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Therapiekritik

ZUR STELLUNG VON CAPTOPRIL (LOPIRIN U.A.)
ALS HOCHDRUCKMITTEL

Der günstige Effekt der blutdrucksenkenden Therapie mit Diuretika und Betablockern ist gesichert (a-t 6 [1998], 54). Jetzt liegt mit CAPPP*1 eine Studie vor, die beantworten soll, wie sich ein neueres Antihypertensivum auf die kardio- und zerebrovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Hypertonie auswirkt.1 Geprüft wird der ACE-Hemmer Captopril (LOPIRIN u.a.).

STUDIENDESIGN: Knapp 11.000 Patienten mit diastolischem Blutdruck über 100 mmHg werden in die Studie aufgenommen. Die Hälfte nimmt durchschnittlich sechs Jahre lang täglich 50 mg bis maximal 200 mg Captopril ein. Die andere Hälfte erhält eine konventionelle antihypertensive Therapie (Betablocker wie Atenolol [TENORMIN u.a.] oder Metoprolol [BELOC u.a.] und/oder ein Diuretikum wie Hydrochlorothiazid [ESIDRIX u.a.] oder Bendroflumethiazid). Der diastolische Blutdruck soll unter der Behandlung 90 mmHg nicht übersteigen. In beiden Gruppen können, wenn erforderlich, Kalziumantagonisten hinzugefügt werden. Primärer Endpunkt ist die Gesamtzahl tödlicher und nicht tödlicher Herzinfarkte, Schlaganfälle sowie aller anderen kardiovaskulären Todesfälle.

ERGEBNISSE: Die Randomisierung misslingt: Die Blutdruckwerte sind in der Captopril-Gruppe von Anfang an etwa um 2 mmHg höher. Auch die größere Zahl der Diabetiker in der ACE-Hemmer-Gruppe (309 versus 263) weist auf Fehlrandomisierung hin.

Die Gesamtzahl kardiovaskulärer Komplikationen, die den primären Studienendpunkt bilden, unterscheidet sich nicht. Betroffen sind 363 Teilnehmer in der Captopril- und 335 in der Vergleichsgruppe. Tödliche und nicht tödliche Schlaganfälle sind unter Captopril mit 3,5% vs. 2,7% häufiger (Number needed to harm = 750/Jahr [NNH; vgl. a-t 5 [1998], 48). Die kardiovaskuläre Sterblichkeit liegt dagegen niedriger, wenngleich nicht signifikant (1,4% vs. 1,7%). Unter dem ACE-Hemmer entwickeln weniger Patienten einen Typ-2- Diabetes als unter der konventionellen Therapie (6,1% vs. 6,9%, NNT: 750/Jahr). Für die (zuvor nicht definierte!) Subgruppe der Patienten mit vorbestehendem Diabetes mellitus ergibt sich eine geringere Gesamtmortalität, Herzinfarktrate und Häufigkeit aller kardialen Ereignisse.

Die größere Zahl neuentdeckter Diabeteserkrankungen unter konventioneller Therapie könnte mit thiazidbedingter Hypokaliämie und dadurch gestörter Insulinsekretion2 zusammenhängen. Das Studienprotokoll sieht keine Kombination der Diuretika mit Kaliumsparern vor. Wegen des offenen Designs ist zudem nicht auszuschließen, dass Ärzte in Erwartung metabolischer Störwirkungen häufiger als in der Captopril-Gruppe nach Diabetes mellitus gefahndet haben.3

Mögliche Fehlrandomisierung und unvollständige Dokumentation, zum Beispiel fehlende Angaben zu Blutdruckwerten im Studienverlauf, schränken die Aussagekraft der Subgruppenanalyse zu Diabetes-Patienten ein. In der Diabetes- und Hypertoniestudie UKPDS*4 (a-t 10 [1998], 88) unterscheiden sich Captopril und Atenolol nicht signifikant hinsichtlich kardio- und zerebrovaskulärer Erkrankungen und Sterblichkeit.

FAZIT: Die CAPPP-Studie erlaubt nur die Schlussfolgerung, dass sich die konventionelle und die ACE-Hemmer-basierte antihypertensive Therapie bezüglich der Gesamtzahl kardiovaskulärer Ereignisse nicht unterscheiden, wobei das Schlaganfallrisiko unter Captopril möglicherweise größer ist. Ob und in wieweit die Ereignisse durch Fehlrandomisierung verzerrt sind, bleibt offen.

In Übereinstimmung mit dem Begleiteditorial3 halten wir nach wie vor niedrigdosierte Thiazid-Diuretika und kardioselektive Betablocker vom Typ Atenolol (TENORMIN u.a.) für die Mittel der ersten Wahl bei hypertonen Patienten mit und ohne Diabetes mellitus. Thiaziddiuretika sind ggf. mit Kaliumsparern zu kombinieren (DYTIDE H u.a.). ACE-Hemmer bleiben Reservemittel bei Unverträglichkeit oder zur Komedikation bei unzureichender Blutdruckkontrolle.

1

HANSSON, L. et al.: Lancet 353 (1999), 611

2

FLETCHER, A. et al.: J. Hypertens. 9 (1991), 225

3

CUTLER, J.: Lancet 353 (1999), 604

4

UKPDS Group: Brit. Med. J. 317 (1998), 713

*

CAPPP = Captopril Prevention Project;

**

UKPDS = United Kingdom Prospective Diabetes Study



© 1999 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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