logo
logo
Die Information für medizinische Fachkreise
Neutral, unabhängig und anzeigenfrei
vorheriger Artikela-t 1993; Nr. 8 : 84 
Warnhinweis

MIGRÄNEMITTEL SUMATRIPTAN (IMIGRAN):
GEFÄHRLICHE VASOSPASMEN

Zu den typischen Schadwirkungen Ergotamin-haltiger Migränemittel (z.B. CAFERGOT N) zählen spastische Gefäßverengungen, der sogenannte Ergotismus. Mit bedrohlichen vasokonstriktorischen Effekten muß auch bei dem neuen Serotoninagonisten Sumatriptan (IMIGRAN) gerechnet werden (vgl. a-t 2 [1993], 22). Das Migränemittel läßt den Gefäßwiderstand im großen und kleinen Kreislauf ansteigen. Der Druck in der Aorta nimmt um 12-20% zu.1 Eine 47jährige Frau ohne vorbestehende koronare Herzkrankheit oder PRINZMETAL-Angina erleidet einen akuten Herzinfarkt nach Subkutaninjektion von 6 mg Sumatriptan. Zuvor hatten zwei Sumatriptan-Injektionen jeweils vorübergehend Brustschmerzen ausgelöst.2 Für die Kausalität des Migränemittels spricht der akute Krankheitsverlauf im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit definierten Symptomen.2,3 Ein 46 Jahre alter Mann mit linksseitiger Migräne ohne neurologische Begleitsymptome entwickelt eine Woche nach der letzten von fünf Sumatriptan-Injektionen eine rechtsseitige Halbseitenlähmung und Hypästhesie.4 Ein Zusammenhang der Subkutangabe mit der Entstehung eines ischämischen Hirninfarktes erscheint plausibel, nachdem bei Migränepatienten 30 Minuten anhaltende Gefäßverengungen der Aa. cerebri media und carotis interna als Medikationsfolge nachzuweisen waren.6 Verdachtsmeldungen zu neurologischen Störwirkungen von Sumatriptan an das britische Committee on Safety of Medicines umfassen Hemiparese, Fazialisparese, Sprach- und Artikulationsstörung, Parästhesie und Hemianopsie.5

Unserem NETZWERK gingen in den letzten Wochen gehäuft Berichte zu Sumatriptan zu. Fünf Frauen reagieren auf Sumatriptan- Injektionen mit Tachykardie, zweimal verbunden mit Angina pectoris, einmal mit Blutdruckabfall (NETZWERK-Berichte 6450, 6451, 6452, 6453, 6454). Wegen Atemnot, Unruhe, retrosternaler Enge, Kopfdruck, Hyperventilation und panischer Angst, die eine halbe Stunde nach erstmaliger Einnahme auftreten, muß ein 17jähriger in Schleswig-Holstein stationär eingewiesen werden. EKG-Veränderungen sind nicht feststellbar (Bericht 6486). Eine 32jährige ruft nach Einnahme von Sumatriptan-Tabletten den Notarzt wegen heftiger stenokardischer Beschwerden, Beklemmungsgefühl, Luftnot und Angst, "sterben zu müssen". Die Migräne bleibt unbeeinflußt und klingt erst 24 Stunden später ab (6568). Ein unmittelbar nach Sumatriptan-Injektion vom Nacken auf den ganzen Kopf aufsteigendes Brennen geht bei einer 41jährigen mit Engegefühl in der Brust und Angst einher (6467). Ein hessischer Kollege berichtet über brennenden bzw. starken Schmerz an der Injektionsstelle bei zwei Migräne-Patienten: Während ein 33jähriger außerdem nach drei Minuten mit Blässe, Schweißausbruch und Übelkeit reagiert (6545), wirkt die Injektion bei einer 35jährigen Friseuse nur mangelhaft (6547). Nach heftigen Schmerzen während der Injektion klagt eine 52jährige wenig später über Übelkeit sowie Taubheit in verschiedenen Körperregionen, die zum Teil einen Tag anhalten. Die Migräne klingt zwar nach der Injektion ab, 13 Stunden später kommt es jedoch zur erneuten Attacke (6639). Eine 24jährige Arzthelferin reagiert auf Sumatriptan mehrmals mit Wortfindungsstörungen und Gedächtnislücken (6637).

Dem Vernehmen nach ist einer anderen deutschen Erfassungsstelle Vasospasmus der Arteria femoralis und poplitea nach Sumatriptan subkutan im Sinne eines klassischen Ergotismus bekannt geworden.

FAZIT: Die Behandlung der Migräne mit der Serotoninvariante Sumatriptan (IMIGRAN) kann mit Ergotismus-artigen vasokonstriktiven Symptomen einhergehen. Schwere Zwischenfälle nach Sumatriptan mit Myokardinfarkt und Hemiparese werden jetzt beschrieben. Die kostspielige Neuerung (vgl. a-t 2 [1993], 21) sollte u.E. angesichts des sich abzeichnenden Risikoprofils nur nach Ausschöpfung aller anderen medikamentösen und nichtmedikamentösen Maßnahmen verordnet werden, zumal bei der Hälfte der auf die Behandlung ansprechenden Patienten der Migräneanfall anscheinend nur um 24 bis 48 Stunden verschoben, aber nicht beseitigt wird (vgl. S. 81).


© 1993 arznei-telegramm

Autor: Redaktion arznei-telegramm - Wer wir sind und wie wir arbeiten

Diese Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung sowie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen ist nur mit Genehmigung des arznei-telegramm® gestattet.

vorheriger Artikela-t 1993; Nr. 8 : 84