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Im Blickpunkt

WIE VIRUSSICHER SIND IMMUNGLOBULINE?

Gibt es Fälle von HIV-Übertragungen durch i.m. verabreichte Immunglobuline (breit wirksame und Spezialpräparate)?

S. KONDER (leitende Apothekerin)
Sankt Marien-Hospital
D-45894 Gelsenkirchen


Ein kleines Kind wird wegen eines genetisch bedingten IgA-Mangels in regelmäßigen Abständen mit Immunglobulinen substituiert. Es erhielt bisher GAMMAGARD der Firma Baxter und SANDOGLOBULIN der Firma Sandoz. Sind Ihnen etwaige HIV- oder Hepatitis-C-Übertragungen durch eines dieser Präparate bekannt oder bestehen etwaige Anhaltspunkte dafür?

Dr. med. H. KUMOR (Arzt f. Innere Medizin)
Kreiskrankenhaus Freyung
D-94078 Freyung


Zahlreiche ähnliche Anfragen zur Virussicherheit von Immunglobulinen (vgl. a-t 9 [1992], 91, Seite 107 dieser Ausgabe) erreichen derzeit die Redaktion.

Einzelspenden werden auf Hepatitis-Oberflächen-Antigen HBsAg und auf HIV-Antikörper sowie Hepatitis-C-Antikörper untersucht. Spender mit erhöhten Transaminasen sollen von der Blutspende ausgeschlossen werden. Wegen der Latenzzeit zwischen Infektion und Serokonversion (Antikörperbildung) garantieren fehlende HCV- und HIV-Antikörper sowie Abwesenheit von HBs-Antigen jedoch nicht, daß keine Hepatitis-B, -C- oder HIV-Infektion vorhanden ist.

Zur Arzneimittelherstellung werden 40.000 und mehr Einzelspenden gepoolt, so daß ein nicht erkannter infizierter Einzelspender eine ganze Produktcharge infizieren kann. Deshalb sind für aus Plasma gewonnene Arzneimittel zusätzliche Virusinaktivierungsverfahren notwendig, von denen die Hitzesterilisation als sicherste Methode gilt.

Immunglobulin-Präparate sollen nach Einschätzung der WHO HIV-sicher sein, weil sie durch COHN-Fraktionierung gewonnen werden, die HI-Viren eliminiert (s. auch a-t 3 [1988], 31). Folgende zusätzliche Virusinaktivierungsverfahren, die insbesondere Hepatitis-C-Viren unschädlich machen sollen, finden neben der COHN-Fraktionierung für intravenöse Immunglobuline Anwendung, die als risikoreicher als intramuskuläre Zubereitungen angesehen werden:

  • Reduzierung des pH-Wertes (Inkubation bei pH 4,25 über 24 Tage bei 25 Grad): z.B. POLYGLOBULIN N (Tropon/Cutter),
  • Betapropiolakton-Behandlung: z.B. CYTOTECT, INTRAGLOBIN (F), VARITECT, HEPATECT (Biotest),
  • Hitzeinaktivierung (60 Grad/10 Stunden), Pasteurisierung: z.B. GAMMA-VENIN S (Behringwerke),
  • oxidative S-Sulfonierung: z.B. VENIMMUN (Behringwerke),
  • festphasengebundene Hydrolasen (Proteasen; Protease Treatment Immuno): z.B. ENDOBULIN (Immuno).

Mehrere Sicherheitsschritte sollen im Interesse der Virusfreiheit des Medikaments hintereinander folgen (Kombination mehrerer Schritte). Die Virussicherheit läßt sich durch Validierungsverfahren prüfen. Vor jedem Herstellungsschritt wird dabei eine definitive Menge Testviren zugesetzt und nach Virusinaktivierung die noch erhaltene Viruskonzentration bestimmt. Gefordert werden Reduktionsfaktoren von mindestens 10.000 pro Einzelschritt. Im Endprodukt sollte ein theoretischer Wert von 106 Keimen pro ml nicht überschritten werden.

Die derzeit verfügbaren Virusinaktivierungsverfahren machen eine 100%ige Virussicherheit bei aus Humanplasma gewonnenen Produkten nicht möglich (UHL, D.: Dtsch. Apoth. Ztg. 132 [1992], 2512). Für eine höchstmögliche Virussicherheit ist neben der Virusinaktivierung die Spenderauswahl entscheidend. Zur Minimierung des Infektionsrisikos sollten nur Blutprodukte freiwilliger, langfristig überwachter Spender, die keiner Risikogruppe entstammen, in Frage kommen und auf Einfuhren von Blutprodukten aus dem Ausland verzichtet werden.

FAZIT: Eine HIV- oder Hepatitis-B- bzw. C-Infektion durch Immunglobuline ist heute wenig wahrscheinlich, aber leider nicht unmöglich. Ältere Fallberichte zu Infektionen liegen jedoch nur für Hepatitis Infektionen durch Immunglobuline vor (s. auch "Vom Verdacht zur Diagnose", A.V.I. 1992, Seite 175), –Red.


© 1993 arznei-telegramm

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