logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 2003; 34: 27-8nächster Artikel
Therapieempfehung

AKUTER HERZINFARKT:
ANGIOPLASTIE BESSER ALS THROMBOLYSE

Die primäre koronare Angioplastie scheint der intravenösen Thrombolyse beim akuten Herzinfarkt überlegen zu sein. Eine aktuelle systematische Übersicht1 bekräftigt erneut entsprechende Ergebnisse früherer Metaanalysen. Nach weitgehend kompletter Literaturrecherche sind jetzt 23 randomisierte Studien eingeschlossen, mit 7.739 Patienten dreimal mehr als in bisherigen Auswertungen. Gegenüber der Thrombolyse vermindert die Angioplastie nach 4 bis 6 Wochen sowohl die Sterblichkeit (von 9% auf 7%; Odds-Ratio OR 0,73; 95%-Vertrauensintervall [CI] 0,62-0,86) als auch nicht-tödliche Herzinfarkte (7% vs. 3%; OR 0,35 mit 95%-CI 0,27-0,45) und die Kombination aus Todesfällen, Reinfarkten und Schlaganfällen (14% vs. 8%; OR 0,53 mit 95%-CI 0,45-0,63). Schon bei 50 Behandlungen kann demnach durch Angioplastie ein Todesfall verhindert werden (NNT = 50). Nachbeobachtungen über 6 bis 18 Monate ändern die Ergebnisse nicht.

Obwohl die Metaanalyse Studien einschließt, die wesentliche methodische Unterschiede aufweisen, ergeben Subgruppenanalysen weitgehend homogene Ergebnisse. So bietet die Angioplastie Vorteile sowohl im Vergleich zu Streptokinase (STREPTASE) als auch gegenüber Alteplase (ACTILYSE) oder anderen Fibrin-spezifischen Thrombolytika. Selbst wenn eine Studie ausgeschlossen wird, die nur Patienten mit Herzinfarkt im kardiogenen Schock untersucht, bei denen die Angioplastie seit längerem Therapie der Wahl ist, ändern sich die grundsätzlichen Ergebnisse nicht. Die Frühsterblichkeit liegt dann in den verbleibenden Studien unter Thrombolyse bei 7% (ähnlich wie in allen letzten Untersuchungen mit Thrombolytika), unter Angioplastie bei 5%.

Fünf der in die Metaanalyse aufgenommenen Studien vergleichen eine Notfalllyse mit der Angioplastie. Die Auswertung dieser Subgruppe unterscheidet sich ebenfalls nicht grundsätzlich vom Gesamtergebnis. Allerdings sind signifikante Vorteile für die Angioplastie nur bei nicht-tödlichen Infarkten und dem kombinierten Endpunkt zu sichern. Die Mortalität ist nur tendenziell geringer (p = 0,057).

Bei zwölf der eingeschlossenen Studien wird die Angioplastie mit der Implantation eines Stents kombiniert, bei acht von diesen unter zusätzlicher Verwendung eines Glykoprotein IIb/IIIa-(GP)Hemmers. Eine getrennte Auswertung dieser Studien und ein Vergleich mit den übrigen wird in der Metaanalyse nicht vorgenommen, Abweichungen vom Gesamtergebnis sind aber nicht erkennbar. Der mittlere Zeitverzug durch die primäre Behandlung mit Angioplastie variiert in den Studien zwischen 10 und 104 Minuten. Auch hier fehlt eine systematische Analyse, ob und wie der Therapieerfolg vom Zeitverzug abhängt.

Die neuen Leitlinien der European Society of Cardiology empfehlen die primäre Angioplastie bereits als Verfahren der Wahl beim akuten Infarkt.2 Zurückhaltung erscheint jedoch angebracht. So sind die PRAGUE*-2-Studie3 und die DANAMI*-2-Studie4, zwei der größten Untersuchungen der Metaanalyse mit zusammen mehr als 2.400 Patienten, bisher nicht vollständig veröffentlicht. Anders als in der tschechischen3 wird in der dänischen4 Studie die Gesamtmortalität offenbar nicht reduziert, sondern nur die Rate an Reinfarkten und der kombinierte Endpunkt. Ein Vorteil der Angioplastie scheint zudem nur nachweisbar, wenn der Zeitverzug bis zum Therapiebeginn unter drei Stunden liegt, in der tschechischen dagegen, wenn er mehr als drei Stunden beträgt. Unklar bleibt auch der Stellenwert von GP-Hemmern für primär interventionelle Therapien beim akuten Infarkt. Die CADILLAC**-Studie5 vergleicht bei mehr als 2.000 Patienten Angioplastien mit und ohne Stent, jeweils mit oder ohne gleichzeitige Verwendung von Abciximab (REOPRO). Insgesamt sind Stents zu bevorzugen, durch zusätzliches Abciximab lässt sich bei Stentimplantation aber weder die Reinfarktrate noch die Mortalität nach einem oder sechs Monaten verbessern. Mehrere Studien prüfen derzeit, ob vor interventionellen Akutbehandlungen des Infarktes sofortige Gaben von GP-Hemmern, Thrombolytika und/oder fraktierten Heparinen in reduzierten Dosierungen von Nutzen sind. Nach der ASSENT**-3-Studie6 können auch die Erfolge einer Thrombolyse beim Infarkt noch verbessert werden, beispielsweise durch Kombination von Tenecteplase (METALYSE) mit Enoxaparin (CLEXANE) oder Abciximab.

*

DANAMI = The Danish Trial in Acute Coronary Angioplasty in Acute Myocadial Infarction
PRAGUE-2 = Teaching Hospital Prague 2, Czech Republic

**

CADILLAC = Controlled Abciximab and Device Investigation to Lower Late Angioplasty Complications
ASSENT = The Assessment of the Saftety an

Die akute interventionelle Behandlung als neuen Standard für die Versorgung des Infarktes zu setzen, stellt hohe logistische und finanzielle Anforderungen. Allerdings benötigen viele Infarktpatienten nach Thrombolyse sekundär ohnehin eine Koronarangiographie und meist auch -intervention. Eine Verbesserung der akuten medikamentösen Behandlungsoptionen scheint jedoch ebenfalls möglich und erstrebenswert.

 Die konventionelle Thrombolyse ist beim Herzinfarkt eine etablierte Therapie und an nahezu hunderttausend Patienten erprobt.

 Interventionelle Behandlungen (koronare Angioplastie) sind bei Infarkt mit kardiogenem Schock und/oder Kontraindikation für Thrombolyse seit längerem Verfahren der Wahl.

 Wenn verfügbar und mit einem Zeitverzug von wenigen (bis ca. drei) Stunden anwendbar, scheint inzwischen die Angioplastie mit Stenteinlage für alle Patienten mit Herzinfarkt die Therapie der Wahl.


© 2003 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 2003; 34: 27-8nächster Artikel