISOMERIDE) können in seltenen Fällen einen lebensbedrohlichen Hochdruck der Lungenarterien auslösen. Das Risiko steigt mit der Anwendungsdauer und durch Kombination verschiedener Appetithemmer. Da sich Übergewicht medikamentös ohnehin nur kurzfristig beeinflussen läßt, erachten wir die Nutzen-Risiko-Bilanz dieser Mittel als negativ. Folgerichtig wären Verordnungsbeschränkungen oder Vertriebsverbote für gesundheitsgefährdende "Appetitzügler".

1

ARONSON, J. K., C. J. VAN BOXTEL (Hrsg.): "Side Effects of Drugs. Ann. 18", Elsevier, Amsterdam 1995, Seite 7

2

Scrip 2027 (1995), 24

3

Geneesmiddelen bulletin 29 (1995), 88

4

Rote Liste 1995, 01 007, 01 009

5

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Schreiben vom 5. Sept. 1995


© 1995 arznei-telegramm

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