logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2013;44: 110nächster Artikel
Therapiekritik

INFLUENZA-LEBENDIMPFSTOFF (FLUENZ) BEI 2-BIS 6-JÄHRIGEN BEVORZUGEN?

Die Impfung gegen Influenza (Virusgrippe) wird für Kinder und Jugendliche von der Ständigen Impfkommission (STIKO) bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens wie chronischer Lungen-, Herz-Kreislauf-, Nieren- oder Stoffwechselerkrankung empfohlen. Seit August 2013 berücksichtigt die STIKO auch den seit 2012 erhältlichen attenuierten Influenza-Lebendimpfstoff (FLUENZ).1 Aufgrund der intranasalen Anwendung könnte er die Akzeptanz der Impfung bei Kindern und Eltern steigern.2 Zugelassen ist er für Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 2 und 18 Jahren (a-t 2012; 43: 74-5).3 Der Lebendimpfstoff wird in dieser Altersgruppe jetzt als Alternative zum traditionellen inaktivierten Grippeimpfstoff empfohlen, sofern keine Kontraindikation besteht, z.B. klinische Immunschwäche3. Bei Kindern im Alter von 2 bis einschließlich 6 Jahren soll die Lebendvakzine sogar bevorzugt werden.1

Begründet wird die Empfehlung im Wesentlichen mit besserer Wirksamkeit des nasalen Lebendimpfstoffs im Vergleich zum konventionellen Totimpfstoff. Die Häufigkeit laborbestätigter Influenzaerkrankungen wird gegenüber inaktivierter Vakzine bei Kindern von 2 bis einschließlich 6 Jahren relativ um 53% gemindert (95% Konfidenzintervall [CI] 42-62; zwei Studien4,5) und damit etwas stärker als bei älteren (32%; 95% CI 3-52; eine Studie6 mit 6- bis 17-Jährigen).2 Die Lebendvakzine senkt jedoch nicht das Risiko unterer Atemwegserkrankungen jeglicher Ursachen, wie im Hintergrundpapier7 zur Impfempfehlung der STIKO fälschlich dargestellt. Lediglich untere Atemwegserkrankungen mit kulturellem Nachweis von Influenzaviren im Nasenabstrich sind in einer der Studien4 (0,5% versus 0,8%) seltener als unter Totimpfstoff. Die Influenza-Arbeitsgruppe der STIKO beurteilt diesen Endpunkt im Gegensatz zu unteren Atemwegserkrankungen jeglicher Ursache jedoch nicht als „kritisch” oder „wichtig”.7 Eine Korrektur der Publikation ist geplant.8 Auch für die Verhinderung von Krankenhausaufnahmen oder akuten Mittelohrentzündungen durch den Impfstoff gibt es nach wie vor keine hinreichenden Belege.

Die Sicherheit in der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen mit einer Grunderkrankung ist laut Zulassung nur bei leichtem bis mittelschwerem Asthma belegt.9 Für Kinder mit anderen Lungenerkrankungen oder chronischen Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- oder Nierenerkrankungen gibt es nur begrenzt Daten.3 In der US-amerikanischen Produktinformation wird darauf hingewiesen, dass bei Patienten mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung durch Influenza infolge eines Grundleidens die Sicherheit des Impfstoffs nicht belegt ist.10 Die Lebendvakzine wird in den USA deshalb auch nicht für diese Patienten empfohlen.11

∎  Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt, Kinder und Jugendliche mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens gegen Influenza zu impfen.

∎  Fehlen Kontraindikationen, kann laut STIKO ab einem Alter von 2 Jahren auch der intranasale attenuierte Influenza-Lebendimpfstoff FLUENZ verwendet werden. Bei 2- bis 6-Jährigen soll er wegen besserer Wirksamkeit gegen laborbestätigte Influenza-Erkrankungen sogar bevorzugt werden.

∎  Hinreichende Belege für die Verminderung unterer Atemwegserkrankungen insgesamt, von Krankenhausaufnahmen oder akuten Mittelohrentzündungen durch die Lebendvakzine gegenüber Plazebo sowie konventionellen Grippeimpfstoffen fehlen nach wie vor.

∎  Die Sicherheit des intranasalen Impfstoffes ist bei Patienten mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung durch Influenza infolge eines Grundleidens nicht hinreichend belegt. Wir raten bei diesen von der Anwendung ab.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 STIKO: Epid. Bull. 2013; Nr. 34: 313-44
2 STIKO: Epid. Bull. 2013; Nr. 36/37: 365-70
3 AstraZeneca: Fachinformation FLUENZ, Stand Aug. 2013
R  4 BELSHE, R.B. et al.: N. Engl. J. Med. 2007; 356: 685-96
R  5 ASHKENAZI, S. et al.: Pediatr. Infect. Dis. J. 2006; 25: 870-9
R  6 FLEMING, D.M. et al.: Pediatr. Infect. Dis. J. 2006; 25: 860-9
M  7 FALKENHORST, G. et al.: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2013; 56: 1557-64
8 FALKENHORST, G. (Robert Koch-Institut): Schreiben vom 25. Nov. 2013
9 EMA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) FLUENZ, Stand März 2011 http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001101/WC500103711.pdf
10 Medimmune: US-Produktinformation FLUMIST, Stand Juli 2012 http://www.fda.gov/downloads/BiologicsBloodVaccines/Vaccines/ApprovedProducts/UCM123743.pdf
11 Centers for Disease Control and Prevention: MMWR 2013; 62; RR-7 (43 Seiten)

© 2013 arznei-telegramm, publiziert am 6. Dezember 2013

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.