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NEUES ZU BEDROHLICHEN WECHSELWIRKUNGEN MIT JOHANNISKRAUT (JARSIN U.A.)

Die Datenlage zu unerwünschten Wirkungen und Interaktionen von Johanniskraut-Produkten (JARSIN u.a.) wird komplexer. Das pflanzliche Mittel kann bedrohliche Wechselwirkungen auslvsen. In einer Studie an gesunden Freiwilligen verringert Johanniskraut die Blutspiegel des Proteasehemmers Indinavir (CRIXIVAN) beträchtlich (Fläche unter der Konzentrations-Zeitkurve wird um durchschnittlich 57% gesenkt). Dies ist eine Gefahr für HIV-infizierte Patienten: Niedrige Plasmaspiegel des Proteasehemmers künnen mit Resistenzbildung und Behandlungsversagen einhergehen (1). AIDS-Kranke sind besonders gefährdet. Sie sehen Johanniskraut nicht nur als angeblich verträgliches "Naturheilmittel" gegen Depressionen an, sondern erwarten eventuell zusätzlich positive Effekte auf ihre Grunderkrankung, weil beispielsweise von einigen homüopathischen Ärzten für Johanniskraut- Produkte fälschlicherweise positive Effekte auf die HIV-Infektion selbst nachgesagt werden (a-t 1989; Nr. 8: 75).

Wechselwirkungen beispielsweise mit dem Immunsuppressivum Ciclosporin A (SANDIMMUN) nennen wir in a-t 2000; 31: 15. Jetzt werden ganz konkret akute Abstossungsreaktionen bei zwei herztransplantierten Patienten als Folge einer metabolischen Interaktion von Johanniskraut und Ciclosporin beschrieben (2). Unter der Einnahme von Johanniskraut fallen die Ciclosporin-Spiegel unter den therapeutischen Bereich. Nach Absetzen des Kräuterproduktes, von dem mindestens zehn relevante Inhaltsstoffe bekannt sind, steigen die Plasmawerte von Ciclosporin wieder auf die erforderlichen Werte an, und Abstossungsreaktionen treten nicht mehr auf (2).

In Schweden sind seit 1998 sieben Berichte über Verringerung der gerinnungshemmenden Wirkung von Warfarin (COUMADIN) erfasst sowie acht Meldungen zu intermenstruellen Blutungen in Verbindung mit Johanniskraut. Die Blutungsunregelmässigkeiten setzen eine bis fünf Wochen nach Beginn der Einnahme des Kräuterproduktes ein. Bestandteile von Johanniskraut gelten als starke Induktoren arzneimittelverstoffwechselnder Enzyme. Systematische Studien zum Interaktionspotenzial sind dringend erforderlich. In der Zwischenzeit sollen schwedische Johanniskraut-Produkte den Hinweis in der Gebrauchsinformation tragen, diese generell nicht gleichzeitig mit anderen Arzneimitteln einzunehmen (3).

Hierzulande beabsichtigt "das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ... in einem Stufenplanverfahren Ergänzungen der Produktinformation ... anzuordnen"(4). Ein Zeitpunkt für die dringend notwendige Umsetzung der Massnahmen existiert jedoch nicht.

Die Produktinformationen geben den Kenntnisstand zu den Risiken derzeit nur bruchstückhaft und je nach Anbieter unterschiedlich wider. Auch Auslüsung von Manien unter Einnahme von Johanniskraut (5) gehürt zu den Informationsdefiziten.

(1) PISCITELLI, S.C. et al.: Lancet 2000; 355: 547-8
(2) RUSCHITZKA, F. et al.: Lancet 2000; 355: 548-9
(3) YUE, Q.Y.: Lancet 2000; 355: 576-7
(4) Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Schreiben vom 7. Februar 2000
(5) MOSES, E.L., MALLINGER, A.G.: J. Clin. Psychopharmacol. 2000; 20: 115-7

 
© Redaktion arznei-telegramm
blitz-a-t 15. Februar 2000

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