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Therapieempfehlung

HERZINFARKT: STREPTOKINASE UND ASS –
NÜTZT ZUSÄTZLICHES HEPARIN?

Die Gerinnselauflösung mit Streptokinase (STREPTASE u.a.) oder anderen Thrombolytika gilt als wirksame, etablierte Behandlung des akuten Herzinfarkts. In vielen Kliniken wird gleichzeitig eine Therapie mit Azetylsalizylsäure (ASS, ASPIRIN u.a.) und Heparin (LIQUEMIN u.a.) begonnen. ASS hemmt die Thrombozyten-abhängige Gerinnung und Heparin das intravasale Gerinnungssystem (vgl. a-t 7 [1993], 68). Die gleichzeitige Verwendung beider Mittel sollte daher am besten geeignet sein, Thrombenbildung zu verhindern, und theoretisch eine verbesserte Öffnungsrate der Koronararterien erzielen.1 Stützt die Datenlage diese These?

Die Studie ISIS-2 bestätigt sowohl den Nutzen einer alleinigen Therapie mit ASS als auch den zusätzlichen Nutzen zur Thrombolyse.2 Offenbar wirken ASS und Streptokinase additiv. Die Herzinfarkt-Sterblichkeit nimmt durch Kombination beider Behandlungsmethoden um 42% ab. Wesentlich unsicherer sind hingegen die Daten zum Nutzen einer alleinigen Heparintherapie beim Herzinfarkt. Mortalitätsdaten sind nur aus der SCATI-Group-Studie abzulesen.3 Die Verringerung der Sterblichkeit (11 der 142 allein mit Heparin behandelten Patienten starben gegenüber 16 von 136 unter Plazebo) ist statistisch nicht signifikant. Die subkutane Heparinisierung blieb ohne Einfluß auf erneute Ischämien oder die Rate von Reinfarkten.

In GISSI-2 und ISIS-3 wurden die Daten von insgesamt 62.000 Patienten mit akutem Herzinfarkt ausgewertet.4,5 Alle Patienten erhielten ASS in Verbindung mit einer Lysetherapie. Die gleichzeitige Subkutangabe von Heparin ließ die Mortalitätsrate nach 35 Tagen unbeeinflußt (vgl. a-t 8 [1992], 79).

Ob Heparin bei Thrombolyse mit Plasminogen-Aktivator (ACTILYSE) die Letalität senkt, bleibt auch nach der im September 1993 vorgelegten GUSTO-Studie offen, da alle Patienten, die Plasminogen-Aktivator (t-PA) erhielten, auch intravenös heparinisiert wurden. Ältere Arbeiten kommen bezüglich der Offenheitsrate durch t-PA plus Heparin zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Aus den vorliegenden Studien läßt sich folgern:

  • Von 1000 Patienten, die mit akutem Myokardinfarkt stationär aufgenommen werden, würden ohne Therapie im Laufe eines Monats 100 sterben. Durch Thrombolyse können 27 der Todesfälle vermieden werden.
  • Die zusätzliche Einnahme von ASS verhindert etwa 23 weitere Todesfälle. Somit wird die Sterblichkeit innerhalb der ersten 35 Tage durch Kombination von Thrombolyse und ASS halbiert. Allerdings ist mit zwei bis drei zerebralen Blutungen pro 1000 Patienten als Behandlungsfolge zu rechnen.
  • Die zusätzliche subkutane Injektion von Heparin senkt die kardiale Sterblichkeit nicht weiter, bedingt aber weitere ein bis zwei Hirnblutungen pro 1000 Patienten.4,5
  • Nach der kürzlich vorgelegten GUSTO-Studie6 läßt sich die Prognose der Streptokinase-Lyse auch durch intravenöses Heparin im Vergleich zur subkutanen Injektion nicht verbessern.
  • Ob bei der Lyse mit t-PA intravenöses Heparin die Offenheitsrate der Koronararterien und die Überlebensrate verbessert, ist nicht ausreichend untersucht.

FAZIT: Thrombolyse plus Einnahme von Azetylsalizylsäure (ASS, ASPIRIN u.a.) ist die gesicherte Standardtherapie des akuten Herzinfarkts. Die gleichzeitige subkutane Injektion von Heparin bleibt ohne nachgewiesenen Nutzen, erhöht jedoch das Risiko von Blutungszwischenfällen.


© 1994 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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