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Korrespondenz

KONTAKTINFEKTION NACH POLIO-AUFFRISCHIMPFUNG?

Wir führen in unserer Praxis vowiegend Polio-Auffrischimpfungen bei Erwachsenen mit ORAL-VIRELON durch... In der Literatur habe ich von Ansteckungen bei nichtgeimpften Mitbewohnern in Einzelfällen gelesen. Es wurde einem Arzt eine mangelnde Information bei entsprechendem Ereignis vorgeworfen.

Sind bei Wiederauffrischungen von Erwachsenen mit ORAL-VIRELON die Mitbewohner auch mit aufzufrischen? Sind die Mitbewohner bereits geimpft, nach welchem Abstand zur letzten Impfung sollen sie mitaufgefrischt werden (10 Jahre)?

Dr. med. D. ELGETI (Internistin)
D-33605 Bielefeld

Die Impfung mit lebenden abgeschwächten Polioviren nach SABIN kann als seltene Komplikation beim Impfling (1:4,4 Mio Impfdosen) oder auch bei nicht ausreichend immunisierten Kontaktpersonen (1:15,5 [-17,5] Mio Impfdosen) eine spinale (Kinder-) Lähmung auslösen (vgl. a-t 6 [1995], 66; Arzneimittelkursbuch '96/97, Seite 1157).1 Gefährdet sind insbesondere Menschen mit Immundefekten. Abwehrgeschwächte oder Impflinge, die mit ihnen in einer Wohngemeinschaft leben, dürfen nur inaktivierte Vakzine nach SALK (VIRELON C) erhalten.

Die Impfpolio kann auch Gesunde mit intaktem Immunsystem treffen, wenn durch Spontanmutation der abgeschwächten Erreger während der Vermehrung im Darm Varianten mit höherer Neurovirulenz entstehen.2 Auch bei Wiederimpfung kann es zu einer vakzineassoziierten Poliomyelitis kommen, wenngleich offenbar seltener2 als nach Erstanwendung. Je nach Immunstatus vor der Prophylaxe werden die Viren auch bei Auffrischimpfung bis zu acht Wochen mit dem Stuhl ausgeschieden.3 Für Auffrischimpfungen gelten daher grundsätzlich dieselben Vorsichtsmaßregeln wie für die Grundimmunisierung: Die Impflinge und Mitglieder der Wohngemeinschaft müssen über die Gefahr der Kontaktinfektion Dritter – besonders bei gemeinsamer Toilettenbenutzung – aufgeklärt werden. Alle Mitbewohner des Impflings, die nicht in den letzten zehn Jahren immunisiert wurden, sollen möglichst gleichzeitig geimpft werden. Für nichtimmunisierte Erwachsene wird empfohlen, die Prophylaxe mit inaktivierter Vakzine zu beginnen,4 –Red.

1

MAASS, G.: pädiat. prax. 50 (1995/1996), 97

2

SCHNEEWEISS, B.: pädiat. prax. 50 (1995/1996), 98

3

MAASS, G.: pädiat. prax. 49 (1995), 598

4

HUBER, E. G.: in FEIEREIS, H., R. SALLER: "170 neue, noch unveröffentlichte Fragen und Antworten aus der Praxis", Band 5, Marseille Verlag, München, 1996, Seite 93


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