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DPP-4-HEMMER NR. 3:SAXAGLIPTIN (ONGLYZA)

Mit Saxagliptin (ONGLYZA) ist seit Anfang November der dritte Dipeptidylpeptidase (DPP)-4-Hemmer zur Therapie des Typ-2-Diabetes im Handel. Wie Vildagliptin (GALVUS, JALRA; a-t 2008; 39: 66-7) ist Saxagliptin nur als Zusatz zu Metformin (GLUCOPHAGE, Generika), Sulfonylharnstoff oder Glitazon zugelassen, wenn die Monotherapie mit einem dieser Antidiabetika nicht ausreicht.1 Sitagliptin (JANUVIA, XELEVIA; a-t 2007; 38: 56-7) ist inzwischen auch zur Monotherapie zugelassen.2

EIGENSCHAFTEN: Durch Hemmung der DPP-4 erhöhen sich die Spiegel des Inkretinhormons Glucagon-like Peptid (GLP) 1, das glukoseabhängig die Insulinsekretion fördert und die Glukagonsekretion blockiert. GLP 1 wird normalerweise sehr rasch von der DPP-4 abgebaut und hat dann nur eine Halbwertszeit von wenigen Minuten.3

DPP-4 ist ein komplexes Enzym, das auf der Oberfläche vieler Zelltypen und im Plasma gefunden wird und dessen physiologische Funktionen noch weitgehend unbekannt sind. Neben seiner Rolle im Glukosestoffwechsel hat es als Marker "CD26" auf Lymphozytenoberflächen eine regulierende Funktion im Immunsystem.3,4

KLINISCHE WIRKSAMKEIT: Sechs randomisierte kontrollierte Phase-III-Studien, von denen fünf vollständig veröffentlicht sind,7-11 liegen der Zulassung zu Grunde.5 In zwei von fünf plazebokontrollierten Studien wird die Monotherapie mit Saxagliptin geprüft, in den drei anderen der Zusatz von Saxagliptin zu Metformin (GLUCOPHAGE, Generika), Glibenclamid (EUGLUCON N, Generika) bzw. Glitazon. In der sechsten Studie wird die Kombination aus Saxagliptin plus Metformin mit Metformin bzw. Saxagliptin allein verglichen. Wie aufgrund der Erfahrungen mit anderen Gliptinen zu erwarten, ist die blutzuckersenkende Wirksamkeit von Saxagliptin begrenzt: Gegenüber Plazebo mindert es das HbA1c in 24 Wochen allein oder als Add-on um durchschnittlich 0,4% bis 0,8%.5,6 Langzeitinterventionsstudien mit klinischen Endpunkten fehlen.

UNERWÜNSCHTE WIRKUNGEN: Das Hypoglykämierisiko ist bei Monotherapie (5,6% versus 4,1% unter Plazebo*) und Kombination mit Metformin (5,2% vs. 5,0%*) oder Glitazonen (2,7% vs. 3,8%*) gering und scheint am stärksten bei Kombination mit einem Sulfonylharnstoff zuzunehmen (14,6% vs. 10,1% unter Sulfonylharnstoff allein*).12 Auf das Körpergewicht hat Saxagliptin keinen Effekt.5,13

* Angaben mit * beziehen sich auf den 24-Wochen-Zeitraum der Phase-III-Studien, alle anderen Häufigkeitsangaben zu Störwirkungen auf die gesamte Dauer einschließlich der Verlängerungsphase um mindestens 12 Monate, in der die doppelblinde Therapie dieser Studien fortgeführt wurde. Grund für die unterschiedliche Basis ist, dass die Daten zum Teil nicht anders vorliegen.

Aufgrund der immunologischen Funktion der von Saxagliptin gehemmten DPP-4 liegt ein besonderes Augenmerk auf möglichen entzündlichen Reaktionen und Infektionen unter dem Mittel. Anders als unter Sitagliptin, das in Zulassungsstudien mit erhöhter Infektionsrate einhergeht (a-t 2007; 38: 56-7), unterscheidet sich die Infektionshäufigkeit unter Saxagliptin insgesamt nicht von der unter Plazebo (50% vs. 49%). Auffällig ist jedoch eine Zunahme von Lymphopenien (1,6% vs. 0,7%). Auch Hypersensitivitätsreaktionen einschließlich Urtikaria und Angioödem sind unter Saxagliptin häufiger als unter Plazebo (2,4% vs. 0,6%). Hautausschlag nimmt unter dem Gliptin ebenfalls zu (3,8% vs. 2,2%). Bei Kombination mit Glitazonen kommen periphere Ödeme häufiger vor (8,1% vs. 4,3%*). Schwerwiegende Reaktionen wie STEVENS-JOHNSON-Syndrom, die inzwischen unter Sitagliptin beschrieben sind (a-t 2009; 40: 91), werden in den Zulassungsstudien zu Saxagliptin nicht beobachtet. Auch für die bei Affen unter Hochdosierungen aufgetretenen nekrotisierenden Hautschäden findet sich in klinischen Studien keine Entsprechung. Auffällig ist eine Zunahme von Knochenbrüchen (1,2% vs. 0,6%) unter Saxagliptin (2,5 mg bis 10 mg). Eine Erklärung für diesen Befund gibt es derzeit nicht.6,12

KOSTEN: Saxagliptin (ONGLYZA) wird mit monatlich 56 € für täglich 5 mg etwa 5% günstiger angeboten als Sitagliptin, der erste Vertreter der DPP-4-Hemmer (JANUVIA, monatlich 59 € für täglich 100 mg). Gleichzeitig verteuert Saxagliptin die Diabetestherapie um etwa das Achtfache, wenn es zu einem günstigen Metformingenerikum addiert wird (z.B. METFORMIN STADA; monatlich 7 € für täglich 1.700 mg).

∎  Der neu eingeführte Dipeptidylpeptidase-4-Hemmer Saxagliptin (ONGLYZA) mindert in plazebokontrollierten Studien allein (nicht zugelassene Indikation) oder als Zusatz das HbA1c geringfügig um 0,4% bis 0,8%.

∎  Das Hypoglykämierisiko unter Saxagliptin ist gering, kann bei Kombination mit Sulfonylharnstoffen aber zunehmen.

∎  Auf das Körpergewicht hat Saxagliptin keinen Einfluss.

∎  Die von Saxagliptin gehemmte DPP-4 hat eine Funktion im Immunsystem. Welche Folgen die Hemmung langfristig haben kann, ist nicht geklärt. Unter den unerwünschten Effekten nach Kurzzeitanwendung fallen beispielsweise Lymphopenien und Hypersensitivitätsreaktionen auf.

∎  Saxagliptin steigert möglicherweise das Knochenbruchrisiko.

∎  Der Einfluss von Saxagliptin auf Folgeerkrankungen des Diabetes ist unklar.

∎  Wir sehen beim derzeitigen Kenntnisstand keine Indikation für das Mittel.

  (R = randomisierte Studie, M = Metaanalyse)
 1AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb: Fachinformation ONGLYZA, Stand Okt. 2009
 2MSD: Fachinformation JANUVIA, Stand Aug. 2009
M3RICHTER, B. et al.: Vasc. Health Risk Manag. 2008; 4: 753-68
 4MATTEUCCI, E., GIAMPIETRO, O.: Curr. Med. Chem. 2009; 16: 2943-51
 5EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) ONGLYZA, Stand Okt. 2009 http://www.emea.europa.eu/humandocs/Humans/EPAR/onglyza/onglyza.htm
 6PARKS, M.H. (FDA): Summary Review Saxagliptin, Juli 2009; http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/nda/2009/022350s000_SumR.pdf
R7DEFRONZO, R.A. et al.: Diabetes Care 2009; 32: 1649-55
R8JADZINSKY, M. et al.: Diabetes Obes. Metab. 2009; 11: 611-22
R9CHACRA, A.R. et al.: Int. J. Clin. Pract. 2009; 63: 1395-406
R10ROSENSTOCK, J. et al.: Curr. Med. Res. Opin. 2009; 25: 2401-11
R11TEXT
 12HOLLANDER, P. et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 2009; online publ. am 28. Okt. 2009
 12JOFFE, H.V. (FDA): Cross Discipline Team Leader Review Saxagliptin, Juli 2009; http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/nda/2009/022350s000_CrossR.pdf

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 4. Dezember 2009

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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