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Korrespondenz

RABATTVERTRÄGE: TEURE PRÄPARATE UND ZUZAHLUNGSZWANG FÜR PATIENTEN

Kürzlich legte mir ein Kunde, Versicherter der AOK Niedersachsen, ein Rezept über die Olmesartan-Hydrochlorothiazid-Kombination VOTUM PLUS 20/25 mg (98 Tabletten: 76,53 €) vor, die wegen ihres geringen Preises zuzahlungsfrei ist. Aufgrund eines Rabattvertrages der Kasse musste ich dieses Präparat jedoch gegen OLMETEC PLUS 20/25 mg (98 Tabletten: 106,83 €) austauschen, und der Patient musste 10 € zuzahlen. Das führt mich zu drei Fragen:

1. Darf es sein, dass der Versicherte zu Gunsten der Krankenkasse gezwungen wird, eine Zuzahlung zu entrichten?

2. Erhält die Krankenkasse tatsächlich mehr als 30 € Rabatt, damit das abzugebende Rabattarzneimittel für sie preiswerter ist als das verordnete Arzneimittel?

3. Oder reichen der Kasse 20 € Rabatt, weil die Zuzahlung des Versicherten mit eingerechnet werden kann? Dann würde der Versicherte ein Drittel des Rabattes, den die Krankenkasse für einen Preisvorteil mindestens erhalten müsste, selbst zahlen!

W. WASSMUS (Apotheker)
D-26603 Aurich
Interessenkonflikt: keiner

Auf unsere Nachfrage kommentiert die AOK Niedersachsen: "...Die Firma Sankyo hatte ihre Preise nicht angepasst. Nach Bekanntwerden haben wir sofort reagiert und den Vertrag zum 30. Juni 2008 ... gekündigt."1 Wieso die Kasse die drastische Preiserhöhung der Firma - bis zum 31. März 2008 kostete OLMETEC PLUS wie VOTUM PLUS 77 € - als ,fehlende Anpassung' bezeichnet, bleibt offen. Auf unsere Frage, inwieweit ein Hersteller bei bestehendem Rabattvertrag überhaupt die Preise ändern darf, verweist die AOK auf ihre Geheimhaltungspflicht hinsichtlich der Vertragsdetails.2 Auch wenn der Vertrag mit Sankyo inzwischen beendet wurde, mussten die Versicherten drei Monate lang 10 € zuzahlen, obwohl mehrere zuzahlungsfreie Alternativen im Handel sind.

Zu überflüssigen finanziellen Belastungen der Patienten können Rabattverträge auch aus anderen Gründen führen: So hat die Gmünder Ersatzkasse (GEK) beispielsweise mit Ratiopharm eine Vereinbarung für die zuzahlungsfreie Tilidin-Naloxon-Kombination TILIDIN-RATIOPHARM PLUS 150/12 mg (100 Tabletten: 70,39 €) abgeschlossen. Ein weiterer Rabattvertrag besteht mit der Firma ct, die ihr Präparat TILNALOX-CT 150/12 mg bis zum 30. Juni knapp unter dem Festbetrag (99%; 100 Tabletten: 95,18 €*) angeboten hat, sodass die Versicherten 10% (9,52 €) zuzahlen mussten. Im Juni 2008 erschien in verschiedenen Apotheken-Softwareprogrammen bei Eingabe von TILIDIN-RATIOPHARM PLUS 150/12 mg der Hinweis, dass wegen eines Rabattvertrages stattdessen TILNALOX-CT 150/12 mg abzugeben ist.

Bis zum 31. März 2008 sollte das Bundesministerium für Gesundheit über die Höhe der durch die Rabattverträge erzielten Einsparungen berichten.3 Da bislang aber nur einzelne Kassen Angaben dazu gemacht haben, wie viel ihnen die Verhandlungen mit den Herstellern gebracht haben, bleibt die Datenlage weiterhin nebulös. Angesichts des von den Bundesverbänden von AOK und IKK für 2007 genannten Einsparvolumens von 65 Mio. € bzw. 5,7 Mio. € dürften die von einem kritischen Experten als Maximum geschätzten 300 Mio.€ nicht zu erzielen sein (a-t 2008; 39: 1-3). Und auch für 2008 werden nach einer Umfrage bei den Kassen lediglich 310 Mio. (?Einsparungen prognostiziert. Ursprünglich wollte allein die AOK bundesweit bis zu 1 Milliarde € sparen.4

Seit dem 1. Juli 2008 sind die Kassen gesetzlich verpflichtet, Einsparungen durch Rabattverträge gesondert auszuweisen. Inwieweit dabei die Kosten, die für Abschluss und Abwicklung solcher Verträge anfallen, berücksichtigt werden, bleibt offen, ebenso, wie die Zahlen ermittelt werden: Berechnet beispielsweise die AOK Bayern, die einen Rabattvertrag mit der Firma Lilly über das Olanzapin-Original ZYPREXA abgeschlossen hat (a-t 2008; 39: 21, 43), die Differenz zwischen ihren Aufwendungen und dem Listenpreis von ZYPREXA oder wird - korrekter, aber leider eher unwahrscheinlich - als Bezugsgröße der Preis des preiswertesten Generikums zugrunde gelegt?

Selbst wenn demnächst also Zahlen zum Einsparvolumen vorliegen sollten, ist deren Aussagekraft unseres Erachtens gering. Es bleibt dabei: Rabattverträge schaffen Intransparenz, sind anfällig für Korruption und bergen die Gefahr, dass Monopolstrukturen entstehen, da gerade die kleinen preisgünstigen Generikaanbieter langfristig auf der Strecke bleiben könnten, -Red.

 1AOK Niedersachsen: E-Mail vom 17. Juni 2008
 2AOK Niedersachsen: E-Mail vom 24. Juni 2008
 3DENDA, R.: Pharm. Ztg. 2008; 153: 1191
 4RÜCKER, D.: Pharm. Ztg. 2008; 153: 2008

 *Ab 1. Juli 2008 ebenfalls 70,39 €.

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 4. Juli 2008

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