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Korrespondenz

PATIENTENINFORMATION ZU HAUTKREBS - trojanische Pferdchen der Pharmaindustrie?

Die Firma Essex verteilt derzeit Broschüren unter dem Titel "Hautkrebs" mit den Untertiteln "Vorbeugung, Früherkennung, Diagnose, Behandlungsmöglichkeiten, Lexikon und Adressen".1 Schaut man sich die aufwändig gestaltete Broschüre näher an, fällt auf, dass von den etwa 22 Seiten, die dem Melanom gewidmet sind, gut die Hälfte auf die Darstellung des Einsatzes von Interferon bzw. Interferon alfa-2b (INTRON A) entfallen. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass die Behandlung mit Interferon schon ab einer Tumordicke von 1,5 mm durchgeführt werden muss (S. 34). Diese Annahme wird jedoch durch keine einzige plazebokontrollierte Studie gestützt, weil es solche Studien nicht gibt.2 Bisherige Untersuchungen belegen für niedrige oder mittlere Dosierungen dieser Substanzen lediglich eine gewisse Verlängerung des rezidivfreien Intervalls, nicht jedoch einen Überlebensvorteil.

Auch für Interferone gelten die Ausführungen in a-t 2001; 32: 57-8, dass Arzneimittelzulassungen "zu lässig und Firmen-lastig" sind (vgl. Seite 88). So beruhte die Zulassung der Interferone für die Hochdosis-Therapie auf einer einzigen Studie, die eine Verlängerung der Überlebenszeit unter dieser Therapie ergeben hatte.3 Der signifikante Überlebensvorteil beruhte aber auf einem biometrischen Fehler, legten KIRKWOOD et al. doch ihren Berechnungen eine einseitige Irrtumswahrscheinlichkeit zu Grunde.4 Offenbar wurde diese Kritik aber nicht beachtet, obwohl sie im gleichen Journal wie die Originalarbeit erschien. Deren Autoren machen darauf aufmerksam, dass bei einer Behandlung mit gravierenden Nebenwirkungen mit zweiseitiger Irrtumswahrscheinlichkeit getestet werden muss, eine Tatsache, die in jedem Lehrbuch der Statistik nachzulesen ist!

Nebenbei: Auch die Bedeutung der Entfernung des sogenannten Wächter-Lymphknotens nach radioaktiver Markierung ("sentinel-lymph-node") ist in dieser Broschüre nicht korrekt dargestellt. Bei dieser Methode handelt es sich nach wie vor um ein experimentelles Verfahren, dessen prognostischer und therapeutischer Wert noch nicht bekannt ist.5

Bei allem Verständnis für den Wunsch verzweifelter Melanompatienten nach einer Behandlung und dem Wunsch der behandelnden Ärzte, die Hände nicht in den Schoß legen zu müssen: Diese Art von Werbung halte ich für ethisch sehr bedenklich.

Prof. Dr. med. F.A. BAHMER (Direktor d. Dermatologischen Klinik)
D-28205 Bremen

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