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Korrespondenz

CLOPIDOGREL (ISCOVER, PLAVIX): WELCHE ANWENDUNGSGEBIETE SIND GESICHERT?

Gibt es eine Indikation zur Dauertherapie mit Clopidogrel (ISCOVER, PLAVIX)? Gibt es Indikationen zu einer Kombinationstherapie von Azetylsalizylsäure (ASS, ASPIRIN u.a.) und Clopidogrel, und wie lange verordnet man Kombinationen?

Dres. med. B. u. M. ZIMMERMANN (Fachärztin f. Allg. Med., prakt. Arzt)
D-07937 Zeulenroda
Interessenkonflikt: keiner

Der Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel (ISCOVER, PLAVIX) ist zugelassen für die Sekundärprävention atherothrombotischer Komplikationen bei Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit in der Vorgeschichte sowie - in Kombination mit Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) - bei akutem Koronarsyndrom.1

Zur Nutzenbewertung der Sekundärprävention mit Clopidogrel allein liegt unverändert nur die CAPRIE*-Studie2 vor (a-t 1998; Nr. 8: 70). Täglich 75 mg senken hier bei knapp 20.000 Patienten mit atherosklerotischen Vorerkrankungen das Risiko für den kombinierten Endpunkt ischämischer Schlaganfall, Herzinfarkt oder vaskulärer Todesfall im Vergleich mit ASS um jährlich 0,51% (Number needed to treat [NNT] = 197/Jahr). Das 95%ige Vertrauensintervall (CI) ist weit und schließt auch einen Unterschied von nur 0,017% pro Jahr (NNT = 5.883) nicht aus. Patienten mit Schlaganfall oder Herzinfarkt in der Vorgeschichte haben keinen Vorteil von Clopidogrel. Ein Unterschied ergibt sich nur in der Subgruppe mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Angesichts der fraglichen klinischen Relevanz des Wirksamkeitsunterschiedes und der hohen Kosten sehen wir in Übereinstimmung mit internationalen evidenzbasierten Leitlinien3-5 eine Indikation für Clopidogrel nur bei harten Kontraindikationen gegen ASS, zum Beispiel wegen peptischem Ulkus, Allergie oder ASS-induziertem Asthma. Das Auftreten eines erneuten Herzinfarktes oder Schlaganfalls unter Einnahme von ASS, irreführend auch als ASS-Versagen oder -Resistenz bezeichnet, ist kein Grund für die Umstellung auf Clopidogrel. Ein Vorteil von Clopidogrel bei diesen Patienten ist nicht belegt (a-t 1999; Nr. 5: 53-4 und Nr. 7: 76). Dies gilt auch für die hierfür nicht zugelassene Kombination von Clopidogrel mit ASS nach transitorischer ischämischer Attacke (TIA) oder Schlaganfall, die bei dieser Indikation inzwischen offenbar häufiger verwendet wird, ohne dass Nutzen und Sicherheit durch Studien belegt sind. Die Kombination wird derzeit in mehreren Studien bei ischämischen zerebrovaskulären Erkrankungen geprüft. Die Ergebnisse einer ersten Studie (MATCH**) werden im Sommer 2004 erwartet.

Bei akutem Koronarsyndrom senkt eine bis zu zwölfmonatige Einnahme von täglich 75 mg Clopidogrel zusätzlich zu ASS Herzinfarkte, Schlaganfälle oder vaskuläre Todesfälle insgesamt von 11,4% auf 9,3% (CURE**-Studie; NNT = 48). Die Rate schwerer Blutungen steigt jedoch von 2,7% auf 3,7% (Number needed to harm [NNH] = 100). Ein signifikanter Einfluss auf die Sterblichkeit bleibt aus. Die Therapie beginnt mit einer "loading dose" von einmalig 300 mg.6 Auch die Subgruppe der Patienten, bei denen eine perkutane Koronarintervention vorgenommen wird, profitiert, und zwar schon allein durch die Vorbehandlung mit zusätzlichem Clopidogrel über durchschnittlich zehn Tage (PCI**-CURE).7 Die optimale Dauer dieser Kombinationstherapie ist jedoch nicht bekannt. In der Gesamtgruppe der CURE-Studie wird der maximale Nutzen innerhalb der ersten drei Monate erzielt.1 Ein Vorteil der längeren Einnahme ist fraglich und allenfalls gering. Bei Patienten, die sich einer perkutanen Koronarintervention unterziehen, lässt sich in der Studie jenseits von einer vierwöchigen Anwendung nach dem Eingriff ein zusätzlicher Nutzen nicht mehr sichern (a-t 2001; 32: 91-2).

Durch Studien belegt und etabliert ist außerdem die zwei- bis vierwöchige Einnahme von Clopidogrel zusätzlich zu ASS nach elektiver perkutaner Koronarintervention mit Stentimplantation (vgl. Seite 18). Für diese Indikation besteht keine Zulassung. Gleichwohl gilt der Off-label-use hierfür auch haftungsrechtlich als bestimmungsgemäßer Gebrauch, da es sich um einen akzeptierten medizinischen Standard handelt, der auch in evidenzbasierten Leitlinien8,9 empfohlen wird.*** Die vor gut einem Jahr publizierte CREDO**-Studie10 untermauert den Vorteil einer "loading dose" mit 300 mg mindestens sechs Stunden vor einer elektiven oder dringlichen perkutanen Koronarintervention. Einen Vorteil der über vier Wochen nach dem Eingriff hinaus verlängerten zusätzlichen Einnahme von Clopidogrel kann diese Studie aufgrund des Studiendesigns ebenfalls nicht hinreichend belegen (a-t 2002; 33: 124-5).

*

CAPRIE = Clopidogrel versus Aspirin in Patients at Risk of Ischaemic Events

**

CREDO = Clopidogrel for the Reduction of Events During Observation
MATCH = Management of Atherothrombosis with Clopidogrel in High-risk patients
(PCI)-CURE = (Percutaneous Coronary Intervention) Clopidogrel in Unstable Angina to Prevent Recurrent Events

***

Die haftungsrechtlichen Konsequenzen der Off-Label-Verordnung, die einen bestimmungsgemäßen Gebrauch darstellt, schätzen wir auf der Basis aktueller Rechtsgutachten heute anders ein als in a-t 2003; 34: 67-8.

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