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Nebenwirkungen

BIOCHEMISCHE TÜCKEN DES ANTIBIOTIKUMS PIVAMPICILLIN (IN MIRAXID)

Vor fast 20 Jahren kam der Ampicillinester Pivampicillin (BEROCILLIN, MAXIFEN) als "Ampicillin mit dem Einschleus-Effekt" auf den Markt. Heute ist der Wirkstoff nur noch in Fixkombinationen mit dem gegen einige gramnegative Erreger wirkenden Pivmecillinam erhältlich (MIRAXID; vgl. a-t 12 [1985], 96). Beide Ester setzen im Körper Pivalinsäure (Trimethylessigsäure) und Formaldehyd frei. Bislang galt Pivalinsäure als unbedenklich, auch wenn sie im natürlichen Stoffwechsel nicht vorkommt. Wie so häufig, entpuppen sich Schadeffekte neuer Stoffe jedoch erst nach jahrelangem Gebrauch:

Nach Einzelbeobachtungen aus Schweden beschleunigen Pivampicillin und Pivmecillinam die muskuläre Ermüdung. Der Effekt verschwindet nach Absetzen der Therapie. Die Aufklärung protrahierter Hypoglykämien zweier Brüder in Göteborg (Schweden) erbrachte als Ursache die längere Einnahme von Pivampicillin. Offenbar reagiert Pivalinsäure mit Carnitin, einem essentiellen Kofaktor in der Fettsäureoxidation, und beschleunigt dessen Ausscheidung. Stark erniedrigte Carnitin-Werte im Plasma sind die Folge.1

Bei sieben Mädchen fielen die Carnitin-Spiegel nach Langzeit-Einnahme von Pivampicillin-Pivmecillinam auf 7% bis 27% der Werte vor Behandlungsbeginn. Die Veränderungen hielten mehr als 10 Tage nach Absetzen der Therapie an. Bei zwei Mädchen, die die Antibiotika 22 und 30 Monate lang erhielten, betrugen die Carnitin-Muskelkonzentrationen 10% der Referenzwerte.2,3

Die schwedische Arzneimittelbehörde empfiehlt, gesunde Erwachsene nur für 7 bis 10 Tage mit diesen Antibiotika zu behandeln. Bei alten Menschen und Kindern sind Pivampicillin und Pivmecillinam nicht als Mittel der ersten Wahl anzusehen. Vor allem bei älteren Menschen soll keine Wiederholungsbehandlung innerhalb von drei Monaten stattfinden. Diabetiker, Patienten mit kataboler Stoffwechsellage, Schwangere und Patienten, die gleichzeitig Valproinsäure (ERGENYL u.a.) einnehmen, dürfen kein Pivampicillin oder Pivmecillinam erhalten. In der deutschen Produktinformation von MIRAXID sowie in der kürzlich veröffentlichten BGA-Monographie fehlen entsprechende Hinweise: "Besondere Warnungen: keine"4.

FAZIT: Die Antibiotika Pivampicillin und Pivmecillinam (in MIRAXID) setzen Pivalinsäure frei. Diese wird zusammen mit Carnitin ausgeschieden. Carnitin- Mangelerscheinungen können die Folge sein. Wir halten MIRAXID für entbehrlich, zumal Alternativpenizilline zur Verfügung stehen.

1

Läkartidningen 87 (1990), 2436

2

MIDTVEDT, T. in DUKES/BEELEY: "Side Effects of Drugs, Annual 14", Elsevier, Amsterdam 1990, Seite 210

3

HOLME, E. et al.: Lancet 2 (1989), 469

3

Aufbereitungsmonographie: Pharm. Ztg. 136 (1991), 395


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