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Korrespondenz

DIHYDROKODEIN (PARACODIN) GEGEN REIZHUSTEN BEI KINDERN?

Im Rahmen unserer Vergiftungsberatung sind wir wiederholt mit (fraglichen) Überdosierungen von Dihydrokodein (PARACODIN) konfrontiert. Dieses wird gerne von Kinderärzten als Antitussivum verschrieben. Kodein ist bekanntlich aufgrund des möglichen Atemstillstands bei schnellen Metabolisierern bei Kindern unter 12 Jahren kontraindiziert (a-t 2013; 44: 62 und 2015; 46: 107-8). Wie verhält sich dies bei Dihydrokodein?

N.N. (Name etc. in a-t 8/2017 genannt)
Interessenkonflikt: keiner

Die Dihydrokodein enthaltenden PARACODIN Tabletten sind gegen Reizhusten für Kinder ab 6 Jahren zugelassen, PARACODIN N-Sirup und PARACODIN N-Tropfen ab 4 Jahren.1-3 Eine der Fachinformationen weist zwar darauf hin, dass aufgrund der genetischen Variabilität von CYP 2D6 Kodein verstärkt in Morphin umgewandelt werden und bereits in therapeutischen Dosierungen zu Morphinvergiftung führen kann.1 Ein Bezug zu Dihydrokodein wird jedoch nicht hergestellt. Die US-amerikanische Produktinformation eines für Kinder unter 12 Jahren nicht empfohlenen Kombinationspräparats zur Schmerzbehandlung warnt hingegen vor Tod durch ultraschnelle Metabolisierung von Dihydrokodein zu Dihydromorphin. Demnach bestehen aufgrund der vergleichbaren Stoffwechselwege und vergleichbaren Potenz von Kodein und Dihydrokodein sowie von Morphin und Dihydromorphin auch die gleichen Risiken für ultraschnelle Metabolisierer.4

Der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) der europäischen Arzneimittelbehörde EMA kam 2013 zwar zu dem Schluss, dass eine klinische Relevanz des CYP 2D6-Polymorphismus in den wenigen klinischen Studien zu Dihydrokodein nicht nachgewiesen sei. Auch unter Berücksichtigung von 41 Verdachtsberichten zu Opioidtoxizität aus der Datenbank der EMA zu unerwünschten Wirkungen seien die Daten unzureichend, um das Risiko für ultraschnelle CYP 2D6-Metabolisierer zu beurteilen. Als Vorsichtsmaßnahme könne jedoch eine allgemeine Warnung über die theoretischen Bedenken in die Fachinformation aufgenommen werden.5 Anders als hierzulande ist die schweizerische Arzneimittelbehörde Swissmedic inzwischen tätig geworden: Dihydrokodein-haltige Hustenmittel sind dort bei Kindern unter 12 Jahren kontraindiziert und werden für Jugendliche bis 18 Jahre mit Störungen der Atemfunktion nicht empfohlen.6 Dem BfArM liegen insgesamt zwölf Verdachtsberichte zu Störwirkungen von Dihydrokodein bei Kindern unter zwölf Jahren aus Deutschland in den letzten 28 Jahren vor.7

∎  Bei akutem Husten von Kindern haben Arzneimittel aufgrund der unzureichenden Beleglage aus unserer Sicht keinen Stellenwert (a-t 2015; 46: 107-8). Auch von Dihydrokodein (PARACODIN) raten wir im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes ab.

1Teofarma: Fachinformation PARACODIN N-Sirup, Stand Okt. 2013
2Teofarma: Fachinformation PARACODIN N-Tropfen, Stand Juni 2015
3Teofarma: Fachinformation PARACODIN Tbl., Stand Juni 2015;
4Sun Pharmaceuticals: US-am. Produktinformation SYNALGOS-DC, Stand Dez. 2016; http://www.a-turl.de/?k=aatz
5EMA: PRAC minutes of the meeting 2.-5. Dez. 2013, Seite 13; http://www.a-turl.de/?k=chan
6Swissmedic: HPC – Husten- und Erkältungsmittel mit Codein bzw. Dihydrocodein, 13. Juli 2017; http://www.a-turl.de/?k=chur
7BfArM: Schreiben vom 23. Juni 2017

© 2017 arznei-telegramm, publiziert am 1. August 2017

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