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Therapiekritik

INFLIXIMAB (REMICADE): FISTEL-LANGZEITTHERAPIE BEI M. CROHN?

Bei 17% bis 43% der Patienten mit M. CROHN entstehen im Krankheitsverlauf Fisteln, die als eigenständiges Therapieproblem betrachtet und spezifisch behandelt werden. Zur medikamentösen Therapie chronischer Analfisteln werden in Leitlinien trotz schwacher Datenlage vorrangig Azathioprin (IMUREK u.a.) und 6-Mercaptopurin (PURI-NETHOL) empfohlen.1 Infliximab (REMICADE; a-t 2001; 32: 2-3), ein Antikörper gegen Tumornekrosefaktor alpha? gilt als Reservemittel bei therapieresistentem Verlauf. Bisher ist bei therapieresistenten Fisteln die kurzzeitige Remissionsinduktion durch dreimalige Infliximabinfusion innerhalb von sechs Wochen untersucht.2

Seit Oktober 2003 ist Infliximab auch zur Erhaltungstherapie bei Fisteln zugelassen. Grundlage dafür ist die kürzlich veröffentlichte ACCENT-2- Studie*. 282 Patienten mit M. CROHN und mindestens einer sezernierenden abdominalen, perianalen oder rektovaginalen Fistel erhalten zunächst drei Infliximab-Infusionen innerhalb von sechs Wochen. Die Fisteln bestehen seit mindestens drei Monaten und sind antibiotisch oder immunsuppressiv vorbehandelt. Die Patienten, bei denen sowohl 10 als auch 14 Wochen nach der ersten Injektion eine mindestens 50%ige Reduktion der Anzahl sezernierender Fisteln nachweisbar ist (Responder), werden randomisiert. 195 Responder erhalten dann alle acht Wochen Infliximab (5 mg/kg Körpergewicht) oder Plazebo über 40 Wochen. Auch die 87 Non-Responder werden randomisiert und getrennt ausgewertet. Nach 22 Wochen können die Patienten der Plazebogruppe zu Infliximab wechseln, die der Verumgruppe ihre Dosis verdoppeln. Der primäre Endpunkt, der Zeitpunkt, zu dem kein Ansprechen mehr nachweisbar ist, wird in der Infliximab-Gruppe im Mittel signifikant später erreicht als unter Plazebo (nach 40 versus 14 Wochen). Patienten, die initial nicht auf Infliximab ansprechen, haben auch bei fortgesetzter Behandlung keinen Nutzen.3

Die nicht kurative Therapie stellt keine befriedigende Lösung dar: Auch bei den Respondern sind nach einem Jahr unter Infliximab nur 46% erfolgreich behandelt, unter Plazebo 23%. Nach radiologischen Untersuchungen in Beobachtungsstudien bleibt der Fisteltrakt unter Infliximab meist bestehen.4 Lediglich die entzündliche Aktivität wird vermindert. Vor diesem Hintergrund wiegen die häufigen gravierenden Störwirkungen und Langzeitrisiken schwer (a-t 1999; Nr. 1: 17-8, a-t 2002; 33: 24). Infusionsreaktionen treten in der Verum-Gruppe bei ca. 4% auf. Zwei Patienten sterben durch Sepsis bzw. Multiorganversagen. Bei 46% treten antinukleäre Antikörper auf, bei 23% Anti-Doppelstrang-DNA. Ein Patient entwickelt ein Lupus-ähnliches Syndrom. Bei einem weiteren Patienten wird Multiple Sklerose diagnostiziert. Antikörper gegen Infliximab werden bei 17% nachgewiesen. Bei diesen Patienten steigt das Risiko für Infusionsreaktionen deutlich an. Eine immunsuppressive Begleittherapie scheint die Antikörperbildung zu unterdrücken.

Anlass zur Sorge gibt auch das kanzerogene Risiko: Zwei 36 bzw. 42 Jahre alte Männer der Verumgruppe entwickeln ein Rektumkarzinom.3 Andere Berichte bestätigen die Gefährdung: In einer Langzeitbeobachtung von 500 Patienten, die im Mittel drei Infliximab-Infusionen erhalten haben, wird nach 17 Monaten bei fünf von zehn Todesfällen und drei von neun malignen Erkrankungen ein Zusammenhang mit der Antikörpertherapie vermutet.5

Entscheidende Fragen sind ungelöst: Optimale Infusionsabstände und Dauer der Behandlung bleiben zu bestimmen, ebenso, ab wann eventuell Standard-Immunsuppressiva weitere Infliximab-Infusionen ersetzen können. Vergleichsstudien mit diesen Mitteln fehlen.

Patienten mit fistelndem M. CROHN, die auf eine Remissionsinduktion mit Infliximab (REMICADE) angesprochen haben, erleiden bei Fortsetzung der Behandlung später einen Rückfall als unter Plazebo.

Nach einem Jahr profitiert nur noch weniger als die Hälfte der Patienten. Über ein Jahr hinausgehende Daten fehlen.

Schwerwiegende, zum Teil lebensbedrohliche Schadwirkungen sind häufig. Karzinogenes Potenzial und immunologische Erkrankungen sind dokumentiert. Das Risiko ist aber zur Zeit nicht abschätzbar.

Infliximab ist Mittel der letzten Reserve zur konservativen Behandlung von therapieresistenten Fisteln bei M. CROHN. Der begrenzte, auch zeitlich limitierte Nutzen sowie das hohe Gefährdungspotenzial erfordern Anwendungsbeschränkungen auf Ausnahmefälle und Zentren mit ausreichender Erfahrung sowie den befristeten Gebrauch.

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ACCENT-2: A Crohn's Disease Clinical Trial Evaluating Infliximab in a New Long-Term Treatment Regimen in Patients with Fistulizing Crohn's Disease

© 2004 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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