logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2012; 43: 13-4nächster Artikel
Korrespondenz

KOLLAGENASE (XIAPEX) BEI MORBUS DUPUYTREN?

Welche Informationen liegen Ihnen vor bezüglich der Injektion von XIAPEX bei Morbus Dupuytren?

Dr. med. W. ENGELMANN (Facharzt für Allgemeinmedizin)
D-58454 Witten
Interessenkonflikt: keiner

XIAPEX enthält zwei von Clostridium histolyticum produzierte Kollagenasen. Seit Mai 2011 steht es zur Behandlung einer Dupuytren’schen Kontraktur mit tastbarem Strang, in den es injiziert wird,1 zur Verfügung – neben operativen Verfahren oder perkutaner Durchtrennung mittels Nadelfasziotomie.

Die Zulassung basiert wesentlich auf zwei doppelblinden randomisierten Studien.2 In die größere, US-amerikanische Studie3 werden 308 Patienten mit nicht am Daumen befindlicher Beugekontraktur zwischen 20 Grad und 100 Grad im Metakarpophalangeal- oder zwischen 20 Grad und 80 Grad im proximalen Interphalangealgelenk eingeschlossen. Die Betroffenen können einen oder mehrere erkrankte Finger und die Handinnenfläche nicht gleichzeitig flach auf eine Tischplatte legen. Sie erhalten 0,58 mg Kollagenase oder Plazebo in den Dupuytren’schen Strang des vom Prüfarzt ausgewählten Gelenks injiziert. Nach 24 Stunden folgt bei noch bestehender Kontraktur eine manuelle Fingerstreckung, um den Strang zu lösen. Anschließend wird unabhängig vom Erfolg eine Schiene angelegt, die bis zu vier Monate nachts getragen werden muss. Bei Misserfolg darf die Injektion zweimal im Abstand von 30 Tagen wiederholt werden.2,3

Primärer Endpunkt ist die Verringerung der mittels eines Winkelmessinstruments festgestellten Kontraktur auf maximal 5 Grad gemessen 30 Tage nach der letzten Injektion. Er wird nach durchschnittlich 1,5 Injektionen von 64% unter Kollagenase gegenüber 7% unter Plazebo erreicht (95% Konfidenzintervall der Differenz 50% bis 65%), an Metakarpophalangealgelenken bei 77% versus 7%, an proximalen Interphalangealgelenken bei 40% vs. 6%.2,3 In der mit 66 Patienten deutlich kleineren australischen Studie4 mit gleichem Design ist die Wirksamkeit bei ebenfalls im Mittel 1,5 Injektionen geringer (44% vs. 5%). Für die proximalen Interphalangealgelenke errechnet sich hier kein signifikanter Unterschied. Eine hinreichende Beurteilung der Funktionsfähigkeit fehlt in beiden Studien. Erneute Kontraktur über 20 Grad in einem erfolgreich behandelten Gelenk wird nach zwei Jahren in einer gepoolten Analyse dieser und weiterer Studien bei 20% beschrieben, bei 16% mit tastbarem Strang.2

Unerwünschte Wirkungen wie peripheres Ödem (73%), Kontusion (55%), Blutung an der Injektionsstelle (38%), Schmerzen an der Injektionsstelle (33%) oder im Arm (35%) und Ekchymosen (20%)5 sind meist gering bis mäßig stark ausgeprägt, auf den behandelten Arm beschränkt und klingen gewöhnlich innerhalb von zwei Wochen ab. Ein erhöhtes Risiko für Hautläsionen besteht, wenn Kontrakturen an der Haut haften. Bei 3 von knapp 1.100 Patienten im Studienprogramm mit wenigstens einer Injektion reißt eine Sehne, bei einem ein Band. Eine Patientin mit bereits vor der Kollagenasebehandlung schon einmal aufgetretenem komplexen regionalen Schmerzsyndrom entwickelt dieses erneut. Antikörper gegen die Kollagenasen finden sich bei mehr als 85% der Patienten bereits nach der ersten Injektion und bei allen Patienten nach vier Injektionen. Potenzielle Kreuzreaktivität mit endogenen Matrixmetalloproteinasen wird als Risiko für die Entwicklung eines progredienten Knochen-Muskel-Syndroms angesehen. Auch Verschlechterung oder Neuauftreten von Autoimmunerkrankungen und Anaphylaxie werden befürchtet. Bislang soll jedoch keine dieser Störungen unter der Kollagenase beobachtet worden sein.2

Die Erfahrung aus klinischen Studien ist derzeit auf bis zu drei Injektionen pro Strang und bis zu acht Injektionen insgesamt beschränkt.2 Nur 41 Patienten erhalten im Studienprogramm sechs bis acht Injektionen.5 Langzeitdaten, insbesondere auch zum Einfluss einer wiederholten Therapie auf die Rate an Rückfällen, Komplikationen, Funktionsfähigkeit der Hand und Lebensqualität fehlen – ebenso vergleichende Studien mit bislang angewandten Therapien.2 Indirekte Vergleiche sind hier insbesondere aufgrund unterschiedlicher Definitionen und Nachbeobachtungszeiten schwierig. Rückfälle, die schwer genug sind, um eine weitere Operation zu erfordern, sind in Beobachtungsstudien nach operativer Entfernung der Faszie bei 0% bis 23% nach mittlerer Nachbeobachtung von 2,7 bis 5,6 Jahren sowie nach perkutaner Nadelfasziotomie bei 19% bis 66% nach durchschnittlich 2,8 bis 10 Jahren beschrieben.5 Die europäische Arzneimittelbehörde EMA beurteilt die Wirksamkeit der Kollagenase als gleichwertig zu operativen Verfahren und perkutaner Nadelfasziotomie, bei jedoch höheren Rückfallraten unter der Nadelfasziotomie. Die Sicherheit des Mittels schätzt sie gegenüber operativen Verfahren als besser ein. Gegenüber perkutaner Nadelfasziotomie soll sie ähnlich sein, Sehnenrisse sind allerdings unter Kollagenase häufiger.2 Obwohl Kontrakturen am Daumen in den Zulassungsstudien nicht behandelt wurden, ist die Zulassung nicht auf die Therapie der anderen Finger beschränkt.1 Die einmalige Anwendung von Kollagenase kostet 1.122,92 €.

∎  Kollagenase von Clostridium histolyticum (XIAPEX), injiziert in einen tastbaren Strang, verringert eine Dupuytren’sche Kontraktur besser als Plazebo.

∎  Direkte Vergleiche mit operativen Verfahren oder perkutaner Durchtrennung mittels Nadelfasziotomie fehlen.

∎  Die europäische Arzneimittelbehörde EMA beurteilt Wirksamkeit und Sicherheit im indirekten Vergleich mit Operation und Fasziotomie positiv.

∎  Aufgrund der geringen Erfahrungen mit dem Präparat und fehlender Daten zur Langzeitwirksamkeit- und sicherheit raten wir, Kollagenase vorerst nur bei Kontraindikationen für eine Operation anzuwenden.

  (R =randomisierte Studie)
1 Pfizer: Fachinformation XIAPEX, Stand Febr. 2011
2 EMA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) XIAPEX, Stand 14. März 2011 http://www.emea.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/002048/WC500103376.pdf
R  3 HURST, L.C. et al.: N. Engl. J. Med. 2009; 361: 968-79
R  4 GILPIN, D. et al.: J. Hand Surg. Am. 2010; 35a: 2027-38
5 FDA: Medical Review Collagenase clostridium histolyticum, Stand 5. Okt. 2009; http://www.accessdata.fda.gov/ drugsatfda_docs/nda/2010/125338s0 00MedR.pdf

© 2012 arznei-telegramm, publiziert am 13. Januar 2012

Autor: angegebene Leser bzw. Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 2012; 43: 13-4nächster Artikel