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Korrespondenz

ALTARZNEIMITTEL UND WAS FOLGT

Seit 1. Juli 2003 erlebe ich gehäuft unangenehme Überraschungen bei meinen Rezeptverordnungen. Der Apotheker meldet sich bei mir mit der Aussage: "Das gewünschte Arzneimittel gibt es nicht mehr. Es gibt auch keinen gleichwertigen Ersatz." Es handelt sich meist um Medikamente, welche die Nachzulassung für Altarzneien nicht bestanden haben. Es handelt sich jedoch nicht nur um Medikamentenmüll, sondern auch um einige altbewährte Arzneimittel, deren Verschwinden mir unverständlich ist. Haben Sie eine vollständige Liste?

U.M. VON KRIES (Prakt. Ärztin)
D-38364 Schöningen
Interessenkonflikt: keiner

Die rund 5.000 Arzneimittel umfassende "Löschliste" des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte steht im Internet1 zur Verfügung. Sie gibt aber keine Auskunft über den tatsächlichen Status der Produkte nach dem 1. Juli. Nur ein Teil ist wirklich vom Markt verschwunden, wie das als "Cappies" bekannte und oft missbrauchte Stimulans Fenetyllin (CAPTAGON) oder der gegen Potenzstörungen angebotene Hodenextrakt ORCHIBION. Die große qualitätsorientierte Marktbereinigung blieb aus.

Einige nützliche Arzneimittel gibt es weiterhin, jetzt mit Zulassung und gering verändertem Handelsnamen, zum Teil aber extrem verteuert wie das Ergotamin-Präparat ERGO-KRANIT AKUT (+700%; a-t 2003; 34: 78) oder mit einiger Verspätung wie das erst im September wieder eingeführte Adrenalin-Inhalat INFECTOKRUPP INHAL zur Notfall-Intervention.

Die Hersteller anderer ehemaliger Altarzneimittel haben lediglich die Vermarktungsstrategie geändert. Beispielsweise wurden BEPANTHEN Lutschtabletten zum Medizinprodukt. Noch nicht einmal die Menge des enthaltenen Dexpanthenols wird jetzt im neuen Beipackzettel deklariert.2

Aus dem Akne-Altarzneimittel BRASIVIL (Aluminiumoxid) ist bei identischer Zusammensetzung das Kosmetikum BRASIVIL PEELING entstanden. Sogar das Gurgelmittel DOREPEROL (Hexetidin) wird jetzt als Kosmetikum angeboten. Für DOREPEROL AKTIV stehen "somit weder Gebrauchsinformation noch Fachinformation zur Verfügung", teilt uns der Hersteller mit.3

Der früher bei gestörter Fettverdauung angebotene Rindergallenblasenextrakt CHOLECYSMON mutierte ohne Veränderung der Zusammensetzung zum Nahrungsergänzungsmittel ,CHOLECYSMON Silberperlen' und soll jetzt "auf natürlichem Weg den normalen Ablauf der Verdauung"4 erleichtern. Bisweilen wurden gleichzeitig Bestandteile ausgetauscht. So ist aus dem Moxaverin-haltigen Altarzneimittel CERTONAL das Nahrungsergänzungsmittel CERTONAL BRAIN POWER entstanden, das jetzt Ginkgo-Extrakt enthält und "zur Steigerung des Lernvermögens"5 beitragen soll.

Der Verzicht auf den Status als Arzneimittel ermöglicht es Herstellern, eingeführte Warenzeichen ohne behördliche Prüfung und Überwachung und den damit verbundenen finanziellen Aufwand weiter zu vermarkten. Den Verbrauchern ist durch den Etikettenwechsel nicht gedient. Angebliche Effekte werden jetzt noch fantasievoller und irreführender beworben. Den Verbrauchern bleibt dabei verborgen, dass die Anbieter dank Umdeklaration weiterhin keine wissenschaftlichen Wirksamkeitsbelege beibringen müssen, -Red.

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