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FETTMODIFIZIERTE DIÄT ZUR KARDIOVASKULÄREN PRÄVENTION - WAS IST BELEGT?

Könnten Sie mir beantworten, ob es Metaanalysen zum Einfluss der Ernährung und/oder verschiedener Diäten auf den Cholesterinspiegel bzw. auf die kardiovaskuläre und Gesamtmortalität gibt? Soweit ich Studien gefunden habe, konnte ich keinen signifikanten Einfluss feststellen, dennoch scheint die Diät noch immer als erste Empfehlung zu gelten (z.B. auch in älteren Artikeln im a-t-Archiv).

T. DONEITH (Weiterbildungsassistent Allgemeinmedizin)
D-72072 Tübingen
Interessenkonflikt: keiner

Seit Jahrzehnten spielen die Nahrungsfette eine zentrale Rolle in den Empfehlungen zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.1 Durch fettarme Diät oder Diät mit mehr pflanzlichen Fetten lässt sich in gewissem Umfang der Cholesterinspiegel senken. Ein erhöhter Cholesterinspiegel gilt als einer der etablierten beeinflussbaren Risikofaktoren für die koronare Herzkrankheit. Bereits 1961 befürwortete die amerikanische Herzgesellschaft unter anderem für Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfall in der Vorgeschichte eine fettmodifizierte Diät. Die Gesellschaft räumte aber ein, dass der definitive Nachweis für eine präventive Wirksamkeit dieser Maßnahmen fehlt.1 Fast 50 Jahre später steht ein definitiver Nutzenbeleg nach wie vor aus.

Die Schwierigkeiten bei der Bewertung und Übertragbarkeit der vorliegenden Studien zu fettmodifizierten Diäten beginnen schon damit, dass keine geprüfte Diät der anderen gleicht. Selbst die Zuordnung zu Diättypen ist in der Literatur nicht einheitlich (vgl. 2-6). Oft wird unterschieden zwischen Diäten mit Verringerung der Gesamtfettzufuhr, solchen mit Austausch gesättigter durch ungesättigte Fettsäuren und Diäten mit Fischöl bzw. Omega-3-Fettsäuren. Studien zur so genannten Mittelmeerdiät werden zum Teil gesondert aufgeführt,6 zum Teil den Diäten mit vermehrten Omega-3-Fettsäuren zugerechnet.4

FETTARME DIÄT UND/ODER AUSTAUSCH VON FETTSÄUREN: Nach den Ergebnissen kontrollierter Diätexperimente von zumeist wenigen Wochen, in denen die Studienteilnehmer ihre jeweilige Prüfdiät von den Forschungseinrichtungen erhalten und zum Teil auch dort oder unter kasernierten Bedingungen zu sich nehmen, in denen also für eine hohe Compliance gesorgt ist, wird geschätzt, dass - ausgehend von einer typischen britischen Diät - durch Austausch von 60% der gesättigten Fettsäuren gegen ein- und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (vgl. Kasten, Seite 20) und Minderung des Nahrungscholesterins um 60% eine Senkung des Cholesterinspiegels - in erster Linie des LDL - um 10% bis 15% erreicht werden kann.7 Tatsächlich lassen sich auch in Langzeitstudien mit rigorosen Diäten Cholesterinspiegelsenkungen um mehr als 10% erzielen.8 Die Übertragbarkeit dieser vor Jahrzehnten und zum Teil in Heimen oder psychiatrischen Einrichtungen - mit psychisch kranken Menschen, Veteranen oder Pflegebedürftigen - durchgeführten Studien9-11 auf die heutige allgemeine Praxis steht aber infrage. In Studien mit mehr Praxisnähe, in denen die Intervention in diätetischer Beratung besteht, fällt der cholesterinsenkende Effekt fettmodifizierter Diäten oft deutlich geringer aus. Im Durchschnitt ergibt sich dabei nach mindestens sechs Monaten eine Reduktion um 5,3% (95% Konfidenzintervall [CI] 4,7% bis 5,9%). Zwischen den Studien besteht allerdings eine signifikante Heterogenität.12 In der größten randomisierten kontrollierten Untersuchung zum Nutzen einer fettarmen Diät, der WHI*-Dietary-Modification-Studie, in der die Intervention ebenfalls in Diätberatung besteht, sinkt das LDL in drei Jahren in der Prüfgruppe um 2,7% stärker als in der Kontrollgruppe.13

* WHI= Women´s Health Initiative

In kontrollierten Kurzzeitexperimenten steigern Diäten mit vermehrter Zufuhr von Transfettsäuren (vgl. Kasten) das LDL ähnlich wie Diäten mit hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren - jeweils im Vergleich zu Diäten mit vermehrten ungesättigten Fettsäuren. Transfettsäuren senken in diesen Experimenten aber zusätzlich das HDL.14

Die Ergebnisse von Beobachtungsstudien sind inkonsistent. Eine viel zitierte frühe ökologische (= gruppen- oder bevölkerungsbezogene) Beobachtungsstudie, die Seven-Countries-Studie, findet eine positive Korrelation zwischen Konsum gesättigter Fettsäuren und Sterblichkeit an koronarer Herzkrankheit.15 Ein kausaler Zusammenhang lässt sich aus solchen Korrelationen jedoch nicht ableiten. Kohortenstudien bestätigen die Assoziation zwischen Nahrungsfetten und koronarer Herzkrankheit nur zum Teil. Eine 2009 publizierte systematische Übersicht findet unzureichende Evidenz aus prospektiven Kohortenstudien für einen Zusammenhang zwischen koronarer Herzkrankheit und dem Gesamtfett in der Nahrung (Relatives Risiko [RR]** 0,99; 95% CI 0,88-1,09), der Zufuhr gesättigter (RR 1,06; 95% CI 0,96-1,15) oder mehrfach ungesättigter Fettsäuren (RR 1,02; 95% CI 0,81-1,23) oder dem Konsum von Fleisch (RR 1,23; 95% CI 0,98-1,49), Eiern (RR 1,06; 95% CI 0,89-1,23) oder Milch (RR 0,94; 95% CI 0,75-1,13). Vermehrte Aufnahme von Transfettsäuren geht nach dieser Übersicht dagegen mit signifikant erhöhtem koronarem Risiko einher (RR 1,32; 95% CI 1,16-1,48).16

** bei höherem Gehalt in der Kost im Vergleich zu geringerem

Randomisierte kontrollierte Studien zu fettmodifizierter Diät mit klinischen kardiovaskulären Endpunkten sind in der Mehrzahl vor Jahrzehnten durchgeführt worden, darunter auch zwei der oben erwähnten Heimstudien.10,11 Dies muss ihre Validität nicht einschränken, ist aber für die Frage der Übertragbarkeit in eine Zeit mit anderer Esskultur relevant. Die Studien sind zudem häufig klein (weniger als 500 Teilnehmer) und schließen überwiegend Männer ein (vgl. Tab. S. 22).

Ein im Jahr 2000 veröffentlichtes Cochrane-Review wertet 27 randomisierte Studien zu fettarmer oder fettmodifizierter Diät mit insgesamt mehr als 18.000 Teilnehmern aus, darunter auch Studien, die ursprünglich nicht auf klinische Endpunkte angelegt sind. Studien zu Fischöl oder Omega-3-Fettsäuren sind ausgeschlossen. Die Metaanalyse findet keinen Einfluss auf die Gesamtsterblichkeit (Rate ratio [RR] 0,98; 95% CI 0,86-1,12) oder die kardiovaskuläre Mortalität (RR 0,91; 95% CI 0,77-1,07). Kardiovaskuläre Komplikationen insgesamt werden gemindert (RR 0,84; 95% CI 0,72-0,99).2,3 Bei einer Sensitivitätsanalyse unter Ausschluss der Oslo-Diet-Heart-Studie,17 in der die Teilnehmer der Prüfgruppe zusätzlich mit fettem Fisch versorgt wurden, ist auch dieser Endpunkt in der Gesamtauswertung nicht mehr signifikant, sondern nur noch bei Betrachtung der Studien von mindestens zweijähriger Dauer.2,3 Zu berücksichtigen ist zudem, dass beim Endpunkt "kardiovaskuläre Komplikationen" die negative Sydney-Diet-Heart-Studie18 nicht mit ausgewertet wird, weil den Autoren aus dieser Studie nur Daten zur Gesamtmortalität vorliegen. Eine Metaanalyse von 2005 mit einem etwas anderen Datenpool, in die auch Studien zu Mehrfachinterventionen wie Bewegung plus Diät aufgenommen wurden, lässt bei Auswertung von 17 Studien mit insgesamt mehr als 115.000 Teilnehmern ebenfalls keinen Einfluss von fettmodifizierten Diäten auf die Sterblichkeit erkennen (RR 0,97; 95% CI 0,91-1,04).4

Unberücksichtigt bleibt in beiden Metaanalysen die 2006 publizierte WHI-Dietary-Modification-Studie mit mehr als 48.000 Frauen nach den Wechseljahren. Die Prüfgruppe dieser Studie wird angehalten, ihre Fettzufuhr auf 20% der Gesamtenergie zu reduzieren und dafür vermehrt Obst, Gemüse und Getreide zu sich zu nehmen. Diese Kost hat im Verlauf von durchschnittlich acht Jahren keinen Effekt auf die Häufigkeit einer koronaren Herzkrankheit (Hazard Ratio [HR] 0,97; 95% CI 0,90-1,06), eines Schlaganfalls (HR 1,02; 95% CI 0,90-1,15) oder auf kardiovaskuläre Ereignisse insgesamt (HR 0,98; 95% CI 0,92-1,05).13

Fettsäuren in Nahrungsfetten und -ölen

∎  Gesättigte Fettsäuren sind organische Säuren mit der allgemeinen Summenformel CnH2nO2. Sie haben keine Doppelbindungen. Typische Vertreter sind beispielsweise Myristin- (n = 14), Palmitin- (n = 16) oder Stearinsäure (n = 18).1 Gesättigte Fettsäuren finden sich vor allem in tierischem Fett, weniger in pflanzlichen Ölen. Unter den Pflanzenfetten enthalten Kakaobutter, Kokos- und Palmkernfett einen vergleichsweise hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren.2

∎  Einfach ungesättigte Fettsäuren haben eine C-C-Doppelbindung. Bekanntester Vertreter ist die Ölsäure (C18) als wesentlicher Bestandteil tierischer und pflanzlicher Fette.1 Besonders ölsäurehaltig sind Oliven- und Rapsöl.2

∎  Mehrfach ungesättigte Fettsäuren besitzen mehrere C-C-Doppelbindungen. Linol- und alpha-Linolensäure als Ausgangssubstanzen weiterer mehrfach ungesättigter Fettsäuren können nicht von Tier und Mensch synthetisiert und müssen daher mit der Nahrung zugeführt werden.1 Ungesättigte Fettsäuren sind hitzelabil, bei hohen Temperaturen entstehen u.a. Transfettsäuren.3,4 Öle, die reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind, eignen sich nicht zum Braten oder Frittieren.4

  ∎  Omega-3-Fettsäuren sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren mit letzter Doppelbindung am drittletzten C-Atom.1 Bekanntester Vertreter ist die alpha-Linolensäure (C18), die in größeren Mengen in Leinöl, Raps-, Soja-, Walnuss- oder Weizenkeimöl enthalten ist.2 Die längerkettigen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (C20) und Docosahexaensäure (C22) finden sich vorwiegend in fetten Meeresfischen (z.B. Hering, Makrele, Thunfisch), aber auch in fettreichen Süßwasserfischen (z.B. Forelle).5

  ∎  Omega-6-Fettsäuren sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren mit letzter Doppelbindung am sechstletzten C-Atom.1 Linolsäure (C18), die bekannteste Omega-6-Fettsäure, kommt vor allem in pflanzlichen Ölen vor. Besonders linolsäurereich sind Distel-, Kürbiskern, Sesam-, Soja- oder Sonnenblumenöl.2 Aus Linolsäure wird im Körper u.a. die Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure (20 C-Atome, 4 Doppelbindungen) gebildet.1

∎  Transfettsäuren sind ungesättigte Fettsäuren mit mindestens einer Doppelbindung in der trans-Form. Als Stereoisomere der jeweiligen cis-Form (U-förmige Struktur) tragen sie die beiden Kettenreste an gegenüberliegenden Seiten der Kohlenstoffdoppelbindung.1 Naturbelassene Fette und Öle enthalten fast ausschließlich cis-Formen, Fette von Wiederkäuern durch die bakterielle Aktivität im Pansen im Prozentbereich auch trans-Säuren. Transfettsäuren entstehen bei starkem Erhitzen von Ölen oder in beträchtlichem Umfang, wenn Öle zur Herstellung streichfähiger Fette teilweise hydriert ("gehärtet") werden.3 Wesentliche Quellen für Transfettsäuren sind Pommes frites, Fertiggerichte sowie kommerziell hergestellte Back- und Süßwaren.3,4 Hierzulande besteht bislang keine Pflicht zur Deklaration des Transfettsäuregehaltes von Lebensmitteln.6

  1 LÖFFLER, G. et al. (Hrsg.): "Biochemie und Pathobiochemie", 8. überarb. Aufl. 2007; Seite 32-5 bzw. 418
  2 SCHERZ, H. et al.: "Die Zusammensetzung der Lebensmittel - Nährwert-Tabellen", 5. überarb. Auflage 1994, Seite 151-89
  3 Deutsche Gesellschaft für Ernährung: trans-Fettsäuren, 27. März 2007

http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=709
  4 Universität Hohenheim: Ernährungshinweise/
Fett https://www.uni-hohenheim.de/wwwin140/info/hinweise/naehrstoffe/fett.htm
  5 Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Fettsäuremuster von Süß- und Salzwasser fischen, DGE-Info 6/
2006; http://www.dge.de/pdf/dge_info/DGEinfo-BP-06-2006-Fettsaeurezusammensetzung-Fische.pdf
  6 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Sitzungsprotokoll vom 15. Dez. 2008
http://www.bfr.bund.de/cm/207/2_sitzung_der_bfr_kommi ssion_fuer_ernaehrung_diaetetische_produkte_neuartige_lebensmittel_und_allergien.pdf

Eine aktuelle Metaanalyse unter Einschluss der WHI-Studie findet in der Gesamtauswertung ebenfalls keinen mortalitätssenkenden Effekt einer fettarmen (RR 0,98; 95% CI 0,90-1,06) oder einer fettmodifizierten Diät (RR 0,88; 95% CI 0,76-1,02). Werden ausschließlich Studien betrachtet, in denen das Verhältnis von ungesättigten zu gesättigten Fettsäuren in der Diät zu Gunsten der ungesättigten verändert und außerdem eine signifikante Cholesterinsenkung erreicht wird, ergibt sich jedoch eine Minderung sowohl von koronaren Komplikationen und koronarer Sterblichkeit als auch der Gesamtsterblichkeit.19 Bei einer der in diese Auswertung aufgenommenen Studien, einer großen finnischen Studie mit Patienten in zwei psychiatrischen Krankenhäusern (Finnish Mental Hospital Study),9 die insbesondere das Ergebnis zur Gesamtsterblichkeit entscheidend beeinflusst, handelt es sich allerdings um eine Interventionsstudie ohne randomisierte Zuteilung. Die Auswertung bleibt daher unseres Erachtens ohne hinreichende Aussagekraft.

FISCHÖL: Fischöl enthält langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren, so genannte Omega-3-Fettsäuren (vgl. Kasten, Seite 20). Die im Vergleich zu US-Amerikanern und Dänen geringere koronare Sterblichkeit der Inuit in Grönland wird auf ihren hohen Konsum von Wal-, Robben- und Fischfett zurückgeführt.20

Fischöl beeinflusst vor allem den Triglyzeridspiegel. In randomisierten plazebokontrollierten Studien, in denen es als Supplement in mittlerer Tagesdosis von 3,25 g EPA/DHA*** eingenommen wird, senkt es den Triglyzeridspiegel bei Menschen mit leichter Hypertriglyzeridämie im Durchschnitt um etwa 14%. Auf das Gesamtcholesterin hat es keinen Einfluss. Der LDL-Spiegel wird sogar geringfügig gesteigert.21 Omega-3-Fettsäuren sollen das koronare Risiko außerdem durch antiarrhythmische und antithrombotische Effekte sowie durch günstigen Einfluss auf die Funktion der Endothelzellen mindern.6 In prospektiven Kohortenstudien findet sich nach einer systematischen Übersicht mäßige Evidenz für einen Zusammenhang zwischen verminderter koronarer Herzkrankheit und vermehrtem Konsum von Fisch (RR 0,81; 95% CI 0,70-0,92) bzw. marinen Omega-3-Fettsäuren (RR 0,86; 95% CI 0,75-0,97).16 Wie die Autoren eines Cochrane-Reviews von 2004 jedoch darlegen, sind in allen von ihnen ausgewerteten Kohortenstudien, in denen Daten zum sozioökonomischen Status oder zum Lebensstil mitgeteilt werden, die Teilnehmer mit höherem Konsum (oder höheren Blutspiegeln) von Omega-3-Fettsäuren besser gestellt, besser ausgebildet, stärker an Gesundheit interessiert, körperlich aktiver und seltener Raucher als die mit geringerer Zufuhr dieser Fettsäuren.22

*** DHA= Docosahexaensäure
EPA= Eicosapentaensäure

Von den randomisierten kontrollierten Studien zum Einfluss von Fischöl auf klinische kardiovaskuläre Endpunkte prüft die Mehrzahl Fischöl als Kapseln - streng genommen also keine Diät. Auch die beiden Studien mit diätetischer Beratung als Intervention (die DART****23- und die DART-2-Studie****24) sehen für Teilnehmer, die keinen Fisch mögen, ersatzweise Kapseln vor. In DART 2 wird zudem ein Teil der Patienten direkt zu Fischölkapseln randomisiert.24 Die Ergebnisse sind widersprüchlich. Am stärksten widersprechen sich dabei ausgerechnet die beiden ähnlich konzipierten DART-Studien. Während die 1989 publizierte DART-Studie23 und auch die zehn Jahre später erschienene GISSI-P-Studie (a-t 2003; 34: 54)25 eine signifikante Mortalitätssenkung unter vermehrtem Konsum von fettem Fisch bzw. Fischölkapseln beschreiben, ergibt sich in der 2003 publizierten DART-2-Studie24 ein Trend zu erhöhter Mortalität in der Prüfgruppe. In den beiden nach DART 2 veröffentlichten großen Studien zum Nutzen von Fischöl (JELIS**** und GISSI-HF****) wird die Sterblichkeit nur numerisch beeinflusst, im Sinne einer Steigerung (JELIS) bzw. Senkung (GISSI-HF).26,27

**** DART = Diet And Reinfarction Trial
DART 2 = Diet and Angina Randomized Trial
JELIS = Japan EPA lipid intervention study
GISSI-HF =Gruppo Italiano per lo Studio della Sopravvivenza nell' Infarto miocardio - Heart Failure

Eine aktuelle Metaanalyse findet bei Auswertung all dieser Studien sowie einiger kleinerer mit insgesamt mehr als 45.000 Teilnehmern keinen signifikanten Einfluss von Fischöl auf die Gesamtsterblichkeit (RR 0,95; 95% CI 0,87-1,03), die koronare Sterblichkeit (RR 0,88; 95% CI 0,76-1,01), tödliche Herzinfarkte (RR 0,92; 95% CI 0,65-1,29) oder plötzlichen Herztod (RR 1,02; 95% CI 0,78-1,33). Auch nichttödliche koronare Komplikationen wie nichttödliche Herzinfarkte bleiben unbeeinflusst.19 Von der Analyse ausgeschlossen wird eine 1997 veröffentlichte Positivstudie28 aus einem indischen Zentrum, die zusammen mit anderen Studien aus diesem Zentrum mittlerweile unter dringendem Verdacht des Wissenschaftsbetrugs steht.29 Die Metaanalyse bestätigt ein Cochrane-Review, das 2004 ebenfalls keinen klaren Nutzen von Omega-3-Fettsäuren zur kardiovaskulären Prävention ergab.5,30

Eine Kontroverse wird seit Jahren um die negative DART-2-Studie geführt. Die Cochrane-Autoren sind von vielen Seiten für die Berücksichtigung dieser Studie, die zugegebenermaßen methodische Mängel hat, kritisiert worden.31 Wird diese Studie ausgeschlossen, ergeben sich in der Auswertung im Hinblick auf die koronare (RR 0,81; 95% CI 0,71-0,92) und die Gesamtsterblichkeit (0,93; 95% CI 0,86-0,99) selbst dann signifikante Effekte, wenn - wie in der aktuellen Metaanalyse - die unter Betrugsverdacht stehende indische Studie unberücksichtigt bleibt.19 Die Ursachen für die widersprüchlichen Ergebnisse insbesondere zwischen den positiven Studien DART und GISSI-P auf der einen Seite und DART 2 auf der anderen Seite sind unklar.5 Wie die Autoren des Cochrane-Reviews ausführen, gibt es jedoch keine nachvollziehbaren methodischen Gründe, die DART-2-Studie auszuschließen, wenn man die ebenfalls mit Mängeln behafteten Studien DART und GISSI-P in eine Metaanalyse aufnimmt.22

MITTELMEERDIÄT: Die geringe Rate einer koronaren Herzkrankheit auf Kreta, in weiteren Teilen Griechenlands und im südlichen Italien Anfang der 1960er Jahre wurde nach den Ergebnissen der Seven-Countries-Studie mit der traditionellen Ernährung in diesen Regionen in Verbindung gebracht. Typische Elemente dieser so genannten Mittelmeerdiät sind ein reichhaltiges Angebot an Obst, Gemüse, Getreide, Nüssen und Hülsenfrüchten, Olivenöl als wichtigster Fettlieferant, geringer bis mäßiger Konsum von Milchprodukten, hauptsächlich Käse und Jogurt, sowie von Fisch und Geflügel, seltene Mahlzeiten mit so genanntem roten Fleisch und mäßiger Weingenuss.32,33 Nach einer systematischen Übersicht findet sich in prospektiven Kohortenstudien eine deutliche und konsistente Minderung koronarer Komplikationen unter einer Ernährung, wie sie für die Mittelmeerdiät typisch ist (RR 0,63; 95% CI 0,53-0,72).16

Sieht man von einer unter Betrugsverdacht stehenden Studie34-36 aus dem oben erwähnten indischen Zentrum ab, ist der klinische Nutzen einer Kost, die der so genannten Mittelmeerdiät nachempfunden ist, unseres Wissens bislang nur in einer randomisierten kontrollierten Studie (Lyon Diet-Heart37) im Vergleich mit üblicher Kost geprüft worden. 605 Patienten nach überstandenem Herzinfarkt nehmen daran teil. Olivenöl als einziges Fett wird hier jedoch weitgehend durch eine spezielle industriell gefertigte Margarine ersetzt, die die Teilnehmer der Prüfgruppe kostenlos erhalten und deren Hersteller an der Finanzierung der Studie beteiligt ist.37

Einen Einfluss auf den Cholesterinwert hat die Diät nicht. Das relative Risiko für den primären Endpunkt, Reinfarkt oder Tod aus kardiovaskulärer Ursache, sinkt in der Prüfgruppe innerhalb von 2,3 Jahren aber um mehr als 70% (2,6% vs. 10,9%; HR 0,27; 95% CI 0,12-0,59). Auch die Gesamtsterblichkeit wird deutlich vermindert (2,6% vs. 6,6%; HR 0,30; 95% CI 0,11-0,82).37

Die Glaubwürdigkeit dieser Ergebnisse steht allerdings infrage: Die Intervention bestand neben der Margarine aus einer einzigen einstündigen Beratung, die nur bei den Nachbeobachtungsterminen nach acht Wochen und dann jährlich aufgefrischt wurde. Dass auf dieser Basis ein so großer, per se schon wenig plausibler Nutzen erzielt werden konnte, erachten wir als wenig wahrscheinlich. Die Studie wurde zudem auf der Basis einer ungeplanten Zwischenanalyse vorzeitig abgebrochen (vgl. a-t 2005; 36: 107-8). Das Ergebnis ist unseres Erachtens am ehesten als zufällige Schwankung im Frühstadium einer kleinen Studie zu interpretieren. Solange eine Bestätigung durch eine ausreichend große, valide Studie aussteht, ist ein Nutzen der Mittelmeerdiät nicht hinreichend belegt.

LEITLINIEN: Die amerikanische Herzgesellschaft (AHA) empfiehlt zur kardiovaskulären Prävention eine Diät, in der unter anderem die gesättigten Fette auf unter 7% und die Transfettsäuren auf unter 1% der Energiezufuhr beschränkt werden sollen. Die Zufuhr von Nahrungscholesterin soll weniger als 300 mg pro Tag betragen. Erreicht werden soll dieses Ziel durch Konsum von magerem Fleisch und vegetarischen Alternativen sowie von fettfreien und fettarmen Milchprodukten und durch Minimierung der Zufuhr von teilgehärteten Fetten (siehe Kasten, Seite 20). Außerdem werden mindestens zwei Portionen Fisch pro Woche empfohlen.38

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung stuft 2006 in einer Leitlinie nur die Evidenz für die Schädlichkeit von Transfettsäuren sowie die für den Nutzen von langkettigen (= marinen) Omega-3-Fettsäuren im Hinblick auf die koronare Herzkrankheit als überzeugend ein. Unberücksichtigt bleiben hier jedoch die später publizierten GISSI-HF- und JELIS-Studien zu Omega-3-Fettsäuren. Dennoch werden klare Empfehlungen abgegeben: Fettzufuhr insgesamt 30% bis 35%, gesättigte bzw. mehrfach ungesättigte Fettsäuren jeweils 7% bis 10%, Transfettsäuren unter 1% der Energie, Nahrungscholesterin etwa 300 mg/Tag, ein- bis zweimal wöchentlich Fisch.39

∎  Durch intensive Interventionen und rigorose Diäten mit deutlich reduzierten gesättigten Fetten und vermehrten ungesättigten Fetten sind in randomisierten Langzeitstudien Cholesterinspiegelsenkungen von 11% bis 14% erzielt worden. Die Übertragbarkeit dieser Jahrzehnte alten, zum Teil in Heimen durchgeführten Studien auf die heutige Praxis der Diätberatung ist fraglich.

∎  In einem Cochrane-Review, das Studien zu solchen fettmodifizierten Diäten oder zu fettarmer Diät auswertet, ist eine Minderung kardiovaskulärer Komplikationen durch die Diät beschrieben, wobei eine Negativstudie mangels Daten und die erst später publizierte WHI-Dietary-Modification-Studie unberücksichtigt bleiben.

∎  Ein lebensverlängernder Effekt ist nicht belegt.

∎  Eine fettarme Diät hat nach den Daten der großen WHI-Studie weder auf koronare Komplikationen noch auf die Sterblichkeit einen Effekt.

∎  Für die hauptsächlich bei der Lebensmittelverarbeitung entstehenden Transfettsäuren ergeben sich aus Kurzzeit- und Beobachtungsstudien konsistente Hinweise auf ungünstige Wirkungen.

∎  Langzeitinterventionsstudien zu fischreicher Ernährung bzw. Fischölkapseln kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Gründe dafür sind unklar. In der Gesamtschau ist ein klinischer Nutzen nicht hinreichend belegt.

∎  Zur "Mittelmeerdiät" finden wir neben einer unter Betrugsverdacht stehenden indischen Arbeit nur eine weitere Studie, deren Aussagekraft jedoch ebenfalls zweifelhaft erscheint. Die positiven Ergebnisse bedürfen der Bestätigung.

∎  Unseres Erachtens reicht die Evidenz derzeit nicht aus, um eine Empfehlung zur kardiovaskulären Prävention mittels fettarmer oder fettmodifizierter Diät zu begründen. Vorsichtshalber sollten aber Lebensmittel mit hohem Gehalt an Transfettsäuren möglichst gemieden werden.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
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© 2010 arznei-telegramm, publiziert am 12. Februar 2010

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