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LAKTAZIDOSE UNTER BIGUANID METFORMIN (GLUCOPHAGE, GENERIKA)

Ein 66-jähriger Patient, der wegen eines Typ-2-Diabetes das Biguanid Metformin (GLUCOPHAGE, Generika) und wegen Herzinsuffizienz das Schleifendiuretikum Torasemid (TOREM, Generika) einnimmt, wird wegen fortschreitender Atembeschwerden mit Tachypnoe stationär aufgenommen. Zuvor hat er mehrfach erbrochen und wegen eines Harnwegsinfektes Co-trimoxazol (EUSAPRIM, Generika) erhalten. Bei erhöhtem Kreatinin, Hyperkaliämie und Azidose entsteht der Verdacht auf eine durch Metformin ausgelöste Laktazidose. Trotz Intensivtherapie stirbt der Patient noch am selben Tag (NETZWERK-Bericht 15.985).

Laktazidosen sind eine mit einer Häufigkeit von 3/100.000 Patientenjahre zwar sehr seltene, mit einer Letalität von etwa 50% aber bedrohliche Komplikation des Biguanids.1 Mit steigender Verordnung von Metformin von jährlich 189 Mio. auf 581 Mio. Tagesdosierungen zwischen 20002 und 20103 beobachtet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auch eine wachsende Häufigkeit berichteter Laktazidosen, sowohl bei der nationalen Erfassung von Spontanmeldungen als auch im Rahmen des europäischen Bewertungsverfahrens für Metformin.4 Allein im vergangenen Jahr (1. Jan. bis 12. Dez. 2011) wurden dem BfArM 12 Laktazidosen unter Metformin berichtet, darunter 5 mit Todesfolge, jedoch keine unter Sulfonylharnstoffen.5 Insgesamt dokumentiert die Behörde bislang 184 Berichte zu Laktazidosen unter Metformin (72 tödlich) und 3 zu Sulfonylharnstoffen (2 tödlich),5 obwohl letztere insgesamt häufiger verordnet wurden.2,3

Metformin hemmt unter anderem die Glukoneogenese in der Leber und erhöht das Risiko einer Laktazidose, wenn bei verminderter Sauerstoffversorgung im Körper verstärkt Laktat anfällt und dieses in der Leber nicht ausreichend zu Glukose umgebildet werden kann. Erkrankungen, die zu einer Gewebshypoxie führen können wie kardiale oder respiratorische Insuffizienz oder frischer Herzinfarkt gelten daher als Gegenanzeigen, ebenso Alkoholabusus und Leberinsuffizienz. Bei chronischer Niereninsuffizienz und bei akuten Zuständen, die die Nierenfunktion passager herabsetzen, wie Dehydratation, schwere Infektionen oder Anwendung jodhaltiger Kontrastmittel, ist Metformin ebenfalls kontraindiziert bzw. zumindest vorübergehend abzusetzen,4,6 da es unverändert über die Nieren ausgeschieden wird und bei Störungen der Nierenfunktion kumulieren kann. Schleifendiuretika können ebenfalls das Risiko für die Entwicklung einer Laktazidose unter Metformin erhöhen.6 Bei Kombination mit Medikamenten, die über das gleiche tubuläre Transportsystem ausgeschieden werden, wie das in Co-trimoxazol enthaltene Trimethoprim (INFECTOTRIMET), wird in der US-amerikanischen Produktinformation eine sorgfältige Überwachung und Dosisanpassung empfohlen.1

Eine besondere Gefahr geht von Krankheitszuständen aus, die unvorhergesehen auftreten und mit Gewebshypoxie oder Nierenfunktionsstörung einhergehen. Dazu gehören, wie im eingangs beschriebenen NETZWERK-Bericht, auch Harnwegsinfekte oder akute Magen-Darm-Erkrankungen mit Erbrechen oder Durchfall.7 Patienten sollen die Gefahr kennen und bei akuten interkurrenten Erkrankungen mit ihrem Arzt Rücksprache halten, damit rechtzeitig das Absetzen von Metformin in Betracht gezogen werden kann.8

1 Bristol-Myers Squibb: US-amerikanische Produktinformation GLUCOPHAGE, Stand 27. Aug. 2008; http://www.accessdata.fda.gov/drugs atfda_docs/label/2008/020357s031,021202s016lbl.pdf
2 JOOST, H.-G., MENGEL, K. in SCHWABE, U, PAFFRATH, D (Hrsg.): „Arzneiverordnungs-Report 2001”, Springer, Berlin 2001, Seite 164
3 MENGEL, K. in SCHWABE, U., PAFFRATH, D. (Hrsg.): „Arzneiverordnungs-Report 2011”, Springer, Berlin 2011, Seite 353-4
4 MEIER, T. (BfArM): Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2011 Nr. 2: 6-9; zu finden unter http://www.bfarm.de
5 BfArM: Schreiben vom 27. Dez. 2011
6 Merck: Fachinformation GLUCOPHAGE, Stand Okt. 2010
7 WILLE, H. et al.: Arzneim.-, Therapie-Kritik 1999; 31: 99-103
8 Aust. Adv. Drug React. Bull. 2009; 28: 11

© 2012 arznei-telegramm, publiziert am 13. Januar 2012

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