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"Atypische" Neuroleptika bei ALZHEIMER-Demenz nicht besser als Plazebo: "Atypische" Neuroleptika werden Demenzpatienten mit Verhaltensstörungen oder psychotischen Symptomen nach wie vor in beträchtlichem Umfang verordnet, obwohl sie die Sterblichkeit erhöhen und eine klare Evidenz für ihren Nutzen in dieser Indikation fehlt (a-t 2005; 36: 51-2; KARLAWISH J.: N. Engl. J. Med. 2006; 355: 1604-6, American Alzheimer's Association, Tagungsbericht Juli 2006, http://alz.org/icad/newsreleases/ 071906_noon_latenews.asp). Die CATIE-AD*-Studie, die wie die CATIE-Schizophrenie-Studie (a-t 2005; 36: 98-100) industrieunabhängig und praxisnah durchgeführt wird, ergänzt jetzt die Datenlage, die bislang überwiegend auf Ergebnissen mit Patienten aus Alters- und Pflegeheimen beruht. Sie untersucht bei 421 ambulanten Patienten mit leichter bis schwerer ALZHEIMER-Demenz und psychotischen Symptomen, Aggression oder Agitation die Wirksamkeit der neueren Neuroleptika Risperidon (RISPERDAL), Olanzapin (ZYPREXA) und Quetiapin (SEROQUEL) über bis zu 36 Wochen im Vergleich zu Plazebo. Ein "klassisches" Mittel, z.B. Melperon (EUNERPAN u.a.), wird hier nicht geprüft. Studienteilnehmer müssen eine ausreichend schwere psychiatrische Symptomatik aufweisen, die zuletzt fast täglich aufgetreten ist. Die Mehrheit (60%) nimmt vor Studienbeginn einen Cholinesterasehemmer, jeder Vierte ein Antidepressivum oder ein Antipsychotikum ein. Ausgeschlossen werden unter anderem suizidale Patienten. Wie in der ambulanten Behandlung üblich, bestimmt der Arzt, der jedoch hinsichtlich der einheitlich verkapselten Arzneimittel verblindet ist, Startdosis und Dosisänderungen. Die Patienten nehmen zuletzt durchschnittlich 1 mg Risperidon (bis 2 mg), 5,5 mg Olanzapin (bis 17,5 mg) und 56,5 mg Quetiapin (bis 200 mg) ein. Die Quetiapindosis ist in dieser nicht zugelassenen Indikation unzureichend etabliert, erscheint aber niedrig. Im Hauptergebnis, der Zeit bis zum Abbrechen der Einnahme aus jeglicher Ursache - ein Endpunkt, der sowohl mangelnde Effektivität als auch schlechte Verträglichkeit erfasst - unterscheiden sich "atypische" Antipsychotika und Plazebo nicht: Jeweils die Hälfte der Patienten setzt Risperidon nach sieben Wochen, Olanzapin nach acht, Quetiapin nach fünf und Plazebo nach acht Wochen ab (p = 0,52). Die Neuroleptika werden später als Plazebo wegen mangelnder Wirksamkeit abgesetzt, Plazebo später als Verum wegen Unverträglichkeit. Auch für den wichtigsten sekundären Endpunkt, einem mindestens minimal verbesserten klinischen Gesamteindruck nach zwölf Wochen, findet sich kein signifikanter Unterschied zwischen "Atypika" und Plazebo (CGIC**, Neuroleptika: Ansprechen bei 26% bis 32%, Plazebo: 21%, p = 0,22). Die "atypischen" Mittel werden schlecht vertragen: Sedierung (bis 24% vs. 5%), Verwirrtheit oder veränderter Geisteszustand (bis 18% vs. 5%), kognitive (bis 5% vs. 1%) sowie extrapyramidalmotorische Störwirkungen (bis 12% vs. 1%) kommen deutlich häufiger vor als unter Scheinmedikation. Wesentliche Unterschiede hinsichtlich zerebrovaskulärer Komplikationen (Verum 1,4% vs. 1%) oder Todesfälle (Verum 1,8% vs. 2%) werden hier bei allerdings kleinen Gruppengrößen und kurzer Einnahmedauer nicht gefunden (SCHNEIDER L.S. et al.: N. Engl. J. Med. 2006; 355: 1525-38).

*

CATIE-AD = Clinical Antipsychotic Trials of Intervention Effectiveness-Alzheimer's Disease

**

CGIC = Clinical Global Impression of Change; misst den klinischen Eindruck von 1 = sehr verbessert bis 7 = sehr verschlechtert.



© 2006 arznei-telegramm

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