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Neu auf dem Markt

GLIMEPIRID (AMARYL): 3. GENERATION ODER 3. AUFGUSS?

Das Glibenclamid-Original EUGLUCON N dominiert seit Jahren den Markt der Sulfonylharnstoff-Antidiabetika - derzeit mit über 40% der Verordnungen. Preisgünstige Nachfolger wie GLIBENHEXAL stagnieren trotz Spardiskussion oder werden sogar seltener verordnet (z.B. GLIBENCLAMID- RATIOPHARM).1 Was die anderen nicht schaffen, versucht der EUGLUCON-Anbieter jetzt selbst: Die als "physiologisch" und "harmonisch"2 beworbene Sulfonylharnstoffvariante Glimepirid (AMARYL) soll den patentfreien Marktführer "ablösen"3. Hoechst stellt die Neueinführung als ersten Sulfonylharnstoff der dritten Generation vor.4

Vollständig veröffentlichte klinische Vergleichsstudien mit Standard-Antidiabetika gibt es nicht. Ein einjähriger Vergleich der Neuerung (täglich 1 mg bis 8 mg) mit Glibenclamid (2,5 mg bis 20 mg/Tag*) liegt als Abstract vor. Nüchternblutzucker und glykosyliertes Hämoglobin (HbA1C) sinken unter beiden Antidiabetika gleich. Hinsichtlich Unterzuckerungen besteht kein signifikanter Unterschied (11% vs. 14%).5-7 In einer ebenfalls nur bruchstückhaft referierten Studie über 24 Wochen schneiden Glimepirid und Gliclazid (DIAMICRON) gleich ab, mit Hypoglykämie bei 4,8% (11 von 230) bzw. 2,6% (6 von 230).5,7,8 Bei insulinbehandelten Typ-II-Diabetikern soll die Neuerung in einer unveröffentlichten Studie Nüchternblutzucker, HbA1C und Insulinbedarf besser senken als Plazebo. Die Zusatzbehandlung verursacht jedoch häufiger Unterzuckerungen.5,9

Die angeblichen Vorteile von Glimepirid - z.B. geringeres Hypoglykämierisiko durch andere Bindung an Betazellen des Pankreas - stellen sich klinisch nicht dar. Auch für eine bessere kardiovaskuläre Verträglichkeit aufgrund fehlender Blockierung kardioprotektiver ATP-abhängiger Kaliumkanäle10,11 fehlen klinische Belege. Die einmal tägliche Einnahme (Werbung: "höhere Stufe der Compliance") rechtfertigt keine Aufwertung als neue Generation.6 Auch Glibenclamid wird in Dosierungen bis 7 mg einmal täglich eingenommen. Herstellerangaben zu unerwünschten Wirkungen entsprechen denen anderer Sulfonylharnstoffe.

FAZIT: Glimepirid (AMARYL) bringt keine Vorteile, die eine Umstellung von Glibenclamid (EUGLUCON N u.a.) auf die drei- bis siebenfach teurere Sulfonylharnstoffvariante rechtfertigen könnten. Solange Nutzen und Risiken unzureichend dokumentiert und die Mehrkosten beträchtlich sind, sehen wir keinen Grund für die Verordnung des neuen Antidiabetikums.

*

Entspricht 1,75 mg bis 14 mg in mikronisierter Form, in der Glibenclamid seit 1982 in Deutschland angeboten wird. Diese angeblich "optimierte Galenik" haben Hoechst/Boehringer Mannheim in Ländern wie Großbritannien, den USA und selbst in Österreich und der Schweiz nicht eingeführt.


© 1997 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

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