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Therapiekritik

STATINE BEI HERZINSUFFIZIENZ?

Die koronare Herzkrankheit, die wichtigste Indikation für eine Behandlung mit Statinen, ist gleichzeitig die häufigste Ursache für eine Herzinsuffizienz. Ein Nutzen von CSE-Hemmern in letzterer Indikation ist jedoch nicht gesichert. Von den plazebokontrollierten Endpunktstudien zur Sekundärprävention atherosklerotischer Erkrankungen mit Statinen1-5 waren Patienten mit Herzinsuffizienz, zumindest mit schweren Formen, bislang ausgeschlossen (s. Tab. S. 19).6-9 Angaben zur Häufigkeit einer symptomatischen Herzinsuffizienz bei Studienbeginn finden wir nur in der CARE*-Studie (4%).2 In der HPS*, die die wenigsten Herzinsuffizienzpatienten ausschließt, wurde die Diagnose bei Studienbeginn nicht erfasst.10 Eine entsprechende Subgruppenanalyse finden wir ebenfalls nur in CARE. Diese bezieht sich zudem nur auf die linksventrikuläre Funktionseinschränkung (Auswurffraktion 40%), nicht auf die symptomatische Herzinsuffizienz. Betroffene Patienten (17% der Teilnehmer) profitieren danach von Pravastatin (PRAVASIN, Generika) im Hinblick auf koronare Komplikationen ebenso wie Patienten mit Auswurffraktion über 40%.2

* 4S = Scandinavian Simvastatin Survival Study;
CARE = Cholesterol and Recurrent Events;
HPS = Heart Protection Study;
LIPID = Long-Term Intervention with Pravastatin in Ischemic Disease

Ein Grund zum Absetzen der Prüfmedikation scheint die Entwicklung einer Herzinsuffizienz im Verlauf dieser Studien allerdings nicht gewesen zu sein. In einer nachträglichen Analyse der 4-S-Studie scheint das Auftreten einer Herzinsuffizienz im Verumarm vermindert zu sein (8,3% vs. 10,3%), eine nichtsignifikante Reduktion von Krankenhauseinweisungen oder Tod wegen Herzinsuffizienz findet sich auch in einer Post-hoc-Analyse der HPS (3,4% vs. 3,9%).10,11

2007 und 2008 wurden erstmals zwei Endpunktstudien zur Statintherapie bei Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA II bis IV) publiziert.12,13 Verwendet wird allerdings in beiden Studien das in der Sekundärprävention bislang ungeprüfte Rosuvastatin (CRESTOR, siehe auch Seite 17). An der CORONA**-Studie nehmen 5.011 im Mittel 73 Jahre alte Patienten mit ischämisch bedingter systolischer Herzinsuffizienz teil. Zu den Ausschlusskriterien gehört die Notwendigkeit einer cholesterinsenkenden Therapie nach Einschätzung des Studienarztes. Wie viele Patienten, von denen 60% einen Herzinfarkt in der Vorgeschichte haben, mit Statinen vorbehandelt sind, wird nicht mitgeteilt. Trotz LDL-Senkung um 45% im Vergleich zu Plazebo haben täglich 10 mg Rosuvastatin in 2,7 Jahren keinen signifikanten Einfluss auf den primären Endpunkt, eine Kombination aus Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulär bedingtem Tod (11,4% versus 12,3%; Hazard Ratio [HR] 0,92; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,83-1,02), auf seine Einzelkomponenten oder die Gesamtsterblichkeit (11,6% vs. 12,2%; HR 0,95; 95% CI 0,86-1,05). Auch die NYHA-Klasse wird nicht beeinflusst. Ein nominell signifikanter Effekt ergibt sich im Hinblick auf die Rate der Patienten, die aus kardiovaskulärer Ursache ins Krankenhaus eingewiesen werden (22,9% vs. 25%; HR 0,92; 95% CI 0,85-0,99; p = 0,04).12

** CORONA = Controlled Rosuvastatin Multinational Trial in Heart Failure

An der GISSI-HF***-Studie nehmen 4.631 durchschnittlich 68 Jahre alte Patienten mit ischämisch (40%) und nichtischämisch bedingter symptomatischer Herzinsuffizienz mit oder ohne linksventrikuläre Funktionseinschränkung teil. Vorbehandlung mit Statinen ist Ausschlusskriterium.14 Auch hier hat Rosuvastatin (10 mg pro Tag) keinen Effekt, auch nicht bei Patienten mit ischämisch verursachter Herzinsuffizienz (Gesamtsterblichkeit in 3,9 Jahren 29% vs. 28%; HR 1,03; 95% CI 0,92-1,15; Herzinfarkt 2,7% vs. 3,1%; HR 0,88; 95% CI 0,63-1,24; Schlaganfall 3,6% vs. 2,9%; HR 1,25; 95% CI 0,91-1,73; Krankenhauseinweisungen jeweils 56%).13

*** GISSI-HF = Gruppo Italiano per lo Studio della Sopravvivenza nell' Insuffizienza cardiaca

Die Mehrzahl der internationalen Leitlinien zur Herzinsuffizienz ist vor der Publikation der beiden Studien entstanden.15-20 Viele geben keine Empfehlung zur Statintherapie, gehen zum Teil aber offensichtlich davon aus, dass zumindest ein Teil der Betroffenen ein Statin einnimmt.18 Das britische NICE**** hat 2003 - bei Verweis auf die laufenden Studien zum Thema - ein Statin für Herzinsuffizienzpatienten nur bei gleichzeitig bestehenden etablierten Indikationen empfohlen.15 Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie, die in ihrer Leitlinie von 2008 die CORONA-Studie bereits berücksichtigt, empfiehlt auf dieser Basis, bei älteren Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz und systolischer Dysfunktion aufgrund einer koronaren Herzkrankheit eine Statintherapie zur Minderung von Krankenhauseinweisungen in Betracht zu ziehen.20

**** NICE = National Institute for Health and Clinical Excellence

Es muss derzeit offen bleiben, ob die negativen Ergebnisse der CORONA- und GISSI-HF-Studien als Klasseneffekt der Statine bei Herzinsuffizienz zu interpretieren sind, in dem Sinne, dass die Minderung vaskulärer Komplikationen durch die Mittel den Krankheitsverlauf bei diesen Patienten nicht mehr entscheidend beeinflusst, oder ob sie einem spezifischen Wirkprofil von Rosuvastatin zuzuschreiben sind. Uns scheint beim jetzigen Kenntnisstand folgendes Vorgehen sinnvoll:

Wenn ein Patient, der wegen koronarer Herzkrankheit oder anderer etablierter Indikationen ein Statin einnimmt, eine symptomatische Herzinsuffizienz entwickelt, sollte das Statin nicht abgesetzt werden. Die Auswirkungen eines Statinentzugs bei Herzinsuffizienz sind nicht bekannt. In Akutsituationen wie beim akuten Koronarsyndrom könnte das Absetzen gefährlich sein.21,22 Das Vorgehen lässt sich zudem mit den bisherigen Sekundärpräventionsstudien vereinbaren.

Für eine Neueinstellung auf ein Statin wegen nichtischämisch bedingter Herzinsuffizienz sehen wir keine Indikation. Auch bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz ischämischer Ursache sollte auf Neuverordnung eines Statins verzichtet werden.

  (R = randomisierte Studie)
R1Scandinavian Simvastatin Survival Study Group: Lancet 1994; 344: 1383-9
R2SACKS, F.M. et al.: N. Engl. J. Med. 1996; 335: 1001-9T
R3The LIPID Study Group: N. Engl. J. Med. 1998; 339: 1349-57
R4SERRUYS, P.W.J.C. et al.: JAMA 2002; 287: 3215-22
R5Heart Protection Study Collaborative Group: Lancet 2002; 360: 7-22
 6The 4-S-Study Group: Am. J. Cardiol. 1993; 71: 393-400
 7SACKS, F.M. et al.: Am. J. Cardiol. 1991; 68: 1436-46
 8The LIPID Study Group: Am. J. Cardiol. 1995; 76: 474-9
 9Heart Protection Study: Protocol, Section 3; http://www.ctsu.ox.ac.uk/~hps/protocol/cover.shtml
 10Heart Protection Study Collaborative Group: J. Am. Coll. Cardiol. 2007; 49: 311-9
 11KJEKSHUS, J. et al.: J. Cardiac Fail. 1997; 3: 249-54
R12KJEKSHUS, J. et al.: N. Engl. J. Med. 2007; 357: 2248-61
R13GISSI-HF Investigators: Lancet 2008; 372: 1231-9
 14TAVAZZI, L. et al.: Eur. J. Heart Fail. 2004; 6: 635-41
 15NICE Guideline: Chronic Heart Failure, 2003 http://www.nice.org.uk/nicemedia/pdf/Full_HF_Guideline.pdf
 16ACC/AHA: Circulation 2005; 112: E153-E235
 17National Heart Foundation of Australia: Guidelines for the Prevention, Detection and Management of Chronic Heart Failure in Australia, 2006 http://www.heartfoundation.org.au/SiteCollectionDocuments/CHF% 202006%20Guidelines%20NHFA-CSANZ%20WEB.pdf
 18Scottish Intercollegiate Guidelines Network: Management of Chronic Heart Failure, Febr. 2007; http://www.sign.ac.uk/pdf/sign95.pdf
 19Institute for Clinical System Improvement: Health Care Guideline: Heart Failure in Adults, August 2007 http://www.icsi.org/heart_failure_2/heart_failure_in_adults_.html
 20European Society of Cardiology: Eur. Heart J. 2008; 29: 2388-442
 21LAUFS, U. et al.: Heart 2008; 94: 1138-40
 22ENDRES, M., LAUFS, U.: Stroke 2006; 37: 2640-3

© 2009 arznei-telegramm, publiziert am 13. Februar 2009

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