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STIRIPENTOL (DIACOMIT) BEI SCHWERER MYOKLONISCHER EPILEPSIE DES KINDES

Das DRAVET-Syndrom, eine seltene schwere myoklonische Epilepsie des Kindesalters, beginnt meist während eines Fiebers im ersten Lebensjahr. Klonische oder tonisch-klonische, oft lang anhaltende einseitige oder generalisierte Anfälle stehen dabei im Vordergrund. Später kommen myoklonische Anfälle und Absencen sowie ab dem zweiten Lebensjahr zunehmende geistige Retardierung und neurologische Einschränkungen wie Ataxie hinzu.1,2

Seit Januar 2008 können Kinder mit diesem prognostisch ungünstigen und häufig therapieresistenten Syndrom zusätzlich mit Stiripentol (DIACOMIT) behandelt werden, wenn Valproat (ORFIRIL, Generika) und Clobazam (FRISIUM) allein nicht ausreichend wirken.

Der Wirkmechanismus des neuen Antiepileptikums beruht möglicherweise hauptsächlich darauf, dass es mehrere Zytochrom-P450-Isoenzyme der Leber und somit den Abbau von Antiepileptika wie Clobazam hemmt.1 Dosisanpassungen der Komedikation sind daher notwendig. Stiripentol soll außerdem barbituratähnlich die zentrale Wirkung des inhibitorischen Neurotransmitters Gammaaminobuttersäure fördern.3

Zwei kurze plazebokontrollierte Zulassungsstudien,1,4 von denen nur eine veröffentlicht ist, schließen lediglich 65 3- bis 18-jährige Kinder und Jugendliche mit DRAVET-Syndrom ein. Unter Stiripentol sind klonische oder tonisch-klonische Anfälle im zweiten Monat bei 71%4 bzw. 67%1, unter Plazebo bei 5%4 bzw. 9%1 der Patienten um mindestens die Hälfte verringert (primärer Endpunkt). In einer dreijährigen Nachbeobachtung, in die unter anderem 45 Kinder mit DRAVET-Syndrom einbezogen sind, fällt Wirkverlust bei etwa jedem zehnten Kind auf. Auch verstärkte Krämpfe, die bei DRAVET-Syndrom unter verschiedenen Antiepileptika wie Lamotrigin (LAMICTAL, Generika) auftreten, sind hier bei einigen Stiripentolanwendern beschrieben.1 Ob Stiripentol bei Kindern unter drei Jahren mit früh gesichertem DRAVET-Syndrom noch vor Auftreten wesentlicher psychomotorischer Beeinträchtigungen nützt, wie es eine retrospektive Fallserie nahe legt,2 ist unzureichend untersucht. Der Anbieter muss weitere Belege für die Wirksamkeit des Arzneimittels für seltene Leiden (Orphan Drug) beibringen. So soll bis 2009 in einer Studie auch geklärt werden, ob eine maximale Dosis von Valproat und/oder Clobazam genauso wirksam ist wie das neue Adjuvans.

Neurologische Störwirkungen wie Benommenheit sowie gastrointestinale Nebenwirkungen wie Appetit- und Gewichtsverlust sind sehr häufig. Auch mit Neutropenie und Leberwerterhöhung ist zu rechnen.1,4

Zweimal täglich 250 mg DIACOMIT Pulver für ein 10 kg schweres Kleinkind kosten monatlich 228 €.

Stiripentol (DIACOMIT) ist als zusätzliches Antiepileptikum bei Kindern mit DRAVET-Syndrom zugelassen, bei denen generalisierte tonisch-klonische Anfälle nicht hinreichend mit Valproat (ORFIRIL, Generika) und Clobazam (FRISIUM) kontrolliert werden können.

Zwei kleine kurze Zulassungsstudien sprechen für einen Nutzen bei tonisch-klonischen Anfällen. Dieser sollte regelmäßig überprüft werden.

Daten zum Einfluss auf die anderen Anfallstypen bei diesem Syndrom, zur psychomotorischen Entwicklung und zur Langzeitsicherheit fehlen noch für das als Arzneimittel für seltene Krankheiten zugelassene Antiepileptikum.

  1 EMEA: Europ. Beurteilungsbericht (EPAR) DIACOMIT, Stand Nov. 2006 http://www.emea.europa.eu/htms/human/epar/d.htm
  2 NGUYEN THANH, T. et al.: Arch. Pediatr. 2002; 9: 1120-7
  3 QUILICHINI, P.P. et al.: Epilepsia 2006; 47: 704-16
R 4 CHIRON C. et al.: Lancet 2000; 356: 1638-42

© 2008 arznei-telegramm, publiziert am 15. Februar 2008

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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