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Übersicht

BEHANDLUNG DER HYPERTENSIVEN KRISE

Drei von vier Klinikärzten würden einen krisenhaft erhöhten Blutdruck - mit oder ohne klinische Symptomatik - innerhalb von einer Stunde senken. Zu diesem Ergebnis kommt eine kürzlich veröffentlichte Umfrage. Als bevorzugtes Mittel bei fast allen klinischen Zuständen mit exzessiver Blutdrucksteigerung wird Nifedipin (ADALAT u.a.) genannt.1 Wissenschaftliche Literatur und Therapieempfehlungen geben ein anderes und differenzierteres Bild der hypertensiven Krise. Auch ein sehr hoher Blutdruck, der keine klinischen Symptome hervorruft, wird durchaus mehrere Stunden toleriert. Hier, wie auch bei einigen klinischen Syndromen, die mit krisenhafter Drucksteigerung einhergehen, droht eine Gefährdung eher durch überschießenden Blutdruckabfall, wenn zu rasch und zu stark interveniert wird.

Vor drei Jahren wurde in den USA ein Moratorium für nichtretardiertes Nifedipin angeregt. Nach Auswertung von Berichten über schwere Komplikationen forderten die Autoren, auf die schnell wirksamen und schlecht steuerbaren Nifedipin-Kapseln in der Therapie der hypertensiven Krise zu verzichten.2 Das Krankheitsbild selbst ist ein "Stiefkind" der medizinischen Forschung. Randomisierte Interventionsstudien mit klinischen Endpunkten wie Krankheitsverlauf oder Sterblichkeit gibt es nicht. Nimmt man jedoch die in der Literatur dokumentierten klinischen Erfahrungen und theoretischen Überlegungen ernst, lässt sich praktisch keine Indikation begründen, in der die nicht retardierte Nifedipin-Kapsel Mittel der Wahl wäre. Die Diskrepanz zur oben skizzierten Praxis in Deutschland könnte kaum größer sein. Die spärlichen Empfehlungen der deutschen Hochdruckliga,3 in denen weder Indikationen noch Zielwerte genannt werden, geben keine hinreichende Entscheidungshilfe. Wir sind auf Kommentare unserer Leser gespannt.

Hypertensive Krisen sind potentiell lebensbedrohliche Ereignisse. Zum Notfall werden sie jedoch nicht durch die absolute Höhe des Blutdrucks, sondern durch Begleitsymptomatik und Grunderkrankungen. Im angloamerikanischen Sprachraum wird daher zwischen hypertensiver Dringlichkeit und hypertensivem Notfall unterschieden.4-5

Liegen weder Symptome noch neue oder fortschreitende Endorganschäden vor und steigt der Blutdruck systolisch über 240 mmHg und diastolisch über 140 mmHg, ist von einer hypertensiven Dringlichkeit auszugehen, bei der der Druck innerhalb von 24 bis 48 Stunden zu senken ist. Meist reicht die ambulante Behandlung aus. Auch massiv erhöhter Druck bei gleichzeitigem Fundus hypertonicus Grad III-IV und die schwere perioperative Hypertonie werden zu den hypertensiven Dringlichkeiten gezählt.5-6 Betroffen sind überwiegend Patienten mit langjährig erhöhtem Blutdruck. Nicht selten geht das Ereignis auf unregelmäßige Einnahme bzw. abruptes Absetzen blutdrucksenkender Medikamente zurück.

Wesentlich seltener sind hypertensive Notfälle. Hier erfordern akute Endorganschäden (an Herz, Gehirn, Nieren, großen Gefäßen u.a.) die sofortige Klinikeinweisung und rasche, meist intensivmedizinische Behandlung und Überwachung, beispielsweise bei hypertensiver Enzephalopathie, akuter Linksherzinsuffizienz mit Lungenödem, instabiler Angina pectoris und Myokardinfarkt, Aortendissektion, Eklampsie, intrazerebralen Blutungen und ischämischem Insult.6-8

Hypertensive Dringlichkeit

Wegen der Gefahr ischämischer Organschäden ist strikt zu vermeiden, den Blutdruck zu rasch zu senken oder überschießend in den hypotensiven Bereich zu bringen. Lassen sich "äußere" Ursachen der Hypertonie wie Harnverhaltung, Schmerzen oder Medikamente (Entzug, Komedikation, Interaktion u.a.) ausschliessen, normalisiert sich der Blutdruck etwa bei jedem dritten Patienten innerhalb einer Stunde, wenn er sich in einem ruhigen Raum hinlegt.9 Reicht dies nicht aus, erhalten bereits antihypertensiv vorbehandelte Patienten eine zusätzliche Dosis ihrer üblichen Medikamente.

Darüber hinaus können orale Antihypertensiva mit mäßig raschem Wirkeintritt wie ACE-Hemmer, Schleifendiuretika, Alpha-Agonisten wie Clonidin (CATAPRESAN u.a.) oder eventuell Betarezeptorenblocker verwendet werden.6,7 Bei vorbestehender antihypertensiver Therapie, Volumenmangel (beispielsweise durch Diuretika), hohem Lebensalter oder zerebrovaskulären Erkrankungen wird empfohlen, eine niedrige Dosierung zu wählen. Vor einer zweiten Einnahme ist genügend Zeit abzuwarten, um den Effekt der ersten abschätzen zu können.

Die hierzulande gängige Praxis, asymptomatisch erhöhte Werte mit Nifedipin sublingual zu behandeln,1 ist nicht gerechtfertigt. Für die damit verursachte potentiell riskante schnelle Drucksenkung besteht kein Bedarf, zumal Gefahr ausgeprägter Reflextachykardie gegeben ist.6

Hypertensive Notfälle

Maßgeblich für Wahl des Hochdruckmittels und Ausmaß der anzustrebenden Drucksenkung ist das zu Grunde liegende Krankheitsbild. Als Richtwert gilt, den arteriellen Mitteldruck* innerhalb von Minuten bis Stunden um maximal 20% bis 25% zu senken.5-7 Um überschießenden Blutdruckabfall zu vermeiden, soll die Intervention gut steuerbar sein. Wirkeintritt, Zuverlässigkeit und Wirkstärke, Handhabbarkeit und die möglichen unerwünschten Wirkungen sind weitere Auswahlkriterien für das Antihypertensivum (vgl. Kasten). Auch die Vertrautheit mit einem Medikament kann die Entscheidung beeinflussen.

*

Arterieller Mitteldruck entspricht grob geschätzt dem diastolischen Blutdruck plus einem Drittel der Differenz von systolischem und diastolischem Druck, z.B. 133 bei 200/100 mmHg.

US-amerikanische Empfehlungen geben der parenteralen Therapie, vorrangig mit Nitroprussid-Natrium (NIPRUSS), und damit der guten Steuerbarkeit den Vorzug. Unsere Berater kritisieren einhellig die aufwendige Handhabung von Nitroprussid-Natrium, das wegen seiner Wirkstärke engmaschige, möglichst intraarterielle Blutdruckkontrolle und somit Intensivüberwachung erfordert. Gebräuchlicher ist hierzulande der weniger gut steuerbare Alphablocker Urapidil (EBRANTIL).

Cave: Werden verschiedene Antihypertensiva zu rasch hintereinander verwendet, können überschießende und anhaltende Hypotonien folgen.

SPEZIELLE INDIKATIONEN: Die hypertensive Enzephalopathie kommt mittlerweile selten vor. Betroffen sind vor allem Patienten mit langjährigem, häufig nicht oder nur unzureichend eingestelltem Bluthochdruck, aber auch Schwangere mit Präeklampsie und plötzlichem Druckanstieg. Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen, Verwirrtheit sowie fokal-neurologische Ausfälle sind typische Symptome. Der Blutdruck ist üblicherweise massiv erhöht. Vor medikamentöser Intervention sind andere Ursachen auszuschliessen, insbesondere eine intrazerebrale Blutung und der zerebrale Insult, da eine zu starke und schnelle Drucksenkung diese Patienten besonders gefährdet.10 Es wird empfohlen, den mittleren arteriellen Druck innerhalb von zwei Stunden um maximal 20% bis 25%, aber nicht unter 100 mmHg diastolisch zu senken.7 Dafür eignen sich jedoch nur gut steuerbare Mittel wie Nitroprussid-Na, alternativ parenterales Glyzeroltrinitrat (TRINITROSAN u.a.). Das hierzulande gebräuchliche Urapidil ist schlechter steuerbar. Dihydralazin (NEPRESOL u.a.) gilt als Mittel der Wahl bei Präeklampsie. Liegt der Blutdruck über 160/110 mmHg, ist sofort zu behandeln. Um eine Verschlechterung der uteroplazentaren Perfusion zu verhindern, darf der Druck nicht überschießend gesenkt werden (vgl. a-t 2 [1998], 15).11

Bis zu 80% aller Patienten mit ischämischem Insult oder intrazerebraler Blutung haben zum Zeitpunkt des Ereignisses hypertensive Blutdruckwerte. Diese können sowohl Ursache als auch Folge des Ereignisses sein. Etwa jeder Zweite leidet an vorbestehender Hypertonie.12 Die Indikation zur Drucksenkung wird zurückhaltend gestellt, da mit Vergrößerung des Infarktareals beziehungsweise Verschlechterung der zerebralen Durchblutung zu rechnen ist.7,13,14 Bei den meisten Patienten normalisiert sich der Druck innerhalb von 48 Stunden nach dem Ereignis ohne weitere therapeutische Maßnahmen.5,7 Nur diastolische Werte über 120 bis 130 mmHg gelten als Behandlungsindikation. Für größere intrazerebrale Blutungen empfehlen einige Autoren eine Intervention ab systolisch 200 mmHg oder diastolisch über 120 mmHg. Innerhalb von 24 Stunden soll der mittlere arterielle Druck um maximal 20% gesenkt werden.13 Vorsicht: Patienten mit Hirninsult reagieren besonders empfindlich auf Antihypertensiva. In der ambulanten Notfallhilfe ist daher von blutdrucksenkenden Maßnahmen abzuraten. Die wenigen Insult-Patienten, deren Blutdruck aktiv gesenkt werden muss, sind möglichst intensiv beziehungsweise in einer "Stroke Unit" zu überwachen. Diese Forderung lässt sich nach Ansicht unserer Berater hierzulande häufig nicht realisieren. Wegen guter Steuerbarkeit ist Nitroprussid-Na Mittel der Wahl, als Mittel der Reserve kommt Urapidil in Betracht. Für Glyzeroltrinitrat gilt wegen möglicherweise stärkerer Erhöhung des intrazerebralen Druckes Zurückhaltung.

Patienten mit Subarachnoidalblutung profitieren von Nimodipin (NIMOTOP; vgl. a-t 11 [1989], 102), wenn Überleben und Schwere der Pflegebedürftigkeit gemessen werden.15,16 Welchen Einfluss der blutdrucksenkende Effekt der Therapie dabei hat, bleibt offen.

Bei Angina pectoris oder Myokardinfarkt ist Glyzeroltrinitrat Mittel der Wahl, in der ambulanten Notfallhilfe als Spray, in der Klinik parenteral. Therapeutisches Ziel ist Beschwerdefreiheit oder Abnahme des mittleren arteriellen Druckes um 30%, jedoch nicht unter 80 mmHg. Der systolische Wert sollte mindestens 90 mmHg betragen, die Herzfrequenz um nicht mehr als 10 Schläge pro Minute zunehmen. Kombination mit einem Betablocker wie Metoprolol (BELOC u.a.) vermeidet einen zu starken Anstieg der Frequenz.17

Bei hypertensivem Lungenödem ist rasche Drucksenkung innerhalb von Minuten angezeigt. Neben Schleifendiuretika ist Glyzeroltrinitrat, in der ambulanten ersten Hilfe als Spray, Mittel der Wahl. Reicht die Wirkung nicht aus, kann Nitroprussid-Natrium angebracht sein. Einige Autoren empfehlen auch den ACE-Hemmer Enalaprilat (XANEF).6,8

Differentialdiagnostisch ist bei allen Patienten mit krisenhaft erhöhten Druckwerten und Schmerzen im Brustkorb, Rücken oder Abdomen eine Aortendissektion in Betracht zu ziehen. Bei akuter Aortendissektion muss der Druck so rasch wie möglich gesenkt werden. Der diastolische Wert darf 100 mmHg nicht überschreiten. Mittel der Wahl ist Nitroprussid-Natrium in Kombination mit einem Betablocker.7 Allein darf ein vasodilatierendes Mittel nicht angewendet werden, weil die auf die Aortenwand einwirkenden Scherkräfte dadurch nicht ausreichend reduziert werden.18

HOCHDRUCKMITTEL ZUR BEHANDLUNG
HYPERTENSIVER DRINGLICHKEITEN ODER NOTFÄLLE


Nitroprussid-Natrium (NIPRUSS) wirkt über den in der glatten Muskulatur gebildeten aktiven Metabolien Stickstoffmonoxid (NO). Die starke dilatierende Wirkung ist an Arterien und Venen nahezu gleich ausgeprägt, die Herzfrequenz steigt nur gering an, der myokardiale Sauerstoffverbrauch nimmt ab. Die Wirkung setzt innerhalb von 30 Sekunden nach Beginn der Infusion ein und erreicht ihr Maximum nach zwei Minuten. Bereits drei Minuten nach Ende der Infusion lässt sich kein blutdrucksenkender Effekt mehr nachweisen.18,19 Unerwarteter Druckabfall lässt sich deshalb rasch korrigieren. Wegen der hohen Wirkstärke ist der Druck engmaschig, möglichst intraarteriell zu überwachen.

Nitroprussid-Natrium wird zu Zyanid abgebaut, mittels Thiosulfat in Thiozyanat umgewandelt und als solches über die Nieren ausgeschieden. Mit Zyanid- und Thiozyanat-Intoxikation ist vor allem bei hoher, die physiologischen Thiosulfatbestände überfordernder Dosis und bei eingeschränkter Nierenfunktion zu rechnen. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA empfiehlt, Nitroprussid-Natrium nicht länger als zehn Minuten in maximaler Dosierung zu infundieren.20 Diese wird jedoch selten gebraucht. Hierzulande wird geraten, zur Vorbeugung gleichzeitig Natriumthiosulfat zu geben.21 Als direkter Vasodilatator kann Nitroprussid-Natrium die zerebrale Perfusion erhöhen und damit den intrakraniellen Druck steigern.

Die Infusionslösung muss vor Licht geschützt werden. Trotz wiederholter Aufforderungen wird der NO-Donator nach wie vor nicht gebrauchsfertig mit lichtgeschütztem Infusionssystem geliefert, was die Handhabung unnötig erschwert (a-t 8 [1985], 61).

Glyzeroltrinitrat (Nitroglyzerin; TRINITROSAN u.a.) wirkt ebenfalls über NO gefäßerweiternd. In niedrigen Dosierungen überwiegt der Effekt im venösen Schenkel des Kreislaufs, höher dosiert wirkt es auch im arteriellen Gefäßsystem. Sublingual verwendet oder in die Mundhöhle gesprüht setzt die Wirkung nach 1-3 Minuten ein und hält für 30-60 Minuten an. Bei intravenöser Gabe über den Perfusor wirkt das Nitrat innerhalb von 1-2 Minuten mit einer Dauer von 3-5 Minuten.

Zu den wesentlichen unerwünschten Wirkungen gehören Kopfschmerzen und eine im Vergleich zu Nitroprussid-Natrium stärker ausgeprägte Zunahme des intrakraniellen Druckes. Das Ausmaß der möglichen Reflextachykardie hängt vom Füllungszustand der Herzkammern ab. Bei vorbestehendem Volumenmangel sind Angina pectoris-Anfälle möglich.22 Bei langfristigem Gebrauch entsteht Toleranz.

Urapidil (EBRANTIL) wird überwiegend in Deutschland empfohlen.3,23 In Dänemark, Schweden, Kanada und den USA ist das Mittel nicht zugelassen.8 Es blockiert postsynaptische Alpha-1-Rezeptoren und stimuliert zentrale Serotoninrezeptoren. Der periphere Widerstand nimmt ab, ohne dass die Herzfrequenz steigt. Die Wirkung setzt innerhalb von 5 Minuten nach Beginn der Infusion ein und hält 4-6 Stunden an. Sie ist somit weniger gut steuerbar.

Den intrakraniellen Druck soll Urapidil nicht beeinflussen. Mit schwerer Hypotonie ist bei etwa 4% der Patienten zu rechnen.24 Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Druckgefühl hinter dem Brustbein u.a. können auftreten und sind überwiegend auf zu rasche Blutdrucksenkung zurückzuführen.25

Enalaprilat (XANEF) ist der einzige verfügbare intravenöse ACE-Hemmer. Die Wirkung setzt nach 15-30 Minuten ein und hält ungefähr 6 Stunden an (schlecht steuerbar). Mit überschießender Drucksenkung ist zu rechnen, insbesondere bei Patienten mit vorbestehendem Volumenmangel oder nierenbedingtem Hochdruck.6 Für die hypertensive Dringlichkeit kommt Captopril (TENSOBON u.a.) per os in Betracht. Die Wirkung beginnt 20-30 Minuten nach der Einnahme und hält 8-12 Stunden an. Vorteile einer bisweilen vorgeschlagenen sublingualen Anwendung sehen wir nicht.

Der in amerikanischer Literatur häufig empfohlene Alpha- und Betarezeptorenblocker Labetalol ist in Deutschland nicht mehr erhältlich, wohl aber in der Schweiz (TRANDATE). Er wurde hierzulande wegen schwerer Leberschäden vom Markt genommen (vgl. a-t 10 [1990], 92). Als Betablocker wird überwiegend Metoprolol (BELOC u.a.) verwendet. Etwa 1 Minute nach i.v.-Injektion setzt die Wirkung ein und dauert 6-8 Stunden an.

Das Schleifendiuretikum Furosemid (LASIX u.a.) senkt den Druck durch vermehrte Natriumchloridausscheidung sowie Verringerung von Blutvolumen und Ansprechbarkeit der glatten Muskulatur auf gefäßverengende Reize. Der natriuretische Effekt setzt 5 Minuten nach i.v.-Injektion ein und dauert etwa 2 Stunden. Nach Einnahme per os ist mit Wirkbeginn innerhalb einer Stunde und mit Dauer von 6-8 Stunden zu rechnen.

Indikationsnische für den ansonsten wegen ausgeprägter immunallergischer Störwirkungen obsoleten Vasodilatator Dihydralazin (NEPRESOL u.a.) ist die parenterale Akutbehandlung ausgeprägter Hypertonie im letzten Trimenon der Schwangerschaft (a-t 2 [1998], 15).6 In der Frühschwangerschaft ist es wegen teratogener Effekte kontraindiziert. Die Wirkung beginnt nach 5-10 Minuten und hält 4-6 Stunden an. Reflextachykardie und Hypotonie kommen vor.

Clonidin (CATAPRESAN u.a.) eignet sich auf Grund schlechter Steuerbarkeit und sedierender Eigenschaften, die eine Beurteilung des neurologischen Status eines Patienten erschweren können, nicht für den hypertonen Notfall.8,26 Bei Dringlichkeiten ist der nach 30-60 Minuten wirkende Alpha-Agonist Mittel der Reserve. Der antihypertensive Effekt hält 6-8 Stunden an.

Diazoxid (HYPERTONALUM) wird wegen überschießenden Blutdruckabfalls und ausgeprägter Reflextachykardien bei hypertensiver Krise zunehmend als überholt eingestuft.4,6,26 Cave Flüssigkeitsretention. Es darf nicht bei Angina pectoris, Herzinfarkt, Aortenaneurysma oder Lungenödem verwendet werden.

Nifedipin sublingual (ADALAT u.a.) wird hierzulande immer noch häufig zur Akutbehandlung verwendet.1 Die Wirkung setzt nach 5-10 Minuten ein, erreicht nach 20-30 Minuten das Maximum und hält 2-5 Stunden an. Es besteht Gefahr überschießender Reaktion. Reflextachykardien bergen das Risiko kardialer Ischämien. Kalziumantagonisten aus der Dihydropyridin (Nifedipin)-Gruppe mit schnellem Wirkeintritt dürfen daher nicht bei instabiler Angina pectoris und akutem Myokardinfarkt verordnet werden. Bei 16 Berichten über schwere Nebenwirkungen sublingualen Nifedipins handelt es sich vor allem um zerebrovaskuläre und kardiale Ischämien, zwei Patienten starben nach Herzinfarkt.2 Wegen schlechter Steuerbarkeit und möglicher lebensbedrohlicher Folgen verbietet sich somit die Anwendung von Nifedipin bei hypertensiven Notfällen oder Dringlichkeiten.6,7,22,27- 29

FAZIT: Eine hypertensive Krise kann lebensbedrohlich sein, wenn der Blutdruckanstieg klinische Symptome oder Endorganschäden verursacht. Rasche Drucksenkung, ungeachtet der klinischen Umstände, kann ihrerseits Patienten gefährden. Die Unterscheidung zwischen hypertensiver Dringlichkeit und hypertensivem Notfall setzt sich auch hierzulande immer mehr durch. Bei hypertensiven Dringlichkeiten, also Fehlen von Symptomen oder akuten Endorganschäden, kann zunächst zugewartet werden, indem der Patient sich in einem ruhigen Raum hinlegt. Bleibt der Blutdruck hoch, können eine zusätzliche Dosis der Dauermedikation oder andere orale Antihypertensiva mit mäßig raschem Wirkeintritt wie Captopril (TENSOBON u.a.) eingenommen werden. Es reicht, den Druck innerhalb von 24 bis 48 Stunden zu senken.

Bluthochdruck in Verbindung mit akuten Endorganschäden wie Herzinfarkt oder Lungenödem ist ein hypertensiver Notfall. Die Patienten müssen umgehend in die Klinik. Wie rasch, wie stark und mit welchem Mittel der Druck gesenkt wird, richtet sich nach den klinischen Begleitumständen. Um überschießende Reaktionen zu vermeiden, soll die Therapie gut steuerbar sein. Abgesehen von ambulanten Erste-Hilfe-Maßnahmen ist daher die parenterale Behandlung erforderlich, vorrangig mit Nitroprussid-Natrium (NIPRUSS) oder Glyzeroltrinitrat (TRINITROSAN u.a.). Der hierzulande gebräuchlichere Alphablocker Urapidil (EBRANTIL) ist zwar einfach zu handhaben, wegen der bis zu sechs Stunden anhaltenden Wirkung jedoch schlechter zu steuern.

Entgegen der verbreiteten Praxis, krisenhaft erhöhten Blutdruck mit nicht retardiertem Nifedipin (ADALAT u.a.) zu behandeln, sehen wir beim derzeitigen Kenntnisstand für das Mittel keinen therapeutischen Bedarf. Der rasch und anhaltend wirkende Kalziumantagonist gefährdet Patienten durch unkontrollierbaren überschießenden Blutdruckabfall mit ischämischen Komplikationen.


© 1999 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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