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Therapiekritik

MUMPS TROTZ IMPFUNG

Mumps ist eine sehr ansteckende Virusinfektion des Kindesalters, die typischerweise mit einer Entzündung der Speicheldrüsen und Fieber einhergeht. Etwa jede dritte Infektion verläuft subklinisch. Komplikationen sind selten und äußern sich unter anderem als Meningitis, Innenohrschwerhörigkeit sowie, vor allem nach der Pubertät, Orchitis, die zu Sterilität führen kann, Epididymitis, Oophoritis, Mastitis, Pankreatitis u.a. Mit zunehmendem Lebensalter werden schwere Verlaufsformen häufiger.1 Seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre wird in vielen europäischen Ländern und in den USA die Impfung gegen Mumps empfohlen, zunächst meist mit einer Dosis, ab Mitte der 1980er Jahre (in Deutschland seit 1991) als zweimalige Impfung. In der Regel wird gleichzeitig gegen Masern, Röteln (PRIORIX u.a.) und ggf. Windpocken (PRIORIX TETRA) immunisiert. Einzelimpfstoffe gegen Mumps sind hierzulande nicht mehr im Handel.

Ging man früher davon aus, dass die Impfung gegen Mumps, ebenso wie die natürlich erworbene Infektion mit dem Virus, lebenslangen Schutz hinterlässt, mehren sich inzwischen Hinweise, dass in beiden Fällen die Empfänglichkeit umso mehr zunimmt, je länger die letzte Exposition gegenüber dem Mumpsvirus zurückliegt.2 Ausbrüche der Erkrankung wurden in den vergangenen Jahren aus mehreren europäischen Ländern mit unterschiedlichen Durchimpfungsraten berichtet. Dabei wird deutlich, dass sich das Erkrankungsalter mit zunehmender Impfrate nach hinten verschiebt. Bei einer Erkrankungswelle in Schweden, wo seit mehr als 20 Jahren Durchimpfungsraten von über 90% erreicht werden, lag es beispielsweise im Median bei 43 Jahren. 25 der 31 befragten Patienten waren mindestens 24 Jahre alt. 20 Personen, alle zwischen 34 und 88 Jahre alt und ungeimpft, gaben an, bereits früher an Mumps erkrankt zu sein.3 Betroffen sind zudem nicht nur Ungeimpfte oder Personen, die nur einmal gegen Mumps geimpft wurden: Bei Erkrankungswellen in den Niederlanden und Österreich waren 9% bzw. 11% der jeweils untersuchten Subgruppe zweimal geimpft, bei einem großen Ausbruch in England 31%.4-6 Bei der Analyse dieses Ausbruchs wird für die Mumpsvakzine nach zwei Dosierungen bei 5- bis 6-Jährigen eine Wirksamkeit von 99% (95% Konfidenzintervall [CI] 97%-99,5%) errechnet. Bei den 11- bis 12-Jährigen beträgt sie nur noch 86% (95% CI 74%-93%).6

In den USA kam es 2006 zum bislang größten Ausbruch seit zwei Jahrzehnten. Der Altersgipfel lag in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen, überwiegend Collegestudenten. 63% der Erkrankten insgesamt und 84% der 18- bis 24-Jährigen hatten zwei Dosierungen der Mumpsvakzine erhalten. 5% der Betroffenen erlitten Komplikationen, darunter signifikant mehr Männer und ältere Personen. Von den mindestens 12-Jährigen erkrankten 10% der Jungen und Männer an Orchitis und 2% der Mädchen und Frauen an Oophoritis oder Mastitis.7 Studien sollen nun prüfen, ob die Verabreichung der zweiten Dosis der MMR-Vakzine zu einem späteren Zeitpunkt (empfohlen ist sie in den USA derzeit mit 4 bis 6 Jahren, während der Impfplan der STIKO ein Alter von 15 bis 23 Monaten favorisiert) oder die Einführung einer dritten Dosis einen länger andauernden Schutz bieten.7

Hierzulande soll es alle paar Jahre zu Erkrankungswellen kommen.1 Mumps ist nach dem Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig, und die bestehende "schlechte Datenlage ... lässt eine Einschätzung der aktuellen epidemiologischen Situation nur sehr beschränkt zu".8 Auch Hinweise auf regionale Häufungen sind den übermittelten Daten nicht zu entnehmen.8 Die WHO empfiehlt, dass Länder, in denen routinemäßig gegen Mumps geimpft wird, eine Meldepflicht einführen und Erkrankungen hinsichtlich Alter der Betroffenen, Impfstatus und geographischer Verteilung überwachen.9 Davon sind wir in Deutschland weit entfernt, -Red.

 1Robert Koch-Institut: Ratgeber Infektionskrankheiten - Merkblätter für Ärzte "Mumps"; Stand Aug. 2006
 2KAAIJK, P. et al.: Euro Surveill. 2008; 13 (26); http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=18914
 3SARTORIUS, B. et al.: Euro. Surveill. 2005; 10 (9) http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=559
 4KARAGIANNIS, I. et al.: Euro Surveill. 2008; 13 (24) http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=18901
 5SCHMID, D. et al.: Euro Surveill. 2008; 13 (7) http://www.eurosurveillance.org/ViewArticle.aspx?ArticleId=8042
 6COHEN, C. et al.: Emerg. Infect. Dis. 2007; 13: 12-7
 7DAYAN, G.H. et al.: N. Engl. J. Med. 2008; 358: 1580-9
 8Epid. Bull. 2004; Nr. 35: 290-1
 9WHO: Weekly Epid. Record 2007; 82: 51-60

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 1. August 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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