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Nutzen und Risiken von Tretinoin-Creme gegen Lichtalterung der Haut: "Pickel-Präparat als Falten-Killer" – unter diesem Motto empfiehlt Cilag 1988 Tretinoin zur Erhaltung der "biologischen Vitalität der Haut" (Presseinformation vom 9. Febr. 1988) – eine nicht zugelassene Indikation für das verschreibungspflichtige Aknemittel (EPI-ABEREL u.a.). Die international angelegte Werbekampagne verdoppelt in den USA die Verkaufszahlen. Vor allem Frauen über 30 lassen sich das "Antifaltenmittel" verordnen (STERN, R. S.: N. Engl. J. Med. 331 [1994], 1348). Erst Ende 1995 erhält Ortho-Cilag/USA die Zulassung für eine 0,05%ige Tretinoin-Creme-Zubereitung (RENOVA) als Zusatztherapie für Patienten, bei denen der beste Schutz vor vorzeitiger Alterung der Haut – Meiden praller Mittagssonne, abdeckende Kleidung und Lichtschutzmittel mit hohem Filterfaktor (a-t 7 [1994], 62) – nicht ausreicht. Der Nutzen der Creme erscheint insgesamt gering: Nach 24wöchiger Anwendung dreimal pro Tag bessern sich bei 24% von 161 Patienten zwischen 30 und 50 Jahren feine Fältchen mäßig, bei 40% minimal und bei 36% gar nicht. Für über 50jährige, Personen mit mittlerem bis dunklem Hauttyp, sichtbarer Lichtkeratose oder Hautkrebs in der Vorgeschichte fehlen Nutzenbelege. Tretinoin kann weder Fältchen oder die typischen Zeichen der Lichtalterung wie rauhe, lederförmige Haut mit Rautenzeichnung und unregelmäßiger Pigmentverteilung beseitigen noch der Haut histologisch eine jüngere Struktur verleihen. Die US-amerikanische Produktinformation trägt einen deutlichen Warnhinweis: "Die Folgen einer anhaltenden Reizung der Haut durch das Hautirritans über mehr als 48 Wochen sind nicht bekannt. Es gibt Hinweise auf atypische Veränderungen in Melanozyten und Keratinozyten und gesteigerte Degeneration elastischer Fasern der Haut bei einigen Patienten unter mehr als 48wöchiger Anwendung. Die Bedeutung dieser Befunde bleibt offen" (RENOVA/USA, Verschreibungsinfo 1995/ati d). Studien an Mäusen weisen darauf hin, daß Tretinoin möglicherweise das tumorigene Potential von UV-Licht verstärkt (KASTRUP, E. K. [Hrsg.]: "Facts and Comparisons", St. Louis [USA, Nov. 1993], 542). RENOVA-Verwender sollen direktes Sonnenlicht meiden, ebenso die Einnahme lichtsensibilisierender Arzneimittel wie Thiazide, Tetrazykline, Gyrasehemmer, Phenothiazine und Sulfonamide (vgl. a-t 7 [1995], 70). Verstärkte Phototoxizität ist zu befürchten. Die mehrwöchige Verwendung von Tretinoin als Aknemittel verursacht bei einer Frau mit seit Jahren erhöhten Transaminasen reproduzierbar Kopfschmerzen, Ataxie, Sprachstörungen und andere neurologische Nebenwirkungen (BERNSTEIN, A. L., J. L. LEVENTHAL-ROCHON: Ann. Intern. Med. 124 [1996], 227). Gebrauch in der Schwangerschaft verbietet sich wegen der Fehlbildungsgefahr (Pharm. Ztg. 139 [1994], 3898). Vermarktung in Deutschland sieht Cilag für RENOVA "vorerst nicht vor" (Cilag GmbH: Schreiben vom 29. Jan. 1996).


© 1996 arznei-telegramm

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