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Neu auf dem Markt

DER VIERTE ACE-HEMMER: LISINOPRIL (ACERBON, CORIC)

Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmer stehen seit Anfang der 80er Jahre zur Verfügung. Sie senken den Blutdruck jeden Schweregrades. Wegen der hohen Rate an Störwirkungen sollten ACE-Hemmer jedoch nach Diuretika, Betablockern und Kalziumantagonisten als Reservetherapeutika mittelschweren und schweren Formen der arteriellen Hypertonie vorbehalten bleiben (vgl. a-t 9 [1989], 81; 2 [1990], 22). Bei der Herzinsuffizienz besitzen sie günstige Akuteffekte auf Hämodynamik und Belastungstoleranz. Als Ergänzung zu Diuretika und Digitalis scheinen sie bei schweren Graden (NYHA IV) im Langzeitverlauf auch die Mortalität zu senken. Daneben gibt es Hinweise für eine prophylaktische Wirkung auf die linksventrikuläre Dilatation nach größeren Infarkten sowie auf die Progredienz der chronischen Niereninsuffizienz und der diabetischen Nephropathie. Mit Captopril (LOPIRIN, TENSOBON), dem länger wirkenden Enalapril (XANEF, PRES) und der jüngsten Einführung Lisinopril* (ACERBON, CORIC), das wie das spärlich dokumentierte Perindopril (COVERSUM) lediglich zur Hochdrucktherapie zugelassen ist, stehen nun vier ACE-Hemmer zur Auswahl.

* Nicht zu verwechseln mit dem Antiallergikum LISINO (Loratadin)

WIRKUNG: Lisinopril ist das Lysinderivat von Enalaprilat, dem durch Esterabspaltung aktivierten Wirkprinzip von Enalapril. Dies erklärt die weitgehend mit dem älteren ACE-Hemmer vergleichbaren Eigenschaften. Wie Enalapril besitzt Lisinopril eine stärkere Affinität zum Angiotensin- Converting-Enzym als Captopril. Verminderte Plasmaspiegel des stark vasokonstriktorisch wirkenden Angiotensin II und des Natrium-retinierenden Aldosteron führen zur Blutdrucksenkung und Abnahme des extrazellulären Volumens. Daneben wird ein sympatholytischer Effekt vermutet. Einflüsse von Lisinopril auf das Kallikrein-Kinin-System sind bisher nicht untersucht.

Die Wirkung beginnt wie bei Enalapril 1 Stunde nach oraler Applikation, hat ein Maximum bei 6 Std. und eine Dauer von circa 24 Std. Sie setzt langsamer ein und ist protrahierter als die von Captopril, so daß täglich eine Einmaldosierung ausreichen soll. Das Ausmaß der ACE-Hemmung ist bei Einzeldosen bis etwa 20 mg dosisabhängig und erreicht dann ein Maximum, wobei Blutdruck und peripherer Widerstand um circa 15% abnehmen. Eine Reflextachykardie bleibt aus, das Herzzeitvolumen nimmt nur bei bestehender Herzinsuffizienz zu. Trotz Steigerung des renalen Blutflusses um circa 15% bleibt die glomeruläre Filtrationsrate bei Gesunden weitgehend unverändert.1

KENNDATEN: Nach oraler Gabe wird Lisinopril unabhängig von der Nahrungsaufnahme zu rund 25% absorbiert. Es wird nicht an Plasmaeiweiß gebunden. Nahezu 100% der absorbierten Dosis finden sich im Urin. Die Ausscheidung erfolgt polyphasisch, zum Großteil in einer schnellen Phase (HWZ 12,6 Std.). Die terminale Phase (HWZ ca. 30 Std.) spiegelt wahrscheinlich die Bindung der Substanz an das Plasma-ACE wider. Niereninsuffizienz erfordert eine Dosisreduktion bis zu einem Viertel. Daten über Dialysierbarkeit, Plazentagängigkeit und Übertritt in die Muttermilch liegen nicht vor.


WIRKSAMKEIT: Die Wirksamkeit zur Behandlung der arteriellen Hypertonie ist durch mehrere unkontrollierte und Plazebo-kontrollierte Studien belegt. Nach Einnahme von 2,5 bis 80 mg nehmen systolischer und diastolischer Blutdruck um 10 bis 20% ab. Die empfohlene Tagesdosis beträgt initial 5 mg (bei gleichzeitiger Einnahme von Diuretika und bei älteren Patienten 2,5 mg) und 10-20 mg zur Erhaltung. Dosen über 20 mg bewirken nur noch eine geringe Zunahme des antihypertensiven Effektes2 und sind nicht ratsam. In der Monotherapie sind 20-80 mg Lisinopril einer diuretischen Therapie mit 6,25-50 mg Hydrochlorothiazid (ESIDRIX u.a) gering überlegen. Eine Kombination verstärkt die erwünschten und unerwünschten Wirkungen.3,4 Im Vergleich zu Betarezeptorenblockern (50-200 mg Atenolol [TENORMIN u.a.] oder 100-200 mg Metoprolol [BELOC]) senkt Lisinopril den Blutdruck stärker.5,6 40-80 mg Nifedipin (ADALAT u.a.) wirken gleich antihypertensiv wie 20-80 mg Lisinopril.7 Vergleichsstudien mit Enalapril liegen nicht vor.

In unkontrollierten und Plazebo-kontrollierten Studien mit chronisch herzinsuffizienten Patienten mit leichter bis ständiger Einschränkung der Belastbarkeit (NYHA II - IV) bewirken täglich 5-20 mg Lisinopril zusätzlich zu Diuretika und Digitalis nach 12 Wochen einen Anstieg des Herzzeitvolumens (+14 bis 29%), eine Abnahme des pulmonal-kapillären Druckes (–21% bis 45%) und eine Verbesserung der Belastungstoleranz (+41%).8,9,10 Im Vergleich zu täglich 12,5-150 mg Captopril wirken 5-20 mg Lisinopril nach 12 Wochen bei chronischer Herzinsuffizienz NYHA II - IV gleich günstig auf Symptome und NYHA-Stadium, wogegen der positive Effekt auf die Belastungstoleranz (36% vs 25%) gering günstiger sein soll.11

Vergleichsstudien mit Enalapril fehlen für die Anwendung bei chronischer Herzinsuffizienz (keine zugelassene Indikation für Lisinopril); ebenso Langzeitstudien, die für Enalapril eine günstige Beeinflussung der Einjahresmortalität zeigen konnten.12 Einflüsse auf die Dilatation des linken Ventrikels nach Infarkten sowie auf die Progression einer chronischen Niereninsuffizienz und diabetischen Nephropathie wurden bisher nicht untersucht.

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Störeffekte treten zu etwa 20-35% auf und erfordern bei 5-10% der Patienten den Therapieabbruch. Spektrum und Frequenz gleichen denen von Enalapril und Captopril.

Allgemeine Körperstörungen: Am häufigsten treten Kopfschmerzen, Schwindel, Diarrhoe, chronischer Reizhusten und Schwächegefühl auf. Wie Enalapril scheint Lisinopril seltener Geschmacksstörung und Hautausschlag auszulösen als Captopril, Diarrhoen dagegen häufiger. Wie häufig unter Lisinopril mit dem oft quälenden Reizhusten zu rechnen ist, der bis zu 15% von ACE-Hemmer-Patienten trifft (vgl. Seite 34), bleibt zu klären. Gleiches gilt für Angioödeme (Häufigkeit unter Captopril/Enalapril 1:500 bis 1:2000). Neutropenie und Proteinurie, die unter Enalapril und bei den heutigen Dosisempfehlungen auch unter Captopril nur selten auftreten, wurden bisher nicht beschrieben, jedoch Fälle einer Vaskulitis. Demnach gilt für Lisinopril wie für die anderen ACE-Hemmer das besondere Risiko der Auslösung wahrscheinlich immunallergischer Erkrankungen.

Kreislauf: Mit symptomatischer Hypotonie muß häufiger bei Herzinsuffizienz, gleichzeitiger Diuretika-Therapie und Volumenmangelzuständen gerechnet werden. Wie bei Enalapril verläuft sie protrahierter als unter Captopril und stellt ein erhebliches Bedrohungspotential für Patienten mit marginaler Versorgung dar.

Nieren: Ein leichter, reversibler Anstieg der harnpflichtigen Substanzen kommt gelegentlich vor, bei Herzinsuffizienz häufiger. Patienten mit doppelseitiger oder Nierenarterienstenose bei funktioneller oder anatomischer Einzelniere können jedoch mit akutem Nierenversagen reagieren. Besteht bereits eine chronische Niereninsuffizienz, nimmt die Frequenz der Nebenwirkungen zu. Unter Kontrolle der Kreatininwerte soll mit Tagesdosen von 2,5 mg begonnen werden.

Varia: Wie unter anderen ACE-Hemmern steigt bisweilen das Serum-Kalium an, vor allem bei gleichzeitiger Kalium-Substitution, Therapie mit kaliumsparenden Diuretika sowie Antirheumatika oder bei Herz- und Niereninsuffizienz. Wie alle ACE-Hemmer ist Lisinopril in der Schwangerschaft nicht erlaubt (vgl. a-t 1 [1990], 8).1,13,14

FAZIT: Als typischer ACE-Hemmer senkt Lisinopril (ACERBON, CORIC) zuverlässig den Blutdruck. Wegen häufiger Störwirkungen hat u.E. Lisinopril ebenso wie Captopril (LOPIRIN, TENSOBON) und Enalapril (PRES, XANEF) als Reservehochdruckmittel zu gelten. Es besitzt bei chronischer Herzinsuffizienz günstige Akutwirkungen auf Hämodynamik, klinischen Status und Belastungstoleranz, ist jedoch im Gegensatz zu Captopril und Enalapril für diese Indikation nicht zugelassen. Hinsichtlich Wirkstärke, Pharmakokinetik und Nebenwirkungsspektrum bestehen gegenüber Enalapril keine klinisch relevanten Unterschiede. Dies ist nicht verwunderlich, da Lisinopril ein Derivat des aktiven Prinzips von Enalapril ist. Daher sehen wir im geringer erprobten Lisinopril als typisches "Me-Too- Präparat" keine Bereicherung der Therapie mit ACE-Hemmern. Analoges gilt für das zur Einführung geplante Ramipril (in Frankreich: TRIATEC).

1 LANCASTER, S. G. et al.: Drugs 35 (1988), 646
2 CIRILLO, V. K. et al.: J. Clin.Pharmac.27 (1987), 706
3 MERRIL, D. D. et al.: Clin.Pharmac.Therap.41(87), 227
4 POOL, J. K. et al.: J.Card.Pharmac.9(Suppl.3)(87), 36
5 BOLZANO, K.et al.:J.Card.Pharmac.9(Suppl.3) (87), 43
6 ZACHARIAH,P.K.etal.:J.Card.Pharmac.9(Suppl.3) (87),53
7 MÖRLIN,C.et al.:J.Card.Pharmac.9(Suppl. 3) (87), 48
8 STONE, C. K. et al.:J. Am. Coll.Cardiol.9 (87), 104 A
9 WARNER,N.J.et al.:Acta Pharmacol.Toxicol.59(Suppl. V)
10 CHALMERS, J.P.et al.: J.Card.Pharmacol.9(Suppl. 3) (1987), 89
11 POWERS,E.R. et al.:J.Card.Pharmacol.9 (Suppl.3) (1987), 82
12 CONSENSUS-Trial Study Group: N. Engl. J. Med.316(87), 1429
13 RUSH, J. E. et al.: Am. J. Med. 85 (1988), 55
14 CAMERON, H. A. et al.: J.Hum. Hypert. 3 (Suppl.1)(89), 177
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