logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 1996; Nr. 12: 118-9nächster Artikel
Neu auf dem Markt

BEHANDLUNG DER OSTEOPOROSE
MIT BISPHOSPHONAT ALENDRONAT (FOSAMAX)

Mit zunehmendem Alter nimmt bei Männern und Frauen die Knochenmasse ab, bei Frauen vor allem in der ersten Zeit nach den Wechseljahren. Deshalb erleiden Frauen früher osteoporotisch bedingte Brüche. Besonders gefürchtet sind proximale Oberschenkelfrakturen. "FOSAMAX stoppt den Knochenklau",1 wirbt MSD für Alendronat, das nach Etidronat (DIDRONEL u.a.; vgl. a-t 4 [1995], 36) jetzt als zweites Bisphosphonat zur Behandlung der manifesten postmenopausalen Osteoporose zugelassen wurde.

EIGENSCHAFTEN: Wie alle Bisphosphonate leitet sich Alendronat vom Pyrophosphat ab, einem körpereigenen Hemmstoff des Knochenabbaus. Im Tierversuch unterbindet es die Resorption des Knochens stärker als Etidronat.2 Selbst wenn Alendronat unter optimalen Bedingungen – zwei Stunden vor dem Frühstück – mit Wasser eingenommen wird, gehen nur 0,7% der Dosis ins Blut über. Wird die Zeitspanne auf eine halbe bis eine Stunde verkürzt, halbiert sich die Bioverfügbarkeit nahezu, ebenso wenn die Tabletten statt mit Leitungswasser mit Kaffee oder Orangensaft eingenommen werden. Die Hälfte des aufgenommenen Alendronats verläßt innerhalb von drei Tagen den Körper über die Nieren, der Rest wird in die Knochen eingebaut. Die terminale Halbwertszeit wird auf mehr als 10 Jahre geschätzt. Wegen fehlender Erfahrungen ist Alendronat bei schwerer Niereninsuffizienz (Kreatinin-Clearance unter 35 ml/min) zu meiden.3

WIRKSAMKEIT: In mehreren herstellerunterstützten Studien4,5,6 nehmen 1.700 Frauen nach der Menopause im Alter von 42 bis 80 Jahren, deren Knochensubstanz vermindert ist und die zum Teil bereits eine Fraktur erlitten haben, mindestens eine Stunde vor dem Frühstück 5 mg bis 40 mg Alendronat oder Plazebo ein sowie täglich 500 mg Kalzium. Innerhalb von zwei bis drei Jahren steigt die Knochendichte an Wirbelkörpern und Hüfte bzw. proximalem Oberschenkel unter der jetzt empfohlenen Dosis von 10 mg Alendronat gegenüber Scheinmedikament um 6% bis 9%. Der größte Zuwachs findet sich im ersten Jahr.4,5

Die für die Beurteilung der Wirksamkeit ausschlaggebende Häufigkeit von Knochenbrüchen wird nur mit Hilfe gepoolter Daten zweier Studien bestimmt: Demnach soll Alendronat in drei Jahren das Risiko von Wirbelbrüchen von 6% auf 3% halbieren.4 Offenbar profitieren vor allem Frauen, die bereits zuvor eine Wirbelfraktur hatten: Unter Scheinmedikament erleiden innerhalb von drei Jahren 19% einen Wirbelbruch, unter Alendronat 13% – das entspricht einer Fraktur pro 50 Frauenjahre weniger. Um das erstmalige Auftreten einer einzigen Wirbelfraktur zu verhindern, müssen dagegen 300 Frauen das Bisphosphonat ein Jahr lang einnehmen. Für Brüche anderer Knochen läßt sich kein Vorteil absichern.4 Nach einer auf dem letzten Osteoporose-Weltkongreß vorgestellten, bislang nur als Abstract vorliegenden Studie scheint Alendronat bei Frauen mit bestehenden osteoporosebedingten Wirbelbrüchen auch das Risiko von Schenkelhalsfrakturen (von 2% auf 1%) und des Handgelenks zu halbieren.7,8

Im offenen Vergleich steigern täglich 100 I.E. intranasales Calcitonin (KARIL), also die Hälfte der hierzulande und in den USA empfohlenen Dosis, die Knochenmasse im Gegensatz zu Alendronat nicht wesentlich.9 Nach Zwischenergebnissen einer Untersuchung mit 1.600 Frauen zur Vorbeugung der Osteoporose schneiden 5 mg des neuen Bisphosphonats gegenüber Estradiol plus Norethisteron (Typ KLIOGEST N u.a.) gemessen an der Beeinflussung der Knochendichte deutlich schlechter ab.10 Vergleichsstudien mit Etidronat sind erst in Planung.11

STÖRWIRKUNGEN: Während der Studien äußern sich Störwirkungen vor allem in Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen (7%), Übelkeit (4%), Durchfall und Verstopfung (je 3%) sowie Kopfschmerzen (3%) und Myalgien (4%). 1,5% der Anwenderinnen erleiden Geschwüre der Speiseröhre.3 Nach Markteinführung in den USA zwingt die Häufung der Berichte über schwere Ösophagusschäden den Hersteller, einen Warnbrief an Fachkreise zu versenden und die Einnahmevorschriften zu verschärfen.12 Alendronat ist stets mit einem vollen Glas Wasser im Stehen oder Sitzen einzunehmen. Hinlegen ist frühestens eine halbe Stunde später und nach Aufnahme von Nahrung erlaubt.12,13 Gleichzeitige Einnahme von Azetylsalizylsäure (ASPIRIN u.a.) erhöht das Risiko.13 Erosive Schäden der Speiseröhre sind auch für Pamidronat (AREDIA) bekannt. Häufig fallen Serumkalzium und -phosphat ab, ohne daß klinische Zeichen eines Kalziummangels in Erscheinung treten.13

Das hierzulande seit Frühjahr 1996 zur Behandlung der Osteoporose zugelassene Etidronat kann bereits in therapeutischer Dosierung die Mineralisation des Skeletts beeinträchtigen und soll deshalb zyklisch angewendet werden. Die US-amerikanische Zulassungsbehörde verwehrt dieses Anwendungsgebiet dem "Alt"-Bisphosphonat bis heute, da Wirbelfrakturen in den ersten zwei Jahren der Einnahme zwar abnehmen, dann aber deutlich ansteigen. Nach drei Jahren läßt sich kein Vorteil mehr sichern.8,14 Tierexperimentellen Daten zufolge soll Alendronat den Knochenaufbau erst in weit höheren Dosierungen stören, als zur Hemmung des Knochenabbaus erforderlich sind.2 Soweit den Anwenderinnen Biopsien entnommen wurden, fand sich eine normale Knochenstruktur. Erfahrungen existieren jedoch nur für maximal vierjährige Behandlung,3 so daß offenbleibt, ob Alendronat bei Dauereinnahme mit zeitlicher Verzögerung den Knochenaufbau stören kann.

FAZIT: Das Bisphosphonat Alendronat (FOSAMAX) erhöht die Knochensubstanz um 6% bis 9% und soll das Risiko von Wirbelbrüchen innerhalb von drei Jahren halbieren. 50 Frauen, die bereits eine osteoporosebedingte Kompressionsfraktur erlitten haben, müssen demnach die teure Neuerung ein Jahr lang einnehmen, um einen vertebralen Bruch zu verhindern. Bestenfalls eine von 100 Frauen mit vorbestehendem Wirbelbruch könnte nach vorläufigen Daten pro Jahr vor einer Schenkelhalsfraktur geschützt werden. Fraglich bleibt, ob sich solche Ergebnisse außerhalb von Studien und somit ohne die besonders strengen Einnahmevorschriften bestätigen lassen. Die äußerst geringe und dabei variable Bioverfügbarkeit und die Gefahr schwerer Entzündungen der Speiseröhre dämpfen unseres Erachtens die Erfolgschancen. Ein Vorteil gegenüber Etidronat (DIDRONEL u.a.) muß sich durch Langzeiterprobung bestätigen.


© 1996 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 1996; Nr. 12: 118-9nächster Artikel