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Therapiekritik

DOCH KEINE INTERAKTION ZWISCHEN CLOPIDOGREL UND OMEPRAZOL?

Ergebnisse mehrerer Beobachtungsstudien weisen darauf hin, dass die gleichzeitige Einnahme von Protonenpumpenhemmern (PPI) die Wirksamkeit des Plättchenhemmers Clopidogrel (PLAVIX, Generika) abschwächen kann. Theoretischer Hintergrund soll sein, dass PPI – und insbesondere Omeprazol (ANTRA, Generika) – die Zytochrom-P450-Oxidase 2C19 hemmen, die als wesentlich für die Aktivierung des Prodrugs Clopidogrel angesehen wird (a-t 2009; 40: 22). Diskutiert wird auch ein spezifischer Effekt von Omeprazol. Die Daten hierfür sind allerdings widersprüchlich.1,2

Aktuelle Daten ziehen eine relevante Interaktion von PPI mit Clopidogrel wieder vermehrt in Zweifel. So findet eine systematische Übersicht von Beobachtungsstudien keinen Einfluss der PPI auf den Effekt von Clopidogrel, wenn bei den Analysen nach dem individuellen kardiovaskulären Risiko der Patienten adjustiert wird.3 Registerdaten einer amerikanischen Gesundheitsorganisation finden keinen Unterschied für kardiovaskuläre Ereignisse oder Todesfälle, wenn die Patienten nach koronarer Angioplastie zusätzlich zu Clopidogrel einen PPI einnehmen oder nicht.4 In einer Post-hoc-Analyse des randomisierten Vergleichs der beiden Thienopyridine Clopidogrel und Prasugrel (EFIENT) bei akutem Koronarsyndrom (a-t 2009; 40: 34-6) sind die kardiovaskulären Ereignisraten unter beiden Mitteln unabhängig davon, ob die Patienten zusätzlich mit PPI behandelt werden oder nicht – obwohl die Plättchenhemmung durch Clopidogrel bei gleichzeitigem Gebrauch von PPI abgeschwächt ist.5 Eine amerikanische retrospektive Kohortenstudie findet bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit, die mit Clopidogrel behandelt werden, weniger stationäre Aufnahmen wegen gastrointestinaler Blutungen, wenn zusätzlich ein PPI gegeben wird, nicht aber eine höhere Rate relevanter kardiovaskulärer Ereignisse.6 In Dänemark werden die Daten aller Infarktpatienten über einen Zeitraum von sechs Jahren ausgewertet. Patienten, die mit einem PPI entlassen werden, haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, allerdings unabhängig davon, ob sie zusätzlich Clopidogrel erhalten oder nicht.7

Die jetzt publizierte COGENT*-Studie8 prüft randomisiert den zusätzlichen Gebrauch von Omeprazol bei 3.873 Koronarpatienten, die wegen Stenteinlage oder akuten Koronarsyndroms mindestens zwölf Monate lang Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN, Generika) plus Clopidogrel einnehmen sollen, hinsichtlich gastrointestinaler und kardiovaskulärer Ereignisse. Die im Mittel 69 Jahre alten Patienten haben ein mäßig erhöhtes Risiko für peptische Ulzera (frühere Ulzera oder Blutungen 4%; NSAR-Einnahme 9%; Helicobacter 52%). Sie erhalten eine fixe Kombination aus täglich 75 mg Clopidogrel plus 20 mg Omeprazol oder Clopidogrel plus Plazebo. Die ASS-Tagesdosis muss zwischen 75 mg und 325 mg liegen. Wegen Einstellung der Finanzierung durch den Sponsor, dem Hersteller einer Fixkombination aus Clopidogrel und Omeprazol,9 muss die Studie nach im Median 106 Tagen und vor Erreichen der zunächst geplanten Patientenzahl von 5.000 abgebrochen werden.8

Kalkuliert für eine Beobachtungszeit von 180 Tagen treten unter Omeprazol primäre gastrointestinale Endpunktereignisse, eine Kombination aus offenen oder okkulten oberen gastrointestinalen Blutungen, symptomatischen gastroduodenalen Ulzerationen und Erosionen, Obstruktionen und Perforationen, signifikant seltener auf als unter Plazebo (1,1% versus 2,9%; p < 0,001). Dies gilt auch für offene gastroduodenale und offene obere gastrointestinale Blutungen unklarer Lokalisation (jeweils 0,1% vs. 0,6%; p = 0,03). Die Studie ist formal zwar nicht auf Testung der Nichtunterlegenheit hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse angelegt. Numerisch tritt der kombinierte prädefinierte Endpunkt aus kardiovaskulären Todesfällen, Infarkten, Insulten und Revaskularisationen unter Omeprazol aber sogar seltener auf (4,9% vs. 5,7%).8 Die Ergebnisse können aus methodischen Gründen nicht als Beleg gedeutet werden, dass Omeprazol den Effekt von Clopidogrel nicht abschwächt und keine Zunahme kardiovaskulärer Ereignisse bewirkt. Sie untermauern diese Einschätzung jedoch, zumal sie erstmals einer randomisierten Studie entstammen.

Noch kurz vor Publikation der Studie warnt die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA vor einer Kombination von Clopidogrel speziell mit Omeprazol.10 Sie verweist dabei aber lediglich auf ihren Warnhinweis vom März des Jahres, dass Patienten mit eingeschränkter Aktivität der Zytochrom-P450-Oxidase 2C19 Clopidogrel nicht adäquat aktivieren könnten.11 Der FDA-Warnung widerspricht ein aktualisiertes Konsensuspapier12 amerikanischer gastroenterologischer und kardiologischer Fachgesellschaften. Unter Würdigung bisheriger klinischer Studienergebnisse und vor allem auch der COGENT-Daten empfehlen die Autoren, Patienten unter Clopidogrel mit PPI zu behandeln, wenn sie denn angezeigt sind – wie beispielsweise bei erhöhtem Risiko für gastrointestinale Blutungen. Meiden von Omeprazol, wie es die hiesige Fachinformation empfiehlt,13 wird als nicht ausreichend begründet eingeschätzt.12

∎  Die Daten aus Beobachtungsstudien zur Frage einer Wirkabschwächung von Clopidogrel (PLAVIX, Generika) durch Protonenpumpenhemmer (PPI) und vor allem Omeprazol (ANTRA, Generika) sind widersprüchlich.

∎  Eine erste randomisierte Vergleichsstudie zur Fragestellung findet keinen Hinweis für eine geringere Wirksamkeit von Clopidogrel, wenn gleichzeitig Omeprazol eingenommen wird. Wie auch von amerikanischen Fachgesellschaften empfohlen, können und sollten PPI auch bei Therapie mit Clopidogrel angewendet werden, wenn sie indiziert sind. Dies gilt unseres Erachtens entgegen der Empfehlung der Fachinformation auch für Omeprazol.

∎  Sind PPI ohne Verlust therapeutischer Sicherheit durch H2-Antagonisten ersetzbar, kann dies unter pragmatischen Aspekten erwogen werden.

  (R =randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
1 JUURLINK, D.N. et al.: CMAJ 2009; 180: 713-8
2 http://www.theheart.org/article/967057/
M  3 KWOK, C.S, LOKE, Y.K.: Aliment. Pharmacol. Ther. 2010; 31: 810-23
4 http://www.theheart.org/article/1061469/
R  5 O’DONOGHUE, M.L. et al.: Lancet 2009; 374: 989-97
6 RAY, W.A. et al.: Ann. Intern. Med. 2010; 152: 337-45
7 CHARLOT, M. et al.: Ann. Intern. Med. 2010; 153: 378-86
R  8 BHATT, D.L. et al.: N. Engl. J. Med. 2010; 363: 1909-17
9 Cogentus Pharmaceuticals: Presseerklärung vom 16. Jan. 2008; zit. nach: http://www.redorbit.com/news/health/1218520/cogentus_pharmaceuticals_ begins_clinical_study_to_confirm_the_full_antiplatelet/index.html#
10 FDA: FDA reminder to avoid concomitant use of Plavix (clopidogrel) and omeprazole, 27. Okt. 2010 http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm231161.htm
11 FDA: FDA Drug Safety Communication: Reduced effectiveness of Plavix (clopidogrel) in patients who are poor metabolizers of the drug, 12. März 2010; http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ PostmarketDrugSafetyInformationforPatientsandProviders/ucm203888.htm
12 ABRAHAM, N.S. et al.: Circulation 2010; online publ. am 8. Nov. 2010
13 Sanofi Aventis: Fachinformation PLAVIX, Stand Apr. 2010

* COGENT = Clopidogrel and the Optimization of Gastrointestinal Events Trial

© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 3. Dezember 2010

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