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In der Münchner Medizinischen Wochenschrift war zu lesen, dass die Leitlinien der Neurologen den Einsatz von AGGRENOX bei
Patienten mit erhöhtem Insultrisiko vorsehen. Meiner Ansicht nach ist kein sicherer Vorteil gegenüber Azetylsalizylsäure (ASS, ASPIRIN u.a.) in
Standarddosierung erkennbar. Wie beurteilen Sie die forensische Bedeutung, wenn man dieser Leitlinie nicht folgen würde und ein Patient unter 100 mg ASS
einen Insult erleidet und einen verklagen würde? Man hört ja oft, dass zwar einerseits Therapiefreiheit besteht, aber im Einzelfall das Abweichen von aktuellen Leitlinien als Kunstfehler gewertet werden kann, da Juristen diese oft (ob berechtigt, sei dahingestellt) als allgemeinen State of the Art heranziehen würden.
Grundlage für die Empfehlung der Kombination von Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) plus retardiertem Dipyridamol (in
In der neuen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) wird AGGRENOX mit "mittlerer Empfehlungsstärke" (B) für Schlaganfallpatienten mit hohem Rückfallrisiko empfohlen. Diese Empfehlung basiert auf einer nachträglichen Subgruppenanalyse der ESPS-2-Studie, die mit einem bislang nicht validierten Score definiert wurde. Eine solche retrospektive Subgruppenanalyse ist jedoch ohne Aussagekraft. Mit "hoher Empfehlungsstärke" (A) wird der Monotherapie mit ASS (50 mg bis 150 mg/Tag) neben AGGRENOX und Clopidogrel (PLAVIX u.a.) Wirksamkeit in der Sekundärprävention des Schlaganfalls attestiert.**4
In einer schottischen Leitlinie wird mit dem höchsten Empfehlungsgrad (Grad A) zu Low-dose-ASS allein in einer Dosierung von täglich 75 mg bis 300 mg geraten. Als eine "weichere" Empfehlung (Grad C, z.B. Expertenmeinung) sollen täglich zweimal 200 mg retardiertes Dipyridamol zusätzlich zu ASS speziell bei Patienten mit Rezidiv trotz ASS in Betracht gezogen werden.6 Belege dafür, dass diese Patientengruppe einen Vorteil von der Kombination hat, gibt es aber nicht. Eine vierte Empfehlungsvariante wird seit Mai 2005 vom britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) ausgesprochen. Das NICE rät auf der Basis der ESPS-2-Studie, Patienten nach Schlaganfall oder TIA zwei Jahre lang mit AGGRENOX zu behandeln und anschließend auf die Standardbehandlung einschließlich einer lebenslangen Low-dose-ASS-Monotherapie umzustellen.7 Eine neuseeländische Leitlinie8 empfiehlt mit höchstem Empfehlungsgrad (A) täglich 75 mg bis 150 mg ASS für alle Patienten nach ischämischem Schlaganfall oder TIA, die nicht antikoaguliert werden müssen oder eine Kontraindikation gegen ASS haben. Es wird betont, dass für eine Empfehlung von Dipyridamol als Erstwahlmittel - allein oder in Kombination mit ASS - keine hinreichende Evidenz vorliegt. Retardiertes Dipyridamol plus ASS kann bei Hochrisikopatienten einschließlich solcher mit symptomatischer zerebraler Ischämie unter ASS verwendet werden (Empfehlungsgrad B). Die britische Intercollegiate Stroke Working Party empfiehlt Monotherapie mit Low-dose-ASS (50 mg bis 300 mg/Tag), Clopidogrel und die Kombination aus Low-dose-ASS plus retardiertem Dipyridamol gleichermaßen.9 Haftungsfrage: Eine eventuelle gerichtliche Entscheidung im Haftungsfall lässt sich selbstverständlich nicht vorwegnehmen, grundsätzlich ist aber Folgendes zu bedenken: ![]()
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| (R = Randomisierte Studie, M =
Metaanalyse) | |
R | 1 | DIENER, H.C. et al.: J. Neurol. Sciences 1996; 143: 1-13 |
M | 2 | Antithrombotic Trialists' Collaboration: BMJ 2002; 324: 71-86 |
3 | SUDLOW, C.: Can. Med. Ass. J. 2005; 173: 1024-6 | |
4 | Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): Primär- und Sekundärprävention der zerebralen Ischämie; gemeinsame Leitlinie der DGN und der Deutschen Schlaganfallgesellschaft (DSG); verabschiedet Dez. 2004; zu finden unter: http://www.dgn.org | |
5 | ALBERS, G.W. et al.: Chest 2004; 126 (Suppl.): 483s-512s | |
6 | Scottish Intercollegiate Guidelines Network: Antithrombotic Therapy. A National Clinical Guideline; März 1999; http://www.sign.ac.uk/guidelines/fulltext/36/index.html | |
7 | National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE): Clopidogrel and modified-release dipyridamole in the prevention of occlusive vascular events, Mai 2005; http://www.nice.org.uk/pdf/TA090guidance.pdf | |
8 | Stroke Foundation New Zealand: Life after Stroke. New Zealand guideline for management of stroke; Nov. 2003; http://www.nzgg.org.nz/guidelines/0037/ACF291F.pdf | |
9 | Intercollegiate Stroke Working Party, Royal Colleague of Physicians London: National clinical guidelines for stroke. Second edition; Juni 2004; http://www.rcplondon.ac.uk/pubs/books/stroke/stroke_guidelines_2ed.pdf a> | |
10 | HART, D. (Hrsg.): "Ärztliche Leitlinien im Medizin- und Gesundheitsrecht. Recht und Empirie professioneller Normbildung", Nomos Verlagsgesellschaft, Baden Baden 2005, 23- 116 | |
11 | ||
12 | Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (Hrsg.): "Leitlinien-Clearingbericht ,Schlaganfall'", äzq Schriftenreihe, Band 21, 2005 |
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