logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
                            a-t 2003; 34: 33-4nächster Artikel
Im Blickpunkt

PSA-SCREENING ZUR FRÜHERKENNUNG DES PROSTATAKARZINOMS?

Screening-Tests auf Prostata-spezifisches Antigen (PSA) zur Früherkennung des Prostatakarzinoms werden in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) bislang nicht bezahlt. Diese Regelung wird dem internationalen Kenntnisstand gerecht: Ein Nutzen des Screenings im Sinne eines verlängerten Überlebens der Männer ist nicht belegt.1,2 Dessen ungeachtet wird in der aktuellen Debatte, die durch eine Ende letzten Jahres vorgelegte Leitlinie3 mit positiver Bewertung des PSA-Tests als Früherkennungsmaßnahme angestoßen wurde, die Einführung eines allgemeinen PSA-Screenings mit Kostenübernahme durch die GKV gefordert.

Konzepte zur Früherkennung von Krebs können eine hohe Plausibilität für sich beanspruchen. Es scheint unmittelbar evident, dass eine frühzeitige Diagnose und Behandlung auch von klinisch unauffälligen malignen Erkrankungen Gesundheit und Leben rettet. Dass die gezielte Suche nach Krebs bei gesunden Menschen keinen Gewinn im Sinne einer Morbiditäts- und Mortalitätssenkung bringen und somit keine anderen Konsequenzen haben könnte als die Risiken der Verängstigung und gefährlicher diagnostischer und therapeutischer Folgeeingriffe, will nur schwer einleuchten. In der öffentlichen Diskussion um Screening-Programme wird ein Nutzen häufig mit fragloser Gewissheit als gegeben vorausgesetzt, während die Schädigungspotenziale nicht wahrgenommen werden.

Das Prostatakarzinom ist heute einer der am häufigsten diagnostizierten Tumoren bei Männern. Die meisten Männer mit Prostatakrebs sterben jedoch mit und nicht an dem Karzinom. Nach US-amerikanischen Daten beträgt die Lebenszeitwahrscheinlichkeit eines 50-Jährigen, ein mikroskopisch fassbares Prostatakarzinom zu entwickeln, 42%, das Lebenszeitrisiko, an Prostatakrebs zu versterben, aber nur 3%.4 Welcher mikroskopische Tumor einen aggressiven Verlauf nimmt, lässt sich nicht vorhersagen. Neben den Problemen durch falsch positive, falsch negative und unsichere Befunde gilt daher als das Hauptproblem des Screenings auf Prostatakrebs die so genannte Überdiagnostik - die Entdeckung von Krebs, der unentdeckt und unbehandelt den betroffenen Mann zeitlebens nicht beeinträchtigt hätte. Einer Schätzung zufolge wären bis zu 44% der durch Screening entdeckten Prostatakarzinome in dem Sinne "überdiagnostiziert", dass sie ansonsten nur bei Autopsie entdeckt worden wären.5 Die von Überdiagnostik betroffenen Männer haben nur die Nachteile des Screenings, darunter insbesondere Impotenz und Inkontinenz als häufige und belastende Folgen der radikalen Prostatektomie oder Störungen der Sexual- und Darmfunktion als Folge einer Strahlentherapie. Hinzu kommt die psychische Belastung durch eine Krebsdiagnose, auch bei denen, die sich für kontrolliertes Abwarten entscheiden. Da andererseits auch von den durch gezielte Früherkennungsmaßnahmen entdeckten Tumoren nicht alle heilbar sind - nach Angaben der aktuellen Leitlinie sind bis zu 25% von vornherein nicht kurativ behandelbar3 - lässt sich ohne Prüfung in randomisierten kontrollierten Studien ein Überwiegen von Nutzen oder Schaden des Screenings nicht abschätzen.

Einen solchen Nutzennachweis im Sinne verminderter Morbidität und Mortalität gibt es für das PSA-Screening nicht. Die einzige abgeschlossene randomisierte kontrollierte Studie kann bei methodisch korrekter Auswertung keinen Effekt nachweisen.6,7 Ergebnisse von zwei laufenden Studien sind erst in einigen Jahren zu erwarten. Befürworter berufen sich auf die sinkende Sterblichkeit in den USA nach Einführung des PSA-Screenings. Vergleichende epidemiologische Studien ergeben aber eine ähnliche Entwicklung der Sterblichkeit in Regionen mit intensivem und wenig intensivem Screening.1,2 Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin hat sich in einer aktuellen Stellungnahme gegen die breite Einführung des Screenings ausgesprochen.1

 Ob das PSA-Screening zur Früherkennung des Prostatakarzinoms das Überleben von Männern verlängert, ist nicht erwiesen.

 Das Screening kann schaden, vor allem durch die Folgen der Überdiagnostik.

 Die Screeningmaßnahme sollte unseres Erachtens bis zum Vorliegen von aussagekräftigen Nutzenbelegen nicht aktiv angeboten werden.

 Männer, die das Screening wünschen, sollten sorgfältig über den fehlenden Nutzennachweis und die potenziellen Risiken aufgeklärt werden.


© 2003 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

                            a-t 2003; 34: 33-4nächster Artikel