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Korrespondenz

ÄRZTE ALS HÄNDLER?

In der Nähe unserer Praxis baut sich ein Kreis von Ärzten auf, der Produkte der Fa. NSA vertreibt... Für 2,80 DM Tageskosten werden teilweise senilen, hirnorganisch veränderten Altersheimbewohnern, Sozialhilfeempfängern, Krebspatienten und anderen "Zielgruppen", die Patienten dieser Ärzte sind, "JUICE PLUS" Kapseln angedreht, m. E. unter Ausnutzung der ärztlichen Kompetenz ("Wenn der Doktor mir das empfiehlt! Er nimmt es sogar selbst!").

Die Argumentation verläuft immer nach dem gleichen unsoliden Schema: Sinnvoll validierte Untersuchungen, die den Zusammenhang von Krankheit, Tod und Ernährung aufzeigen, werden verknüpft mit den (nicht in diesen Arbeiten untersuchten) Produkten o.g. Firma.

Soweit mir bekannt, scheint das Marketing wie ein Schneeballsystem konfiguriert zu sein: Der 1. Arzt verdient am Verkauf seiner Produkte, an der Gewinnung weiterer "Meinungsbildner" und am Verkauf der Produkte des von ihm geworbenen 2., 3. und weiteren Arztes.

Nachdem unsere Praxis den Werbern mitteilte, dass sie nicht am Vertrieb der Produkte interessiert sei, wird nun um Fairness geworben, da wir versuchen, die Patienten, die etwa 100 DM/Monat ausgeben, zu informieren, dass das Einstellen des Rauchens, körperliche Bewegung, fleischarme, frische, wenig industriell veränderte Ernährung zwar ihren Ärzten weniger, ihnen selbst jedoch mehr bringen würde...

NN  (Arzt; Name und Anschrift der Redaktion bekannt)

JUICE PLUS-Kapseln sollen aus getrockneten Früchten und Gemüsen hergestellt sein. Bei ausgewogener Ernährung sehen wir keinen Bedarf für die "Nahrungsergänzung", sondern negative gesundheitliche Folgen, wenn die Kapseln - wie beworben - Einkaufen und Zubereiten von frischem Obst und Gemüse ersetzen sollen.1

Wie bei den als Diätetika vertriebenen Produkten aus dem HERBALIFE-Programm steigt die Provision mit der Zahl der angeworbenen weiteren Vertragshändler (""). Das Münchener Oberlandesgericht sah 1995 in dieser Vertriebsmethode der Firma NSA (National Safety Associates) den Tatbestand der "progressiven Kundenwerbung" erfüllt.2 Diese verstößt u.a. mit irreführenden Gewinnversprechen gegen das Wettbewerbsrecht. Die Scientology-Schutzgemeinschaft Robin Direkt kennt Verbindungen von NSA zu Scientology.3

Nach der Muster-Berufsordnung dürfen im Zusammenhang mit der Ausübung ärztlicher Tätigkeit keine Waren oder andere Gegenstände abgegeben oder gewerbliche Dienstleistungen erbracht werden, sofern diese nicht notwendiger Bestandteil der Therapie sind. Das besondere Vertrauen in den Arztberuf soll nicht zu merkantilen Zwecken missbraucht werden.

Die Bundesärztekammer will auf Anfrage zu dem konkreten Beispiel keine "abschließende rechtliche Bewertung abgeben".4 Nach Einschätzung der Berliner Ärztekammer ist die Abgabe von Nahrungsergänzungsmitteln in der Praxis unzulässig,5 -Red.


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